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Offensive in SyrienIst ein freies Syrien möglich?

Syrische Rebellen erobern eine Stadt nach der anderen. Befreite Orte feiern und hoffen auf ein Ende des Assad-Regimes.

Rebellen in Hama am 3. Dezember Foto: Ghaith Alsayed/ap

Was ist passiert?

Am 30. November fiel Syriens zweitgrößte Stadt Aleppo mit zwei Millionen Einwohnern völlig überraschend an Rebellen – nur drei Tage nach Beginn der Offensive der in der Bergregion Idlib dominanten Rebellenbewegung HTS (Hayat Tahrir al-Scham). Die Rebellen stießen daraufhin weit nach Süden vor und eroberten am 5. Dezember Syriens viertgrößte Stadt Hama – ein Symbol der Stärke Assads, seit ein Aufstand gegen die Diktatur dort 1982 blutig mit über 40.000 Toten niedergeschlagen wurde. Nun hat das Regime Hama aufgegeben, am Donnerstagabend gab es gigantische Freudenfeiern auf den Straßen. Das Ende des Assad-Regimes ist jetzt aus Sicht vieler Syrer unabwendbar. Am Freitag standen die Rebellen vor Homs, in Daraa im Süden brach ein Aufstand aus.

War der Syrienkrieg nicht eigentlich vorbei?

Das Regime von Diktator Baschar al-Assad in Damaskus schien bisher fest im Sattel zu sitzen. Es war 2011 unter Druck von Massenprotesten geraten, die angesichts brutaler Repression in einen Bürgerkrieg eskalierten. Mit Giftgas, Hungerblockaden und Massakern hatte Assads Armee, unterstützt von Iran, Russland sowie der Hisbollah aus Libanon, die Aufständischen brutal niedergekämpft, Hunderttausende Menschen wurden getötet.

wochentaz

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Ab 2017 war Syrien faktisch geteilt. Assad herrschte im zentralen Gürtel von Damaskus bis Aleppo und an die Mittelmeerküste. Die einzige von Anti-Assad-Rebellen noch gehaltene Provinzhauptstadt war Idlib. Alle verbliebenen Aufständischen anderswo wurden dorthin verfrachtet, auch 1,5 Millio­nen Zivilisten flohen dorthin. Die Türkei schützte das Gebiet, es wurde aber dennoch weiter bombardiert und verkleinert. Im Nordosten Syriens, jenseits des Euphrat, machte sich die dortige kurdische Mehrheitsbevölkerung unter Führung der YPG, syrischer Arm der PKK-Guerilla, selbstständig und rief ein autonomes „Rojava“ aus, geduldet vom Assad-Regime; die Kurden besiegten mit US-Hilfe in Syrien und Irak den „Islamischen Staat“ (IS). Die Türkei besetzte ihrerseits einen nord­syrischen Grenzstreifen und vertrieb aus diesem Gebiet Teile der kurdischen Bevölkerung.

Wieso kollabiert jetzt das Assad-System so schnell?

Das Assad-Regime in Damaskus war nach dem Krieg faktisch kein Staat mehr, sondern ein Mafiasystem. Funktionierende Institutionen gab es nicht, sondern nur das Militär, die Geheimdienste und den Assad-Familienclan, der Unternehmen und Behörden entweder direkt führte oder nach Gutdünken schröpfte. Wiederaufbau gab es nicht. Fast alle Güter des täglichen Bedarfs sind rationiert, ihr Bezug hängt von der Willkür des Regimes ab. Statt produktiver Wirtschaft blüht der Drogenhandel. So wahrte der Assad-Clan vordergründig die totale Kontrolle über ein Rumpfsyrien, in dem nichts mehr funktionierte. In den letzten Jahren hat es wieder neue Proteste gegeben, außerdem neue Anschläge eines erstarkenden „Islamischen Staats“ (IS).

