Paragraf „Verhetzende Beleidigung“: Kein Schutz für Muslime

Ein neuer Paragraf soll die Verleumdung bestimmter Gruppen strafbar machen. Uneins ist sich die Koalition in der Frage, welche Gruppen dazugehören.

Rasierte Köpfe von hinten bei eienr neofaschistischen Demonstration

Sie dürfen bald nur noch eingeschränkt Hetze betreiben: Neonazis in Berlin Foto: ap

Angehörige von Gruppen, die im Faschismus verfolgt wurden, sind besonders schutzbedürftig. Sie wissen aus kollektiver Erfahrung, wie schnell eine Gesellschaft Zivilisation und Rechtstaatlichkeit vergessen kann und stattdessen Ausgrenzung und Massenmord billigt. Daher sind Strafnormen, die Gruppen mit NS-Verfolgungsschicksal besonders schützen, meist sinnvoll und gerechtfertigt.

Geradezu zynisch ist es jedoch, wenn der Bezug auf die faschistischen Verbrechen benutzt wird, um Muslime auszugrenzen. Die CDU/CSU schlägt vor, dass die geplante Strafnorm „verhetzende Beleidigung“ nur greifen soll, wenn eine Gruppe mit NS-Verfolgungsschicksal attackiert wird. Welch bizarre Logik: Vor Ausgrenzung und Verächtlichmachung würde nur geschützt, wer mindestens einmal Gegenstand deutscher Vernichtungspolitik war.

Gehören denn nur die Gruppen zu Deutschland, die schon mit deutschen KZs Bekanntschaft gemacht haben? Die Union ist bereit, Sinti und Roma, Homosexuelle und sogar Kommunisten mit der neuen Strafnorm zu schützen. Alle sind nicht gerade Teil der christdemokratischen Kernklientel. Aber Muslime? Das geht der CDU/CSU dann doch zu weit. Wer in Deutschland – historisch betrachtet – weder Täter noch Opfer ist, gehört für die Union einfach nicht richtig dazu.

Doch das Strafrecht darf nicht nur die Opfer von gestern schützen, es muss auch die Opfer von heute im Blick haben. Wenn Muslime heute lesen müssen, dass sie in Deutschland nichts zu suchen haben, dass sie alle Terroristen und Pädophile seien, dass Anschläge auf Moscheen begrüßt werden, dann fühlen sie sich sich aktuell bedroht und müssen nicht Jahrzehnte zurückblicken.

Die Anschlagsserie des NSU und die Morde von Hanau zeigen, wie schnell auch heute Diskriminierung und Hetze in tödliche Gewalt umschlagen können. Die Bundesregierung hat die Einführung der neuen Strafnorm gegen „verhetzende Beleidigungen“ als eine der Lehren aus Hanau aufgelistet. Es ist erschütternd, wie die CDU/CSU dieses Vorhaben in der Praxis umsetzen will.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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