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Maßnahmen gegen die AfDDie Einstufung als rechtsextrem reicht nicht

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Manche in der AfD wollen „Bürgerkrieg“, wie das Verfassungsschutz-Gutachten zeigt. Was außer einem Verbot noch gegen die Rechtsextremen helfen könnte.

Verhaltener Applaus: Die AfD-Fraktion während der Gedenkstunde zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

N un kann es jeder nachlesen, auf 1.108 ­Seiten: wie AfD-Funktionär*innen Mi­grant*in­nen und Mus­li­m*in­nen als „Invasoren“, „Rapefugees“ und „Messer-Alis“ schmähen; wie sie diese mit Tieren vergleichen; wie sie erklären, dass es nur noch „40 Millionen Deutsche“ im Land gebe und die andere Hälfte demnach keine richtigen Deutschen seien; wie man diesen „Passdeutschen“ am liebsten das Wahlrecht, Kitaplätze und die Staatsbürgerschaft entziehen möchte; wie man „millionenfach“ Menschen abschieben und Regierungsmitglieder vor ein Kriegsverbrechertribunal stellen will; wie die AfD erklärt, sie werde die „bunte Diktatur besiegen“.

All dies steht im Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz, mit dem die AfD nun als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde und das rechte Medien durchsickern ließen. Der Spin der Blase: Die Belege seien substanzlos, politisch motiviert herausgepickt. Wer aber alle angeführten Zitate der 353 AfD-Funktionäre liest, kann nur zu dem Schuss kommen: Das Völkische, der Rassismus, die Parteienverachtung ziehen sich quer durch die Partei, die Einstufung ist gerechtfertigt – was Be­ob­ach­ter*in­nen längst sagen und sich vor Gericht bestätigen dürfte.

Dass das Gutachten aber auf diesem Weg öffentlich wurde, bleibt bitter. Der Verfassungsschutz wollte seine Quellen schützen und damit einen Präzedenzfall verhindern. Aber das Gutachten besteht fast ausschließlich aus öffentlichen Aussagen. Und bei einem so gewichtigen Schritt – der amtlichen Beglaubigung der größten Oppositionspartei als Rechtsextreme – hätte es von Beginn an eine Veröffentlichung gebraucht, mindestens aber eine sehr ausführliche Begründung, nicht nur eine dürre Pressemitteilung.

Das fatale Argument von Merz

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Der demokratische Rechtsstaat muss sich erklären, statt nur zu behaupten, in diesem Fall umso mehr, um der absehbaren Mythenbildung von rechts außen vorzubeugen. Nun steht ein langer Deutungskampf und Rechtsstreit bevor. Und ein politisches Ringen um den nächsten Schritt: ein Verbotsverfahren. Neukanzler Friedrich Merz bremst bereits – mit dem fatalen Argument, ein Verbotsverfahren „rieche“ nach „Konkurrentenbeseitigung“. Ganz so, wie es die AfD behauptet.

Dabei geht es schlicht darum, wie gefährlich die AfD für die Demokratie ist. Tatsächlich bräuchte es für ein Verbot Belege für ihr kämpferisches Agieren. Aber auch dafür liefert das Gutachten Zitate, wenn von einem „Bürgerkrieg“ geraunt wird oder offen davon, dass man einen „Krieg gegen diese Regierung“ führe. Sind diese Aussagen prägend für die Gesamtpartei? Das ist jetzt die Frage.

Werden diese Fragen von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag verneint, müssen andere Schritte ergriffen werden – etwa Verbotsverfahren gegen die radikalsten AfD-Landesverbände anstrengen, Parteifinanzen durchleuchten, Waffen entziehen und Disziplinarverfahren gegen auffällige AfD-Funktionäre im öffentlichen Dienst führen. Achsel­zuckend über den offen gezeigten Rechts­ex­tre­mis­mus der AfD und ihre Angriffe gegen die Menschenwürde hinwegzusehen, verbietet sich.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Ressort Reportage und Recherche. Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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7 Kommentare

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  • Prägend für die Gesamtpartei sollte zumindest sein, was von der Parteiführung vorgetragen wird und keinen Widerspruch findet. Und nicht nur die Reden im Bundestag, sondern auch auf den Parteitagen und vor den Anhängern in der eigenen Blase. Letzteres unterscheidet sich bekanntlich von den Pressestatements.