Als die HTS-Rebellen zur Großoffensive schritten, stellte sich dem niemand entgegen. Manche Regierungssoldaten wussten offenbar frühzeitig Bescheid; sie waren in Richtung Süden und Mittelmeerküste ab­beordert worden. „Die Einheiten der 4. Division von Assads Armee in Damaskus wurden auch fünf Tage nach Beginn des Falls von Aleppo nicht mobilisiert“, berichtet ein syrischer Analyst. „Daher deutet vieles auf eine Art stillschweigendes Abkommen hin.“ Viele Militärbasen und Waffenlager mit modernstem Kriegsgerät aus Russland hat die Armee kampflos und intakt den Rebellen überlassen.

Wer sind die HTS-Rebellen?

In vielen Berichten ist von Islamisten oder „Dschihadisten“ die Rede, aber das geht an der Realität vorbei. Schon früher diffamierte die Assad- und Putin-Propaganda Syriens Aufständische immer als Islamisten und Terroristen. In Idlib war die dort erfolgreiche Rebellengruppe tatsächlich islamistisch – die Al-Nusra-Front, die sich zum globalen Terrornetzwerk al-Qaida bekannte. Aber als Idlib als einziges Rebellengebiet übrig blieb, vollzog ihr Anführer Jolani eine radikale Kehrtwende und gründete HTS in Abgrenzung von al-Qaida als islamisch-konservative Bewegung, die sich dem Staatsaufbau verschrieb.

Unter der HTS entstand in Idlib eine Regierung namens SSG (Syria Salvation Government), die das Gebiet verwaltet und als Partner für internationale humanitäre Hilfe dient. Die HTS kontrolliert die Grenzübergänge in die Türkei, die einzigen Tore zur Außenwelt, und verdient daran viel Geld. HTS-Firmen dominieren auch die lukrativsten Dienstleistungsbranchen, nämlich Mobilfunk und Treibstoffe. Letzteres – teils angekauft von Ölraffinerien im syrischen Kurdengebiet, die dort weiter von der Regierung betrieben werden – verkaufen sie auch ins Assad-Gebiet.

Die HTS führte auch die Überreste der Anti-Assad-Rebellen zusammen und bildete eine neue professionelle Armee mit zuletzt 60.000 Kämpfern. Es gibt gut ausgebildete Offiziere, Spezialkräfte, eine eigene Drohneneinheit. Diese Armee ist jetzt der Assad-Armee deutlich überlegen.

Viele Kurden haben Angst vor dem Rebellenerfolg, weil sie dahinter die Türkei vermuten. Zu Recht?

Alles deutet darauf hin, dass die Türkei die HTS-Offensive nicht wollte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan setzte zuletzt, wie auch viele Regierungen in Europa und die Arabische Liga, auf eine Normalisierung mit Assad – nicht zuletzt um Syrien-Flüchtlinge deportieren zu können. Die HTS ist in Reaktion auf die drohende Rehabilitierung Assads zum Angriff übergegangen. Gut informierte Quellen sagten, ihre Offensive war eigentlich für Mitte Oktober geplant. Die Türkei, die die seit 2020 geltende Waffenstillstandslinie zwischen HTS und Assad kontrolliert, legte Einspruch ein. Assad intensivierte dann seine Angriffe auf das Rebellengebiet deutlich. Das zwang die Rebellen geradezu zur Offensive.

Zwischen der kurdischen Autonomieverwaltung im Nordosten Syriens und den Rebellen im Nordwesten gibt es schon länger Gespräche über eine bessere Zusammenarbeit sowohl gegen die Türkei als auch gegen Assad. Daher blieb es bei der Eroberung von Aleppo zwischen der Kurdenguerilla und der HTS weitgehend friedlich. Die Türkei versucht das nun zu sabotieren. Während die HTS Assad-Gebiet erobert, ist nun die von der Türkei aufgestellte „Syrische Nationalarmee“ (SNA) nördlich und östlich von Aleppo zum Angriff gegen die Kurden übergegangen, es gibt Vertreibungen.

Was machen Russland und Iran, die beiden Hauptverbündeten Assads?

Beide sind momentan durch andere Kriege abgelenkt und haben keine Reserven für Syrien. Russland konzentriert sich auf den Schutz seiner Militärbasen an Syriens Mittelmeerküste, die zentral sind für Moskaus regio­nalen Machtanspruch. Iran braucht Assad mehr, als Kern seiner „Achse des Widerstandes“, die bis zur Hisbollah-Miliz in Libanon führt, und Offiziere der Revolutionsgarden haben südlich von Damaskus ganze Dörfer aufgekauft. Iran hat nun schiitische Milizen aus Irak für Assad mobilisiert, aber die wurden schon im Anmarsch von den USA bombardiert.

