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Neuer Heimatunterricht in RusslandGehirnwäsche ab der ersten Klasse

Zum neuen Schuljahr nehmen die Propagandisten im Kreml die Jüngsten ins Visier: mit einem neuen, patriotischen Schulfach. Kritik ist unerwünscht.

„Spannend, die russische Fahne wird gehisst!“, Russische Grundschulkinder am 1. September 2022 Foto: Alexander Zemlianichenko/ap

Moskau taz | Die russische Trikolore im Hof der Schule Nummer 56 im Moskauer Westen, sie flattert noch am Nachmittag im kühlen Herbstwind. Am Morgen hatte sie ein Elftklässler hier hochgezogen, begleitet von der russischen Hymne. Es ist Schulanfang in Russland. Die Mädchen haben weiße Schleifen im Haar, die Jungen tragen Anzug samt Fliege, und alle überreichen sie ihren Leh­re­r*in­nen Blumen.

Flaggenhissen und Hymnehören ist seit diesem 1. September wieder Pflicht an jeder staatlichen Schule im Land, wie es in der Sowjetunion war. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte sich dafür ausgesprochen, jede Schulwoche damit beginnen zu lassen. Den Kindern müsse schließlich die Liebe zum Vaterland vermittelt werden.

Das tut das Land nun mittels Geschichtsunterricht ab der ersten Klasse und Gesprächen über die „Richtigkeit“ der „militärischen Spezialoperation“, wie Russland den Krieg in der Ukraine offiziell nennt.

„Ideologische Erziehungsarbeit“ wird, wie bereits zu Sowjetzeiten, wieder Teil der schulischen Bildung. Laut Umfragen sind es vor allem junge Menschen, die das Handeln ihrer Regierung infrage stellen, die auch den Krieg in ihrem Nachbarland verurteilen. Der Kreml will offenbar so früh wie möglich gegen solche Umtriebe ansetzen. Das Aufklärungsministerium, wie das russische Bildungsministerium heißt, stellt allen Schul­di­rek­to­r*in­nen dafür Er­zie­hungs­be­ra­te­r*in­nen zur Seite.

Emotionen sind wichtig, Kritik nicht erwünscht

Die wenigsten Eltern im Land stören sich an Flagge und Hymne. Viele nehmen die Neuerung als nostalgische Erinnerung an ihre eigene Schulzeit wahr, erzählen, wie sie einst bei der sogenannten „Lineika“, wie der feierliche Appell vor dem Beginn des Unterrichts bis heute heißt, selbst nach vorn getreten seien, um voller Aufregung an der Kurbel der Fahnenstange zu drehen. Nun zögen eben ihre eigenen Kinder die Flagge hoch, sagen sie, was sei schon dabei?

Bei der Fahne allein aber bleibt es nicht. Ab kommendem Montag beginnen die sogenannten „Gespräche über Wichtiges“. Eine Art Klassenstunde, damit die Kinder begriffen, was „Heimat“ sei. Das erste „Gespräch“ führte gleich am Einschulungstag der Präsident höchstpersönlich.

In Kaliningrad, der russischen Enklave an der Ostsee, legte Putin vor Sie­ge­r*in­nen schulischer Wettbewerbe seine Sicht auf die Geschichte dar: von einem stets von außen bedrohten Russland, das sich immer zu wehren wisse. Kritische Anmerkungen waren nicht gestattet, wie Kritik an der offiziellen Geschichtsschreibung ohnehin nicht erlaubt ist im Land.

In Handbüchern des Ministeriums finden Leh­re­r*in­nen seit wenigen Tagen vorbereitete Anleitungen – mit Fragen für sie und möglichen Antworten ihrer Schüler*innen. Jede Woche ist einem anderen Thema gewidmet: „Russland ist unser Land“, „Traditionelle Familienwerte“, „Einheit des Volkes“. Jede Klasse soll über Heimat diskutieren, „Emotionen sind dabei wichtig“, steht im Handbuch. Die „Diskussion“ aber dürfte, sieht man sich die sehr genauen Vorgaben des Ministeriums an, einseitig ablaufen.

