Maßnahmen gegen die AfD: Die Einstufung als rechtsextrem reicht nicht
Manche in der AfD wollen „Bürgerkrieg“, wie das Verfassungsschutz-Gutachten zeigt. Was außer einem Verbot noch gegen die Rechtsextremen helfen könnte.

N un kann es jeder nachlesen, auf 1.108 Seiten: wie AfD-Funktionär*innen Migrant*innen und Muslim*innen als „Invasoren“, „Rapefugees“ und „Messer-Alis“ schmähen; wie sie diese mit Tieren vergleichen; wie sie erklären, dass es nur noch „40 Millionen Deutsche“ im Land gebe und die andere Hälfte demnach keine richtigen Deutschen seien; wie man diesen „Passdeutschen“ am liebsten das Wahlrecht, Kitaplätze und die Staatsbürgerschaft entziehen möchte; wie man „millionenfach“ Menschen abschieben und Regierungsmitglieder vor ein Kriegsverbrechertribunal stellen will; wie die AfD erklärt, sie werde die „bunte Diktatur besiegen“.
All dies steht im Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz, mit dem die AfD nun als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde und das rechte Medien durchsickern ließen. Der Spin der Blase: Die Belege seien substanzlos, politisch motiviert herausgepickt. Wer aber alle angeführten Zitate der 353 AfD-Funktionäre liest, kann nur zu dem Schuss kommen: Das Völkische, der Rassismus, die Parteienverachtung ziehen sich quer durch die Partei, die Einstufung ist gerechtfertigt – was Beobachter*innen längst sagen und sich vor Gericht bestätigen dürfte.
Dass das Gutachten aber auf diesem Weg öffentlich wurde, bleibt bitter. Der Verfassungsschutz wollte seine Quellen schützen und damit einen Präzedenzfall verhindern. Aber das Gutachten besteht fast ausschließlich aus öffentlichen Aussagen. Und bei einem so gewichtigen Schritt – der amtlichen Beglaubigung der größten Oppositionspartei als Rechtsextreme – hätte es von Beginn an eine Veröffentlichung gebraucht, mindestens aber eine sehr ausführliche Begründung, nicht nur eine dürre Pressemitteilung.
Das fatale Argument von Merz

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Der demokratische Rechtsstaat muss sich erklären, statt nur zu behaupten, in diesem Fall umso mehr, um der absehbaren Mythenbildung von rechts außen vorzubeugen. Nun steht ein langer Deutungskampf und Rechtsstreit bevor. Und ein politisches Ringen um den nächsten Schritt: ein Verbotsverfahren. Neukanzler Friedrich Merz bremst bereits – mit dem fatalen Argument, ein Verbotsverfahren „rieche“ nach „Konkurrentenbeseitigung“. Ganz so, wie es die AfD behauptet.
Dabei geht es schlicht darum, wie gefährlich die AfD für die Demokratie ist. Tatsächlich bräuchte es für ein Verbot Belege für ihr kämpferisches Agieren. Aber auch dafür liefert das Gutachten Zitate, wenn von einem „Bürgerkrieg“ geraunt wird oder offen davon, dass man einen „Krieg gegen diese Regierung“ führe. Sind diese Aussagen prägend für die Gesamtpartei? Das ist jetzt die Frage.
Werden diese Fragen von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag verneint, müssen andere Schritte ergriffen werden – etwa Verbotsverfahren gegen die radikalsten AfD-Landesverbände anstrengen, Parteifinanzen durchleuchten, Waffen entziehen und Disziplinarverfahren gegen auffällige AfD-Funktionäre im öffentlichen Dienst führen. Achselzuckend über den offen gezeigten Rechtsextremismus der AfD und ihre Angriffe gegen die Menschenwürde hinwegzusehen, verbietet sich.
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