Wie geht es jetzt weiter?

Jetzt hängt alles vom Verhalten der HTS-Rebellen ab. Die Bewohner von Aleppo waren vom HTS-Vormarsch überrascht. Christen und Kurden in Syriens Wirtschaftsmetropole wussten tagelang nicht, ob sie fliehen sollen. Nachdem Anführer Jolani die Achtung von christlichen Syrern und Kurden gefordert hatte, blieben dann Übergriffe aus. Doch ein prominenter Gegner von Assad im Exil warnt: „Viele junge Kämpfer, auf allen Seiten, kennen seit ihrer Kindheit nur Not und Leid, teilweise in Flüchtlingslagern. Selbst ohne Provokationen der Gegenseite ist es schwierig, die Lage unter Kontrolle zu haben.“

Die HTS inszeniert sich jetzt als nationalistische Kraft mit einem Machtanspruch für ganz Syrien und betont ausdrücklich den Schutz aller ethnischer und religiöser Minderheiten. HTS-Führer Jolani besuchte am vergangenen Mittwoch Aleppo, versprach die Einsetzung einer zivilen Administration und wies seine Kämpfer an, sich ausschließlich auf militärische Aktivitäten an der Kriegsfront zu beschränken.

„Das Regime ist tot“, sagte Jolani am Freitag in einem CNN-Interview in Aleppo. Jetzt gehe es darum, in Syrien Institutionen aufzubauen, anstelle der Einmannherrschaft. HTS sei nur eine von vielen beteiligten Gruppen dabei.

Viele Menschen glauben bereits aufgrund der Geschwindigkeit der Neuverteilung der Macht in Syrien an die Entstehung eines föderalen Systems. „Im Regierungslager gibt es Stimmen, die seit Langem die Aufteilung des Landes in lokale Machtbereiche favorisieren, mit der aktuellen Regierung in Damaskus als internationaler Repräsentanz“, sagt ein syrischer Analyst. Inzwischen dürfte ein Rücktritt Assads die Voraussetzung für einen solchen Deal sein – seit Donnerstag kursieren bereits entsprechende Gerüchte in Damaskus. Dann könnte eine neue Führung Gespräche mit den anderen Machtzentren Syriens aufnehmen, um einen blutigen Endkampf zu vermeiden.

Wie der Analyst sagt: „Niemand will eine chaotische Situation wie in Libyen nach dem Tod von Muammar Gaddafi.“

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52 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich würde mir etwas mehr Analyse wünschen, oder zumindest ein näheres Eingehen darauf, was man NICHT weiß. Wer steht hinter HTS, bzw. oder wer steht hinter der rätselhaften Zurückhaltung von Assads Armee und den Hisbollah-Milizen, die ihn bislang im Auftrag Teherans unterstützten?



    Dieser handstreichartige Sieg kommt doch nicht von ungefähr, und an Syrien sind zuviele Mächte mit widerstreitenden Absichten interessiert, als dass die alle plötzlich einfach einer Bürgerkriegspartei den Weg freitäumen würden.

  • Es ist mehr als naiv, anzunehmen, dass die Terrortruppen von Alkaida und IS, ausgerüstet und gelenkt vom Bosporus-Diktator Syrien die "Freiheit" bringen. Tagesaktuell wird die Zentralbank in Damaskus geplündert, bei Minderheiten wird gegen die Tür getreten und verlangt, dass sie "alahu akbar" schreien. Die neue internationale Türkenarmee ist die gleiche, die im letzten Syrienkrieg geplündert, vergewaltigt und Völkermord an den Kurden betrieben hat. Die bekommen freie Fahrt vom Westen. Durch die Türkei ist die NATO ein Terrorbündnis geworden. So stelle ich mir die Zukunft Europas vor.

  • Vielleicht muss ich bei Dominic Johnson Abbitte leisten, falls er denn in seiner Einschätzung recht hat, dass ein geordneter Übergang mit der HTS möglich sei. Zu wünschen ist es den Menschen in Syrien ja.