Ein Handbuch für Leh­re­r*in­nen

Für Erst- und Zweit­kläss­le­r*in­nen steht im Rahmen der „Russland ist unsere Heimat“-Stunde das Lernen des sowjetischen Liedes „Womit fängt die Heimat an?“ im Vordergrund. „Die Kinder sollen mit dem Stolz auf ihr Vaterland“ aus der Stunde herauskommen, heißt es in der Anweisung an die Pädagog*innen.

Dritt- und Viert­kläss­le­r*in­nen sollen Sprichwörter zur Heimat sammeln. Als Beispiele werden solche Sätze wie „Das Glück der Heimat ist teurer als das eigene Leben“ oder „Für die Mutterheimat zu sterben macht keine Angst“ genannt. Am Ende der Stunde gilt es, einen Aufsatz zum Thema „Wie dient ihr der Heimat?“ zu schreiben. „Ein Tipp:,dienen' bedeutet, seine militärische Pflicht zu erfüllen oder sich im Namen eines anderen einer Sache zu unterwerfen“, steht im Handbuch.

Ab Klasse fünf sollen die Schü­le­r*in­nen die „Ziele der Spezialoperation begreifen“, sollen wissen, dass „DNR und LNR“, die selbsternannten Volksrepubliken im Donbass, „Russland“ und „Russische Soldaten Helden“ seien. Videos, Spiele und Lieder stellt das Ministerium, damit der Unterricht interaktiver wird. 22 Millionen Rubel (umgerechnet etwa 360.000 Euro) gibt der Staat für das Programm aus.

Keine Orte des Dialogs

Die russische Psychologin Ljudmila Petranowskaja sieht in den „Gesprächen“ einen „Versuch, die Gesellschaft in die vom Kreml gewollte Richtung zu beeinflussen. Russische Staatsschulen sind keine Orte des Dialogs“.

In Whatsapp-Gruppen und Telegram-Chats tauschen sich derweil manche Eltern über Strategien aus, wie ihre Kinder den patriotischen Unterricht umgehen könnten. „Ist Schwänzen o.k.?“, fragt eine Mutter.

Eine Moskauer Lehrerin, die Julia genannt werden will, erzählt davon, wie sie der „aufgezwungenen Gehirnwäsche“, wie sie die Klassenstunden nennt, entkommen will. „Ich könnte mit den Schülern Tee trinken und über das sprechen, was sie gerade bewegt. Aber irgendwann will die Direktorin einen Bericht sehen. Ich bringe es nicht übers Herz, meinen Schülern davon zu erzählen, dass russische Soldaten Helden sind.“

Ihre Option: kündigen. „Aber so viele Privatschulen gibt es gar nicht in unserem Land, um uns nicht einverstandene Lehrer alle aufnehmen zu können.“

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72 Kommentare

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    Die Moderation

  • Der Fahneneid wird in US-amerikanischen Schulen vor Unterrichtsbeginn gemeinsam gesprochen. Hierzu stehen alle auf, wenden sich der Flagge zu, legen die rechte Hand aufs Herz und sprechen den Text gemeinsam

    • @Volker Schmitz:

      Und in Dänemark laufen sie alle mit dem Dannebrog rum.

      Andere Länder andere Sitten.

      Die USA waren unter Trump gefährdet ein faschistisches Regime zu werden, bzw. wer weiß, was noch kommt.

      Ein eindeutig böses Land wie Russland deshalb weiß zu waschen, ist üble Propaganda.

    • @Volker Schmitz:

      In den USA gibt es auch Amtszeitbegrenzung für den Präsidenten, in Russland ist Putin seit über 20 Jahren an der Macht.

    • @Volker Schmitz:

      Gruselig: Eine eiskalt-herzlose und militärisch skrupellose Wirtschaftsmacht lässt zwecks ihrer angeordneten Quasi-Anbetung ihre noch unschuldigen Kinder die Hand ausgerechnet aufs Herz legen.

  • Bin Russin.



    Könnt ihr Deutschen mir bitte erklären, was geht euch an, wie wir Russen unsere Kinder erziehen? Kümmert euch um eure Kinder. Wir kommeohne eure Ratschläge und Meinungen klar.



    Das Bild oben ist miserabel. Wozu das denn?