  • Es zeugt von großer Einfallslosigkeit hierzulande wenn im Zusammenhang mit der Bekämpfung der AfD immer nur Verbote ins Spiel gebracht werden. Wahrscheinlich eine Frage der deutschen Mentalität.

    Einmal den Blick auf die Nachbarn in Europa werfen, auf Länder die auf langjährige Erfahrungen im Umgang mit rechten Parteien verweisen können, wie die Niederlande, Schweden, Dänemark, Norwegen, Belgien oder Italien.

    Dort wird man fündig werden und es ist alles dabei, außer Verbote. Von der Tolerierung einer Minderheitsregierung durch rechte Parteien über Regierungsbeteiligungen bis hin zum Stellen der Regierung.

    Und in keinem der genannten Länder hat es zu einer Einschränkung der Demokratie oder gar zum Abbau des Rechtsstaats geführt. Oftmals aber zu einem Rückgang der Zustimmungswerte für die rechten Parteien.

    Es ist anscheinend lediglich eine Frage des richtigen Umgangs mit Rechtspopulisten oder auch mit Rechtsextremen, um diese einzudämmen.

    • @Sam Spade:

      Rechte Parteien in anderen Ländern haben nicht diesen Rassenwahn, das ist der große Unterschied. Den kriegten im 3. Reich nur die Deutschen hin. Und genau dies würde sich unter einer AFD wiederholen. Leider wird dieser Umstand kleingeredet, verdrängt oder gar nicht wirklich wahrgenommen.

    • @Sam Spade:

      Zitat: "... Und in keinem der genannten Länder hat es zu einer Einschränkung der Demokratie oder gar zum Abbau des Rechtsstaats geführt. ..."

      Sagt man. Weil man besorgt ist, sich mit Italien, der drittgrößten Volkswirtschaft der EU anzulegen und die Gemeinschaft zu sprengen, würde man irgendwas dergleichen allzu häufig und lautstark zum Thema machen. Wer sucht, wird trotzdem fündig. www.deutschlandfun...emokratie-100.html



      oder taz.de/Demokratie-in-Italien/!6076012/

      • @dtx:

        In den von ihnen verlinkten Beiträgen geht es um Kulturkämpfe nicht um Demokratieabbau oder rechtsstaatliche Einschränkungen.

        Der Rechtsstaat scheint in Teilen in Italien sogar besser zu funktionieren als hierzulande, wie das Mailänder Beispiel letztes Jahr gezeigt hat, indem die Generalstaatsanwaltschaft untersagte Antifaschisten nach Ungarn auszuliefern.

        Vielleicht ist ihnen auch der Fall bekannt in dem ein italienisches Gericht letztes Jahr in Südtirol, einen ungarischen Faschisten wegen Volksverhetzung ausgewiesen hat.

        Hierzulande darf jedoch ein Martin Sellner aus Österreich quer durch die Lande reisen und unbehelligt seine Botschaft verkünden.

        • @Sam Spade:

          Deutschland hat eine "eigene" Vergangenheit. Italien und andere Nationen mit autokratischen bis faschistischen "Hochphasen" sind kein bisschen besser, aber Sie verantworteten bislang weit weniger Menschenopfer durch ihr handeln. Und bei weitem keine Tötungsmaschinerie, wie sie im 3. Reich etabliert wurde.

          Die Deutsche Kultur ist meiner Ansicht nach nur dadurch schätzenswert, weil sie den Pluralismus auf allen Ebenen fördert und stets daran zu erinnern versucht, was passieren kann, wenn man Faschisten das Ruder übergibt.

          Die in diesem Land gelebten Freiheiten sollten begriffen werden als der Lohn der Befreiung. Diese gilt es im Namen aller Opfer des 2. Weltkrieges (und weiterem) zu bewahren.

          Keinen Fuß breit den Faschisten!