    Viel wird davon abhängen, ob die sunnitischen Jihadisten bereit sind, die Macht mit allen anderen konfessionellen und ethnischen Gruppen zu teilen - auch mit denen, die bisher in Assad eine Stütze hatten. Es könnte auch eine Kantonalisierung des Landes bedeuten.



    Eine Racheorgie der neuen sunnitischen Machthaber wird jedenfalls nur den syrischen Bürgerkrieg wieder entfachen.

  • Nun ist Assad weg. Ihm kann man nicht nachtrauern. Aber was jetzt kommt, wird auch nicht besser sein, sondern nur anders.



    Gewalt, Anschläge, Überfälle, Bombenattentate werden den Alltag weiter prägen. Elend, Hunger und Zerstörung den gegenseitigen Hass unzähliger Splittergruppen schüren und am Leben halten. Der arabische Raum ist und bleibt eine Region des Grauens, eine groteske Melange aus High Tech und Mittelalter.

  • "In vielen Berichten ist von Islamisten oder ´Dschihadisten´ die Rede, aber das geht an der Realität vorbei."

    Geht es nicht!

  • Assad oder Islamisten ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Es gibt in diesem Konflikt keine Guten.

  • Die taz hat eine Rubrik "nahost-Konflikt", jetzt neu eine zum "Krieg in Syrien".

    Natürlich gibt es einen zentralen Konfliktstrang zwischen Israel und palästinensischen Arabern. Der teilt sich aber in viele Konflikte auf, zwischen Netanjahu und der Opposition, zwischen Hamas und Fatah, Beziehungen zur Hisbollah und innerhalb dieser Organisationen usw.

    taz-Redaktion, bitte nennt die Rubrik um in "nahost-konflikte", in der Mehrzahl / Plural.

  • Wenn man die ganzen Bilder sieht von diesen „Rebellen“ die genau so aussehen wie man sich Islamisten vorstellt, dann ist nach der Machtübernahme ein freies Syrien bestimmt nicht möglich.

  • Peter Scholl Latour (9. März 1924 - 16. August 2014) wusste es schon vor über 20 Jahren: Diese Länder lassen sich nicht befrieden.



    Leider sind Ansichten und Erkenntnisse von Menschen wie Peter Scholl-Latour heute nicht mehr so gefragt. Man läuft lieber einer G. Thunberg hinterher, als sich mit Problemen vor Europas Grenzen zu beschäftigen.Früher hat Europa militärisch versucht die Welt Europa anzupassen, heute versucht man es mit übertriebener Menschlichkeit. Heute wie damals wird es im Desaster enden.

    • @Christian Lupper:

      «Leider sind Ansichten und Erkenntnisse von Menschen wie Peter Scholl-Latour heute nicht mehr so gefragt. «



      Leider? Zum Glück. Ihre von Scholl-Latour übernommen Weisheit, dass „solche Länder“ nicht „zu befrieden“ sind, führt dessen analytische Tiefe auf Klippschulniveau ja sehr anschaulich vor. So ist er halt, der Syrer.

    • @Christian Lupper:

      Man sollte Peter Sch.-L. nicht gegen Greta Th. ausspielen, sind beides große Vereinfacher mit starken Meinungen, die häufig auch klischeebeladen oder nicht ganz so fundiert sind, wie sie tun. Nachlaufen braucht man keinem der beiden und ich sehe auch nicht, dass sich Menschen, die Sch.-L. kritisch sehen, zu Greta hinwenden oder umgekehrt, so wie Sie das darstellen.

  • Der neue Staat geht dann eher Richtung Gottesstaat wie Iran und Afghanistan.

    • @Stoffel:

      Die beiden Staaten haben nichts gemeinsam außer Geographie, Iran ist Deutschland ähnlicher als Afghanistan

      • @Machiavelli:

        Außer in der Einwohnerzahl ist da nix ähnlich.

      • @Machiavelli:

        Der Vergleich ist sowas von an den Haaren herbeigezogen.