    • @Monika Stern:

      Da Sie das offenkundig nicht wissen aber zumindest nicht verstehen: In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit. Mag für Russen ein exotisches, unbekanntes und irrelevantes Gut sein, aber für uns ist das selbstverständlich

    • @Monika Stern:

      Vll. weil wir Deutschen aus unserer eigenen Geschichte heraus ahnen, wohin so etwas führen kann. Wir können nichts dagegen unternehmen, was in Russland in diese Richtung passiert, doch mit den Folgen müssten und müssen wir auch leben. Also geht es Deutsche zumindest darin an, dass sie darüber informiert sind, wenn eine russ. Generation nationalistisch Gehirngewaschen werden soll.



      Wie könnte Deine Frage an die im Artikel erwähnte russ. Lehrerin lauten. Oder kommt man auf die nun schon bekannte Weise mit ihr klar?

      • @zeroton :

        -?-Also geht es Deutsche zumindest darin an, dass sie darüber informiert sind, wenn eine russ. Generation nationalistisch Gehirngewaschen werden soll.--?-



        Jene Deutschen brauchten keinerlei Gehirnwäsche! Sie waren aus sich heraus intelligente Vorteilssuchende im auch von ihnen plausibel durchdachten System. Schrecklich ist in solchen Fällen nicht das"Gehirn gewaschen werden eines Geistes", sondern in solchen Fällen der Geist an sich.

    • @Monika Stern:

      Deutsch oder russisch ist scheißegal. Die Leute danach einzuteilen war schon immer ein Mittel, sie besser beherrschen und ausbeuten zu können. Das werdet ihr Nationalisten nie kapieren.

      • @Ruhig Blut:

        Hollaholla!- Sich gg einen Angriff auf die Art u Weise der eigenen Kindererziehung zu wehren, wird sofort als derber Nationalismus ausgelegt! (???)



        Genauere Zusammenhangs-Begründung wäre?

        • @Lästige Latte:

          Es geht hier um staatlich durchgesetzte (und nicht etwa individuelle) Erziehung der Kinder zum Nationalismus. Welcher Art Leute gefällt das wohl?



          Und die typische Abwehrreaktion: Euch (nicht zur Nation gehörig) geht das nix an. Soziale Differenzierung also primär nach Nationalität.

          • @Ruhig Blut:

            Das ist doch dermaßen weit verbreitet, dass es schon als normal bezeichnet werden kann. Der eine sagt "Wir zuerst" und ein anderer sagt "Auch wir wollen zuerst"



            Oder es heißt zuweilen "Wir machen euch das Angebot euch unserer Kultur anzugleichen "... was natürlich auch eiskalt einseitiger Nationalismus bedeutet. Man schaue sich doch nur mal an, wo überall schon kleine Schulkinder täglich sich hinstellen müssen u den Amtseid auf die jeweilge Flagge abzulegen haben.



            Ihr Fazit:"Das werdet ihr Nationalisten nie kapieren" hört sich also bei allem Respekt an wie der Ruf in der Wüste. Jede Form angestrebter Führungsrollen bzw -ansprüche ist doch eine verklausulierte Form von derbem Nationalismus.- Bei allem Respekt.

    • @Monika Stern:

      Das ist eine Welt. Alles geht alle an.

      • @georg harren:

        Warum dann berechtigterweise soviel Aufhebens um die Ukraine-und weniger um zb Jemen, Tigray..u.s.v.a.



        „Die Welt ist tief und tiefer als der Tag gedacht."

  • Fällt mir was ein aus der Rubrik "Schlechte Witze"

    Putin besucht in Moskau eine Schule und spricht über Patriotismus und die großartigen Leistungen des russischen Volkes. Anschließend dürfen die Kinder dem Präsidenten Fragen stellen. Igor hebt die Hand. „Ich habe zwei Fragen: 1. Warum hat Russland die Krim attackiert? Und 2. Warum will Russland die Ukraine besetzen? „Gute Fragen“ antwortet Putin. In diesem Moment läutet die Pausenglocke und die Kinder stürmen aus dem Schulzimmer. Nach der Pause nimmt Putin das Gespräch wieder auf: „Habt ihr weitere Fragen?“ Sascha hebt die Hand: „Ich heiße Sascha und habe auch zwei Fragen: 1. Warum hat die Pausenglocke 20 Minuten früher geläutet und 2. Wo ist Igor?“

    • @Woody Woodpecker:

      ... nicht schlecht - wir haben gut lachen - aber Igor ? Moment mal bei uns klingelt es gerade an der Haustür ...

