Protest gegen Kohleabbau in NRW: Großaufgebot für Lützerath
Mit hunderten Beamten will die Polizei ab Mittwoch das besetzte Dorf räumen. Der Verfassungsschutzpräsident erwartet „gewalttätige Krawalle“.
Weinspach erklärte, am Dienstag wolle die Polizei noch eine Informationsveranstaltung in Erkelenz abhalten, ab Mittwoch dann sei mit einer Räumung „jederzeit“ zu rechnen. Er appellierte an Protestierende, friedlich zu bleiben. Dass am Sonntag Steine geflogen seien und auch bürgerliche Demonstrierende mit an Barrikaden bauten, sei aber beunruhigend. Man werde auf Deeskalation setzen, aber wohl „auch gewaltbereiten Straftätern gegenüberstehen“.
Einsatzleiter Wilhelm Sauer warnte vor Barrikaden und Gräben, die in Lützerath derzeit angelegt würden. Dazu kämen Mono- und Tripods, von Aktivist:innen besetzte Pfahlkonstrukte, die aufwendig zu räumen seien. Auch wisse man nicht, ob nicht auch in den besetzten Gebäuden Fallen warteten. Zudem habe man Steinkatapulte entdeckt, was „die Grenze jedes hinnehmbaren Szenarios“ überschreite. Gleiches gelte für Anschläge auf Logistikfirmen, die die Polizei oder RWE unterstützten.
Letztlich müsse man das gesamte Braunkohlerevier im Blick behalten, weil Aktivist:innen überall Aktionen starten könnten, um Polizeikräfte zu binden, so Sauer. Die Polizei werde mit „Zurückhaltung bis zum äußerst Machbaren“ vorgehen. „Aber ich werde nicht zulassen, dass meine Beamten zur Zielscheibe roher Gewalt werden.“
Initiative kritisiert Eskalation der Polizei
Die Initiative „Lützerath lebt“, die den weiteren Kohleabbau verhindern will, wirft der Polizei dagegen vor, zu eskalieren und zuletzt rabiat gegen eine friedliche Menschenkette vorgegangen zu sein. Die folgenden Steinwürfe hatten Aktivist:innen laut Beobachter:innen vor Ort mit „Keine Steine“-Rufe quittiert.
Für die Initiative selbst haben nach eigener Auskunft „alle Aktionslevel ihren grundsätzlichen Daseinszweck“. Auf dem Szeneportal Indymedia gibt es offenere Aufrufe, den Preis für die Räumung hochzutreiben. Angeregt wird auch, dezentral Tagebaueinfahrten zu blockieren, Bagger zu besetzen oder Pumpen „abzuschalten“.
Verfassungsschutzchef Haldenwang sagte der taz, friedliche Proteste seien in einer Demokratie legitim. „Die Protestbewegungen in Lützerath sind allerdings sehr heterogen.“ Relevant werde der Protest für den Verfassungsschutz, wenn Linksextremisten versuchten, friedliche demokratische Proteste zu unterwandern und instrumentalisieren. „Versuche nehmen wir bereits wahr“, so Haldenwang. „Wir sehen, dass bundesweit auch gewaltbereite Linksextremisten gegen die Räumung mobilisieren und sich bereits vor Ort sammeln. Teils wird zu militanten Aktionen aufgerufen.“
Haldenwang verwies auf die Proteste im Hambacher und Dannenröder Forst, wo es „ein brutales Vorgehen gegen die Räumung“ gegeben habe. „Insofern erwarte ich auch in Lützerath gewalttätige Krawalle.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wollte sich bisher nicht zu der Räumung äußern und verwies auf das zuständige NRW. Der dortige Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem ZDF, die meisten Protestierenden in Lützerath seien „vernünftige Menschen, die ein echtes Anliegen haben“. Nur eine Minderheit neige zu Gewalt. Gegen diese müsse die Polizei vorgehen.
Die Linke in Berlin kritisiert Entsendung von Polizeieinheiten
Die Grünen-Bundeschefin Ricarda Lang forderte am Montag eine „Deeskalation aller Beteiligten“. RWE habe einen Rechtsanspruch auf die Räumung in Lützerath. Sie habe aber auch „Verständnis für Menschen, die jetzt dort demonstrieren, für Frust und vor allem auch für Druck für mehr Klimaschutz“. Entscheidend sei der bundesweite Ausstieg aus der Kohle.
Die Linke stellt sich dagegen klar gegen die Räumung. Parteichefin Janine Wissler kündigte an, sich an den Protesten zu beteiligen. Die Räumung sei ein „Frontalangriff auf den Klimaschutz“ und „Wahnsinn“. Die NRW-Landeschefin Kathrin Vogler zog bereits ins Protestcamp ein.
In Berlin kritisierte die mitregierende Linke, dass auch die Hauptstadt Polizeieinheiten nach NRW entsendet, wie ein Polizeisprecher der taz bestätigte. „Diese Räumung ist sinnlos und längst zum Symbol für die verfehlte Klimapolitik geworden“, sagte Innenpolitiker Niklas Schrader der taz. „Wir haben als Land Berlin da eine andere Linie. Insofern sollte sich Berlin daran nicht beteiligen.“
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