        • @Stoffel:

          Im Iran dürfen Frauen, studieren, werden Minister, Botschafter, Richter, sitzen im Parlament. Es gibt eine zivilgesellschaft mit Musikern, Filmemachern, das ist Null mit Afghanistan vergleichbar .

          • @Machiavelli:

            "Werden Richter" Nein, Frauen dürfen eben keine Richterinnen werden im Iran.

            Eine oder mehrere Ministerinnen gab es erst 2x seit der Revolution. 2009 und 2024.

            Frauen dürfen straffrei getötet werden, wenn es sich um einen Ehrenmord handelt.

            Weibliche Zeugen zählen vor Gericht nur die Hälfte.

            Frauen dürfen studieren, aber nur wenn es vom Vater oder Ehemann erlaubt wird.

            Vergewaltigung in der Ehe ist keine Straftat.

            Ehemänner dürfen Ihre Frauen schlagen.

            Und dann kommen noch die Kleidungsvorschriften.

            Erinnert Sie das etwa an Deutschland?

            • @sociajizzm:

              In Afghanistan dürfen Frauen nicht arbeiten und studieren, es gibt noch nichtmal den Anschein von demokratischen Institutionen. Ich schrieb das iran im Vergleich Deutschland ähnlicher ist als Afghanistan. Heißt nicht auf dem gleichen Level, im Vergleich zu einem Asteroid ist der Mars der Erde ähnlicher...

              • @Machiavelli:

                Geben Sie’s zu: Sie haben sich mit Ihrem Vergleich argumentativ etwas vergaloppiert.



                Trotzdem möchte ich Ihnen beipflichten: ich erkenne in sehr vielen Kommentaren hier jede Menge orientalisierender, d.h. unter der Hand rassistischer und islamophober Klischees, nach denen „Orientalen“ als irgendwie emotional gesteuert, triebhaft, impulsiv, archaisch, rachedurstig etc. dargestellt werden. Das ist mir schon in den Posts zum israelisch-palästinensischen Konflikt aufgefallen und beim Thema Syrien umso mehr.



                Und ich könnte wahrscheinlich Dutzende Beispiele aufführen, wenn ich mir die Zeit dafür nehmen würde.



                Da ist es schon fast wohltuend, wenn hier wenigstens zwischen dem Iran und Afghanistan differenziert wird.

  • freies Syrien, ernsthaft? Idlibb ist defacto ein IS, geführt von der Terrororganisation HTS(steht auch auf der US Terrorliste)



    Ohne Russland und Iran wäre schon damals Syrien ein IS im Dauerbürgerkrieg geworden, denn Assads Kampf ging die meiste Zeit gegen Islamisten, die von SaudiArabien und Türkei unterstützt wurden- selbst die FSa der Opposition wurde in kürzester Zeit von islamisten dominiert, nix mit demokratischen Rebellen, wie es oft hier dargestellt wurde.



    Ohne den Schutz der Türkei wäre Idlib schon lange befreit, die jetzige Katastrophe nicht eingetreten. Assad ist zwar autoritär, aber säkular, nun werden vermutlich bald alle nichtsunniten gejagt und Frauen unterdrückt im demnächst neu gegründeten Gottestaat..



    Vor dem Bürgerkrieg gings Syrien gut, Assad war beliebt, ein Aufstand wie in anderen Ländern deswegen unwahrscheinlich schrieb damals al jaazera...



    Aber viele Länder wollten einen regimechange und unterstützen Oppositionelle, oft Islamisten, zündelten, putschten auf, machten Propaganda.



    Gründe: den Verbündeten Irans und Russlands beseitigen, Kurden bekämpfen, wichtige Marinebasis der Russen entsorgen, d.h. involvierte zb Türkei, Katar, Saudi arabien, Israel, USA

    • @chris black:

      Wie verhasst Assad wirklich war, erkennt man daran, wie wenig die Armee/Bevölkerung Gegenwehr leistet und wie viel die Bevölkerung jubelt. Bitte auch mal erklären wie Giftgass und Fassbomben Teroristten treffen und die Zivilbevölkerung verschont.

  • Trotz all der Kritik in den Kommentaren, bleibt Herr Johnson nach wie vor bei seiner vorsichtig positiven Perspektive auf HTS und die Zukunft Syriens. Eine Standfestigkeit, die sehr zu respektieren ist.