  • Mich wundert, warum so viele Kommentare hier offenbar annehmen, dass die Propaganda nicht verfangen würde. Ich jedenfalls sehe schwarz: Mit der nächsten Generation Russen wird eine Verständigung noch viel schwieriger werden als mit der jetzigen.



    Die Welt wird in einen autoritären und einen demokratischen Block zerfallen.

  • Niemand weiß besser als wir Deutschen dass das nicht funktioniert. Die Menschen sind nicht dumm. Auch und grade nicht in Russland

    • @Bolzkopf:

      Och. Seit wann funktioniert das nicht mehr?

    • @Bolzkopf:

      Wie kommen Sie denn auf diese schräge These? Grade Deutschland bzw. das deutsche Reich hat eindrucksvoll bewiesen wir wirkmächtig eine „gute“ Propaganda ist. Oder warum meinen Sie hat ein Großteil der Deutschen bis zum Ende an den Endsieg geglaubt und weitergekämpft wo Dich schon alles verloren war? Ich kann mich ob Ihrer Einlassung nur wundern….

      • @Fran Zose:

        Es geht doch hier um Dummheit.(?)-Und jene Deutschen waren nunmal gar nicht dumm! Sondern intelligente Vorteilssuchende im auch von ihnen vermeintlich plausibel durchdachten System. Schrecklich ist in solchen Fällen nicht die Verirrung eines Geistes, sondern in solchen Fällen der Geist an sich.

        • @Lästige Latte:

          Mehr noch als um Dummheit geht es um Indoktrination. Genau die findet wie im Artikel beschrieben in Russland statt; nicht unähnlich der Indoktrination der Gesellschaft im 3. Reich im Allgemeinen und der damaligen Jugend im besonderen. Und das hat damals sehr gut funktioniert und wird es auch heute noch. Das ist tatsächlich erschreckend.

          • @Fran Zose:

            Nochmals: Das Deutsche Wesen brauchte seinerzeit nicht "indoktriniert" zu werden. Es war schon sowieso so, wie die Nazis es brauchen konnten.

    • @Bolzkopf:

      ???

      Natürlich funktioniert es.

      Hat es früher schon.

      Totalitarismus lebt nicht von Dummheit, sondern von Angst.

  • Kinder in dem Alter, wie die für den Artikel fotografierten, würden in D vermutlich zuhauf gähnen, wenn sie irgendeinem ernst nehmen sollenden Flaggenhissen beiwohnen sollten.

  • "Noch halten die Nazis mit einem sehr beindruckendem Abstand den Rekord in Sachen mörderischer Massenwahn:"



    Wie sieht's dann mit dem "Langen Marsch" und der "Kulturrevolution" aus? Und was ist mit dem Umgang mit den Uighuren?

    • @schwaw:

      ... Welche Nationalisten meinen sie jetzt ? Die Serbischen ? Die aus den USA ? Nationalisten gibt es doch überall ...

  • Den Kids wurde Nationalismus, nicht Patriotismus vermittelt. Zudem isses wohl eher eine Zwangsheirat von Kindern mit dem Staat, mit Liebe hat das wenig zu tun.

  • Wo ist jetzt der Unterschied zu dem seit Jahrzehnten laufenden absolut kritikfreien patriotischen Unterricht an US-Schulen und der absoluten Ignoranz der US-Schulabgänger bzgl Angelegenheiten ihres unmittelbaren geografischen Dunstkreises.

    • @Ignaz Wrobel:

      Der Unterschied ist, dass sie oder ihre Eltern keine lebenslangen Konsequenzen beim Ausscheren aus dem Hurra Patriotismus zu befürchten haben.



      Verbrennen sie mal eine russische Fahne in Moskau.

      • @WeisNich:

        verbrennen sie mal eine amerikanische Flagge ... irgendwo ...

        • @Herr Lich:

          Das Verbrennen von Flaggen ist in US nur dann verboten, wenn man nicht rechtmäßiger Eigentümer der Flagge ist. Pro-Tip: Kaufbeleg nicht mitverbrennen!

          "Der [US] Oberste Gerichtshof entschied mehrfach [...], dass Gesetzte zum Schutz der Flagge gegen die Meinungsfreiheit verstießen und daher verfassungswidrig seien."

          (www.bundestag.de/r...1-20-pdf-data.pdf)

    • @Ignaz Wrobel:

      Gibt es dafür auch ein Beispiel?

  • Und wenn sie groß sind, wird ihnen die Liebe zum Vaterland in Kriegen gegen die Nachbarn vermittelt, wo sie ihr größenwahnsinniger Präsident verheizt.

    Warum man das nun wieder einführt, ist auch keinem so richtig klar, die Menschen haben auch den Kommunisten kein Wort geglaubt trotz massiver Indoktrinierung.

    • @insLot:

      Weil die Kommunisten nach Putins Lesart Luschen und Vaterlandsverräter waren, und seine Propaganda viiiiiiel effizienter ist.

  • Mir fällt auch ein schöner Spruch zum Vaterland ein:

    "Wer sonst gar nichts hat, der hat doch ein Vaterland. Patriotismus ist die Religion der ganz armen Schweine."

    (Wiglaf Droste, Kommentar in der taz, 5. Dezember 2003)

    • @FullContact:

      Wie wärs mit dem hier:

      "Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen."



      (Arthur Schopenhauer)

      • @Kaboom:

        Da fällt mir noch ein Reim von Heine ein:

        "Fatal ist mir das Lumpenpack,



        das, um die Herzen zu rühren,



        den Patriotismus trägt zur Schau,



        mit allen seinen Geschwüren."

      • @Kaboom:

        Da komme ich mal mit Tucholsky um die Ecke:

        „Jeder Mensch hat 1 Leber, 1 Milz, 1 Lunge und 1 Fahne; sämtliche vier Organe sind lebenswichtiger Natur. Es soll Menschen ohne Leber, ohne Milz und mit halber Lunge geben; Menschen ohne Fahne gibt es nicht.“

        • @Jim Hawkins:

          Tucholsky hat alles dazu gesagt was es dazu zu sagen gibt: "Im Patriotismus lassen wir uns von jedem übertreffen – wir fühlen international. In der Heimatliebe von niemand – nicht einmal von jenen, auf deren Namen das Land grundbuchlich eingetragen ist. Unser ist es. Und so widerwärtig mir jene sind, die – umgekehrte Nationalisten – nun überhaupt nichts mehr Gutes an diesem Lande lassen, kein gutes Haar, keinen Wald, keinen Himmel, keine Welle – so scharf verwahren wir uns dagegen, nun etwa ins Vaterländische umzufallen. Wir pfeifen auf die Fahnen – aber wir lieben dieses Land. Und so wie die nationalen Verbände über die Wege trommeln – mit dem gleichen Recht, mit genau demselben Recht nehmen wir, wir, die wir hier geboren sind, wir, die wir besser deutsch schreiben und sprechen als die Mehrzahl der nationalen Esel – mit genau demselben Recht nehmen wir Fluß und Wald in Beschlag, Strand und Haus, Lichtung und Wiese: es ist unser Land. […] Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir. Und in allen Gegensätzen steht – unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert – die stille Liebe zu unserer Heimat.“ [Kurt Tucholsky: Heimat]

          • @Rudolf Fissner:

            Das hat er 1929 geschrieben.

            Im selben Jahr erschien "Deutschland, Deutschland über alles", von Tucholsky und Georg Grosz.

            Darin ein Foto mit der deutschen Generalität und der Beschreibung:

            "Tiere sehen dich an".

            Tucholsky hatte ein mehr als gebrochenes Verhältnis zu seinem Staat und ich denke, es ist weiß Gott nicht übertrieben zu sagen, dass Deutschland wesentlich zu seinem Tod beigetragen hat.

            Lesetipp:

            "Unser ungelebtes Leben"

            und

            "Die Q-Tagebücher"

            Aber Sie lesen es ja eh nicht.

            • @Jim Hawkins:

              By the way: was soll dieses merkwürdige "Aber Sie lesen es ja eh nicht.". Das hatten wir doch schon bei Wolfgang Benz schon einmal ( taz.de/Antisemitis...bb_message_4375667 )

              • @Rudolf Fissner:

                Das Ist fast schon eine Marotte von mir, oder?