    Nicht ausgeschlossen, dass die Taz damit recht behält. Auch wenn zumindest ich das nicht erwartet hätte. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen.

    • @Berglandraupe:

      Jaa. Islamistische terrororganisationen als "freiheits"kämpfer zu bezeichnen, wird bestimmt super ausgehen...

  • Die im kommentar leicht rueberkommende glorifizierung einer islamistischen terrororganisation bereitet mir durchaus sorgen...

  • Danke für diesen sehr differenzierten Bericht, der die komplizierte Situation entflechtet.

    • @Philippo1000:

      entflechtet heißt entflicht.

  • Die Einschätzung, dass es sich um Jihadiaten handelt, mit Verweis auf die "hiesigen antimuslimischen Ideologen" abzutun, ist etwas billig . Zählen wir mal diejenigen zusammen, die dort in einem gemeinsamen "Operationsraum" kämpfen.



    Das sind HTS, Ahrar al-Sham (ebenfalls Islamisten), die Turkestan Islamic Party (al-Qaida nahe Uighuren, die sich zu Tausenden in ehemals christlichen Dörfern in Nordsyrie niedergelassen haben), und kleinere Terrorgrupen wie Ansar al-Islam usw .

  • Man muss schon lange suchen, um in den deutschen Medien eine Darstellung der HTS als etwas anderes zu finden, als die einer islamistischen Terrororganisation. So ist sie auch von der Bundesrepublik gelistet. Sollte es diesen Leuten gelingen, die Macht in Syrien an sich zu reißen, wird lediglich eine Verbrecherbande durch eine andere ersetzt. Also kein Grund zum Jubel. Viel Syrer sehen das wohl auch so. Laut UN sind fast 400.000 auf der Flucht vor den "Befreiern".

    Übrigens. Haiʾat Tahrir asch-Scham heißt übersetzt "Komitee zur Befreiung der Levante". Zur historischen Levante gehört auch Israel. Ich bezweifle, dass dort jemand von der HTS "befreit" werden will.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Von der historischen Bedeutung der europäischen Übersetzung von asch-Scham auf die heute inte dierte Bedeutung des Originals zu schließen, ist schon sehr gewagt.

  • Hier liest man: "die Menschen feiern", an anderer Stelle liest man "die Menschen flüchten". So ganz einig scheint man sich mal wieder nicht zu sein.



    Es mag sein, dass die islamistischen Rebellen einen Fortschritt in der Lage insgesamt und der Zukunftsperspektive für die Bevölkerung gegenüber dem Assad-Regime mit sich bringen. Das möchte ich dann aber etwas differenzierter erläutert bekommen, damit ich es auch nachvollziehen kann.

    Ich habe langsam genug vom xten: "Operation gelungen- Patient tot"

    • @Waage69:

      Die HTS ist islamistisch ja, aber sie hat sich doch sehr von der Ideologie entfernt, die u.a. beim IS herrscht. Bisher konnten keine systematischen Übergriffe auf Christen und Co. dokumentiert werden. Tatsächlich finde auch kaum welche von der Art, die regelmäßig im "Eifer des Gefechts" stattfinden.



      Natürlich fliehen in Syrien Menschen, aber wir reden hier in erster Linie von Alewiten, der Minderheit zu der Assad und sein ganzer Machtapparat gehört. Dass diese nicht auf das Wohlwollen der HTS und Co. setzen, ist denk ich relativ normal. Auch Regimetreue Elemente werden zweifellos fliehen, aber hier gab auch es viele die blieben und stand jetzt keine Repressionen in den Gebieten ausgesetzt sind. So sind u.a. die Polizeikräfte weiter aktiv und bekommen neue Dienstausweiße und werden angewiesen ihren normalen Dienst weiter nachzugehen.



      Ob dies alles so bleibt, mag selbst ich bezweifeln. Aber einfach zu sagen, wie viele hier in den Kommentaren, dass sind alles Islamisten usw., dass scheint eben auch nicht so zu stimmen. Definitiv sind es keine von Typ IS.

      • @Johnny Hah:

        Ihre Worte in Gottes Ohren!