                Aber gut, ich lasse es ab jetzt bleiben.

            • @Jim Hawkins:

              Wo soll er da einen Dissens zu seinem Text "Heimat" gehabt zu haben? Die Militaristen und Nationalisten kommen auch dort nicht gut weg. de.wikisource.org/...Heimat_(Tucholsky)

              Oder liegt bei Ihnen ein Dissens zu Tucholsky vor?

        • @Jim Hawkins:

          Tucholsky ist nur mit Goethe zu toppen:

          "Je schlechter Land desto bessere Patrioten."

        • @Jim Hawkins:

          👍👍👍👍

  • Gruselig.

    Blick auch nach Ungarn und Polen, da gibt es leider ähnliche Projekte:

    Aktuell: "Polen - Neues Lehrfach Partei-Ideologie"

    www.tagesschau.de/...en-schule-101.html

    • @Cervo:

      In USA ist die MAGA-GOP auf demselben Kurs, und in Deutschland sind Teile der Union der Idee gegenüber sehr aufgeschlossen.

      Es ist ein Beispiel für konvergente Evolution: konservative bis protofaschistische Parteien wollen eine indoktrinierte Bevölkerung, damit diese die Probleme der Zeit (Klimawandel, Kapitalismuskrise, Flüchtlinge) verdrängt. Daher auch die Betonung des Christentums bei all diesen Parteien: ora et labora.

  • Das wird übel - da will einer "Ent-Nazifizieren" und wendet alles, eins zu eins an, um das eigene Land wieder zu einem solchen Staat zurecht zu biegen. Entweder gibt's Bürgerkrieg im Innern oder das ganze versinkt über Jahrzehnte in Verelendung und Hunger. Die Menschheit wird (leider) nicht klüger.

  • Ist ein wenig wie hier unter den Nazis. Mit der richtigen Gehirnwäsche kann man Menschen so prägen, dass sie sich in jedem Krieg des jeweiligen Führers mit Freuden für jedes noch so alberne Ziel töten lassen. Und wieder mal passt die 2. Strophe aus Orgasmatron wie die Faust aufs Auge

    www.songtexte.com/...tron-13df7541.html

    • @Kaboom:

      Das ist eine gefährliche Argumentation.

      Könnte nämlich bedeuten, dass die damals 18 jährigen Sekretärinnen, die heute vor Gericht stehen, doch gar nicht so frei in ihren Entscheidungen waren.

      • @fly:

        Sie waren frei in ihren Entscheidungen aber nicht frei im Geist.

      • @fly:

        Es gibt keine Freiheit der Entscheidung, die Vorstellung des ICH eine Entscheidung getroffen zu haben, ist Illusion.

  • Daraus spricht nichts als Verzeiflung: wenn es nicht von alleine klappt mit der Vaterlandsliebe, dann muss man das von klein auf verordnen...sprich: einprügeln, bis es genug glauben.

  • Wenn das die Sahra wüßte.

    • @georg harren:

      Die weiß das bestimmt, gibt aber mit Sicherheit dem Westen auch dafür die Schuld.



      Schlimm, daß ein Land das dermaßen unter dem Natinalsozialismus gelitten hat jetzt ähnliche Strukturen aufbaut.

  • Gehirnwäsche. Wenn es dann gewaschen ist, das Gehirn, - ist nichts mehr drin.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Das ist Menschenverachtung der allerübelsten Sorte.



    Wenn die "Erziehung" gelingt, gibt's keinen Unterschied mehr zwischen Menschen und Androiden.

  • Ich bin in der DDR mit Staatsbürgerkunde und Fahnenappell aufgewachsen, ich weiß also, wovon ich rede, wenn ich sage: würg!



    Aber mal zur Einordnung: Gibt es nicht irgendwo ein Land, in dessen Schule die Kinder ständig ein Treuegelöbnis aufsagen müssen und wehe, sie legen nicht die Hand dabei aufs Herz und schauen auf die Staatsflagge?



    Das ist nicht etwa Nordkorea, sondern "the Land of the Free", die USA. Und ebenso wehe, wenn dort ein Kind nichts so sehr liebt wie sein Land...

    • @Oliver Korn-Choodee:

      Das stimmt so aber auch nich. Es gibt in den Staaten zwar den täglichen "Fahnenappell", aber die Kinder sind nicht verpflichtet, den Pledge of Alliance aufzusagen.

      Das hat der Oberste Gerichtshof irgendwann in den 40ern entschieden, weil eine Pflicht gegen den Grundsatz der Freien Rede verstoßen würde, der in der Verfassung der USA verankert ist..

      • @Deep South:

        Das ist mir bekannt.



        Ich stelle mir aber gerade vor, wie ein Kind in - sagen wir - Austin, Texas erklärt, es würde nicht am Treuegelöbnis teilnehmen. Können Sie sich das auch vorstellen?

    • @Oliver Korn-Choodee:

      So ein schmarrn. Wohl etwas zu viel Fernsehen geschaut! In keiner normalen amerikanischen Schule stehen Fahnenapelle auf der Tagesordnung!

      • @Mediocre:

        In der Tat: so ein Schmarrn! - Wo steht bei mir geschrieben, dass an am. Schulen Fahnenappelle stattfinden?



        Bitte erst genau lesen. Danke.

    • @Oliver Korn-Choodee:

      Meine Nichte geht in China zur Schule und dort gibt es jeden Tag einen Fahnenappell mit allem drum und dran. Würde ja wetten den hat es auch in Nordkorea.

      • @Šarru-kīnu:

        Da haben Sie Recht! - Würde ich auch wetten.



        Das hat aber nichts mit meiner Aussage zu tun...

  • Oh ja, Fahnenappell war immer Klasse. Im Prenzlauer Berg 1968, die Hälfte hatte kein Pioniertuch um oder noch nichts gegessen, die Laune dementsprechend. Die Lehrer genervt.

  • Here we go again.....das ist dann wohl gemeint mit der Aussage, Geschichte wiederhole sich immer aufs Neue. Ob Nazis, SED oder eine russische Regierung unter Putin.....nimmt sich gefühlt überhaupt nichts.

    • @Jan Berger:

      Noch halten die Nazis mit einem sehr beindruckendem Abstand den Rekord in Sachen mörderischer Massenwahn: Weltkrieg und Völkermord hat sonst keiner geschafft, nicht mal im Ansatz, aber auch allein ein Völkermord in dem Ausmaß ist bisher unerreicht. Von dem her ist es immer schwierig mit dem Nazi-Vergleich.



      Was man von hier aus sagen kann ist, dass man den vollkommen absurden Worst-Case kennt, zu dem Nationalismus offensichtlich führen kann, war ja schon bei unserem ersten Weltkrieg kurz vorher das Fundament für den Irrsinn und wurde ins komplett Perverse gesteigert für den zweiten inkl Holocaust.



      Nun hat eben Russland vor ein bis zwei Generationen wo auch immer abschlachten zu lassen, denn wenn man jetzt 6 jährige darauf trimmt, dass sie fürs Vaterland sterben wollen, dann hat man in 12 Jahren was vor das russische Jungs töten wird. Interessant dass die Eltern da nicht dran denken, warum soll mein Kleiner hier lernen gerne erschossen zu werden? Soll der etwa erschossen werden, oder was läuft hier?! Oder wollen die das, im Abrahamischen Sinne, klar schlachte ich mein Kind wenn der Herr es befiehlt. (Dass man ein derart sadistisches, machtgeiles Wesen als Gott verehrt weltweit ist ein anderes Thema mit Gefahren Potential...) Also Potential für einen Wahnsinn von Nazi Kaliber ist in Russland zurzeit gegeben, aber noch sind sie enorm weit weg von dem Ausmaß, es gibt bisher weder einen Weltkrieg noch Gaskammern.

  • ... damit die Kinder begriffen, was „Heimat“ sei...

    Für unsere Kinder hier im Westen ist der Heimatbegriff zum Glück klar gefasst: Heimat ist da, wo ich WLAN hab'.

    • @Winnetaz:

      Du hast‘s verstanden, unsere Kinder hier im Westen haben scheinbar verstanden, das Heimat besser dort ist, wo es gescheites WLAN gibt und nicht „Sonderoperationen“, oder den „Fall Blau“,