  • Danke für die ausführlichen Hintergrundinformation, die für mich erstmal eine gute Orientierung sind.



    Das Framing der hiesigen antimuslimischen Ideologen (auch hier im Forum wieder mit trauriger Mehrheit vertreten) wird nicht ausbleiben.

    Für mich birgt das Gelesene jedoch Hoffnung, das Syrien vielleicht einen Weg zu einem neuen Staat findet und nicht als Failed State ended, wie die vom Westen zerstörten Gesellschaften in Libyen und dem Irak.



    Vermutlich wird es auch hier leider eher ein fundamentalistisch orientierter Staat sein.



    Das müssen dann die vom Krieg gezeichneten und von uns verlassenen Syrer selbst entscheiden.

    • @hsqmyp:

      Das Framing "der Westen ist schuld" kommt einem aber auch zu den Ohren raus.

    • @hsqmyp:

      Vermutlich wird es auch hier leider eher ein fundamentalistisch orientierter Staat sein.

      Was das bedeutet sieht man schön im Iran etc. Also nicht so schlimm oder?

      • @weather2018:

        Nachdem wir jahrzehntelang konsequenzlos zugesehen haben, wie dort zigtausende BürgerInnen gefoltert und ermordet wurden, haben wir da wohl kein wirkliches Mitspracherecht.



        Erst recht nicht mit einer Außenministerin, die den einstmals guten Ruf Deutschlands in der Region verspielt haben dürfte.

        Das sind dann im Übrigen auch genau die Parallelen zum Iran, wo der achso "wertebasierte" Westen den grausamen Schah bis zum überfälligen Umsturz durch die Mullahs hofiert und gestützt hat.

        Frau könnte daraus, wenn sie denn wollte, natürlich etwas lernen.

  • Welcher "Staatsaufbau" in Idlib? Ob Terroristen jetzt die Freiheit bringen sollen , interpretiere ich als rhetorische Frage. Hier wird Krieg gemacht und nicht verhandelt.

  • HTS ist in Deutschland als jihadistisch terroristische Organisation eingestuft und das zu Recht. Über aL-jaulani wurde ja hier bereits einiges gesagt. Ähnliches gilt für die "Minister " der "Rettungsregierung", bei denen es sich um ehemalige Kader der Nusra-Front handelt. Und wie ist das Ziel eines auf der Scharia basierenden islamischen Staates sunnitischer Prägung anders zu definieren, als "islamistisch". Schauen Sie sich mal die Verhältnisse in Idlib an ..... diese Bewertung ist absolut realitätsfremd

    • @Maisalloun:

      Ob diese Bewertung realitaetsfremd ist wird sich schnell rausstellen, wenn es darum geht Fluechtlingen nach Syrien abzuschieben.

    • @Maisalloun:

      Genau so. Nur weil auf der einen Seite der böse Assad steht, sind seine Gegner noch nicht gut. Auch Taliban light ist nicht besser als Assad.

      • @Claude Nuage:

        Assad hat praktisch Vernichtungslager betrieben in denen Zehntausende unschuldige Zivilisten gefoltert und ermordet wurden. Dass ist gut von der UN Dokumentiert und die aus solchen Lagern rausgeschmuggelt Fotos und Nachweise ließen mich schaudern.



        Da halte ich eine Taliban light tatsächlich für eine Alternative die vielleicht nicht besser als Assad ist, aber auch nicht schlechter. Zu mal mittlerweile so viele Menschen in Syrien, wie im Süden und Osten, zu Waffe greifen, dass man nicht mehr nur von einen islamistischen Vormarsch sprechen kann. Und die HTS werde ich an ihren Taten messen und bisher verhalten sie sich besser als Assad in über 12 Jahren.

  • Ich glaube nicht a an das schnelle Assad-Ende und b die HTS in Damaskus/Aleppo

    • @Andreas_2020:

      So kurzlebig kann Glaube sein.

    • @Andreas_2020:

      Tja leider von der Realität überholt.

  • Ein freies Syrien?



    Hab ich was verpasst?



    Ich finde die Überschrift maximal unglücklich.



    Der Kopf der HTS Abu Mohammed al-Dschaulani ist seit 20 Jahren als islamischer Kämpfer unterwegs, erst im Namen der Al-Qaida, später im Namen der Al-Nusra-Front...



    Da will ein islamischer Terrorist einen Despoten aus dem Amt kegeln - ich sehe ein 'freies Syrien' nach Vorbild des IS am Horizont - Prost Mahlzeit.

  • Was genau ist an dieser "islamisch-konservative[n] Bewegung, die sich dem Staatsaufbau verschrieb", nicht islamistisch?

    Ausschlaggebend ist dafür doch nicht, dass sie Firmen besitzt und Verwaltungsfunktionen ausübt. Entscheidend ist, ob die nationalistische Ideologie und die Religion miteinander verschmolzen sind und so die Legitimationsquelle eines (in der Ideologie) islamischen Staats bilden (sollen).

  • Danke für die ausführliche Analyse.

    • @vieldenker:

      Ich fand sie ja recht knapp.

      Ich hätte gerne genauer gewusst, warum der HTS nicht islamistisch sein soll.

      • @rero:

        Weil man so etwas in einer linken Zeitung nicht schreibt, bis es zu spät ist.

  • Wer den Erfolg der Islamisten, auch wenn der Autor sie sich aus geopolitischem Opportunismus als "Rebellen" schönredet, jetzt feiert, soll dann bitte auch feiern, wenn aus Syrien ein zweiten Afghanistan wird, mit Unterdrückung weit schlimmer als alles, was unter Assad zu erleiden war.



    Diese "Feind meines Feindes" Denkweise hat noch nie zu humanistisch fortschrittlichen Ergebnissen geführt. Einige der brutalsten Regime in den vergangen Jahrzehnten verdanken wir genau dieser Denkweise. In Syrien wird es nicht anders laufen!

  • Ich kann aus dem Beitrag von Johnson und Keilberth beim besten Willen keine Informationen herauslesen, die Anlass zu der Hoffnung geben, dass auf einen Sturz Assads diesmal ein friedlicher und demokratischer Übergang in Syrien folgen würde.



    Wer von den regionalen Mächten, die derzeit über Einfluss in Syrien verfügen, hätte denn Interesse an einem stabilen und souveränen syrischen Staat? Der Iran? Die Türkei? Israel etwa? Die Ambitionen der ersteren, ihre Einflusssphären in Syrien zu sichern, sind bekannt. Israel hat erklärt, dass es auf jedes innenpolitische Szenario im Nachbarland vorbereitet ist.



    Ein Sieg der HTS-Rebellen würde wohl in erster Linie die Position Russlands und der iranischen„Widerstandsachse“ nachhaltig schwächen - dass das natürlich zum Vorteil des Westens gereicht, ist klar.



    Ob das aber für Syrien stabile Verhältnisse und wirkliche Demokratie bringt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das können Johnson und Keilberth auch nicht beantworten - und es scheint wohl auch keine Rolle in den geostrategischen Erwägungen des Westens zu spielen.

    • @Abdurchdiemitte:

      Der Westen hat für Syrien gar kein Konzept, da er sich dort größtenteils raushält und das Land am liebsten Vergessen würde. Weder hat er Einfluss auf die Offensive noch hat es hier irgendein geostrategischen Konzept



      Die einzige Ausnahme ist hier die Türkei. Sie hat monatelang versucht Assad die Hände zu reichen und es hat nicht geklappt. Also gab sie der HTS und Co. grünes Licht, aber wird vom Erfolg wohl genauso überrascht sein wie fast jeder. Immerhin sehen wir hier dem Kollaps eines Regimes zu, dass vor 3 Wochen noch völlig stabil erschien.



      Für den Iran und auch Russland ist es natürlich eine strategische Niederlage, wenn Assad denn stürzt. Israel wiederum kam mit einem Assad auch eher klar, man ist dort hochnervös.



      Russland und Co. haben und hatten übrigens auch kein Interesse an einem stabilen und demokratischen Syrien. Man war mit der Schwäche zufrieden, denn so konnte man seine eigenen Interessen selbst besser durchsetzen. Und Demokratie sehen Autokraten wie Putin und der Iran ja als klassischen Feind an.