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Krise der GrünenImmer wieder im Frühling

Bei den Grünen schlägt zum dritten Mal ein Skandal im Frühling ein. Die Jahreszeit mag Zufall sein, aber die drei Fälle haben doch etwas gemeinsam.

Robert Habeck hält an seinem Staatssekretär Patrick Graichen (links) fest Foto: Kay Nietfeld/dpa

Einige Gruppen von Menschen blicken dem Frühling, anders als die Mehrheit der Bevölkerung, jedes Jahr mit Schrecken entgegen. Pollen-Allergiker gehören zum Beispiel dazu oder Chirurgen, die in der Nähe beliebter Motorradrouten tätig sind. Ein weiterer Menschenschlag dürfte so langsam ähnliche Ängste entwickeln: die Mitglieder der grünen Partei.

Ab dem dritten Mal ist es schließlich eine Tradition: Wenn die Tage länger werden und die Blumen blühen, schlägt bei der Öko-Partei ein Skandal ein. Die Fehltritte können nicht mit den ganz großen Affären der bundesrepublikanischen Geschichte mithalten, es geht nicht um kaputte Starfighter oder schwarze Kassen. Und noch nicht mal um dubiose Geschäfte mit Pipelines in der Ostsee.

Es sind aber zumindest individuelle moralische Fehler von überdurchschnittlicher Relevanz, über die einzelne Grünen-Politiker mittlerweile in einer gewissen Regelmäßigkeit stolpern – zum Schaden der ganzen Partei.

Im Frühjahr 2021 war es Annalena Baerbock, die als Spitzenkandidatin erfolgversprechend ins Rennen um das Kanzleramt gestartet war, bevor ein geschönter Lebenslauf und Plagiate in ihrem Buch publik wurden. Bis zur Bundestagswahl im Herbst erholten sich die Grünen davon nicht mehr.

Im Frühjahr 2022 war es die damalige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel, die davon eingeholt wurde, dass sie im Sommer zuvor als Landesministerin in Rheinland-Pfalz das Katastrophen-Management rund um die Ahrtal-Flut nicht ernst genommen hatte. Nachdem sie in der Causa auch noch eine Anfrage der Bild-Zeitung wahrheitswidrig beantwortet hatte, verlor sie ihr Amt.

Im Frühjahr 2023 ist es schließlich Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der die Klappe gehalten hat, als sich sein Trauzeuge um einen Spitzenjob bewarb. Graichen hat geschwiegen, statt die Freundschaft offenzulegen und sich aus dem Besetzungsverfahren zu verabschieden. Längst ist daraus eine ausgewachsene Affäre für Vizekanzler Robert Habeck geworden – mit allem, was in solchen Fällen zum Repertoire gehört: Befragung im Bundestagsausschuss, Presse-Meute vor der Tür, Krisen-Interview in den Tagesthemen.

Dass es schon wieder im Frühling passiert, ist vermutlich Zufall. Einen entscheidenden Zusammenhang zwischen den drei Fällen gibt es dennoch: Die in den vergangenen Jahren rasant gewachsene Partei ist chronisch damit überfordert, ihr Spitzenpersonal vor eigenen Fehlern zu bewahren. Und da auch Grüne moralisch nicht so rein sind, wie es das selbst gepflegte Stereotyp vermuten lässt, geht eben stetig etwas schief.

2021 wagten sich die Grünen als Partei mit Annalena Baerbock zum ersten Mal überhaupt an einen Kanzlerinnenwahlkampf. Alles war neu – und das Team viel zu klein. Die Strukturen in der Parteizentrale waren nicht im gleichen Tempo gewachsen wie die Mitgliederzahlen und die eigenen Ziele.

Die Grünen waren nicht in der Lage, die eigene Kandidatin genau zu durchleuchten, alle Schwachstellen zu identifizieren, auf alle Angriffspunkte vorbereitet zu sein. Erschwerend kam hinzu, dass die damalige Parteichefin intern als perfekt galt. Man kam gar nicht auf die Idee, dass an ihr irgendwas nicht stimmen könnte.

Aufgemotzter Lebenslauf und Plagiate im Buch: Annalena Baerbock Foto: Sophie Brössler/dpa

Bei Anne Spiegel unterlief der Partei der Fehler ein halbes Jahr später: Aus dem kräftezehrenden Wahlkampf waren die Grünen nahtlos in kräftezehrende Koalitionsverhandlungen geschlittert. Als anschließend die Kabinettsbildung anstand, war das gleiche kleine und jetzt auch noch ausgelaugte Team zuständig. Ordentlich durchleuchtet wurde auch Spiegel nicht. Andernfalls hätte man das Risiko erkannt, sie in Rheinland-Pfalz belassen oder ihr zumindest eine ordentliche Verteidigungsstrategie in die Schublade gelegt.

Im gleichen Zug legten die Grünen das Fundament für die Affäre Graichen. Sie holten den Energie-Experten als Staatssekretär in die Regierung – einen Mann aus einer Denkfabrik, der zwar schon mal elf Jahre im Bundesumweltministerium gearbeitet hatte, aber keine Erfahrung mit politischen Ämtern mitbrachte. Das kann man machen, Expertise von außen bereichert die Politik. Hilfreich wäre es dann aber, das fehlende Gespür für politische Fallstricke anderweitig auszugleichen: durch dahingehend erfahrene Mitarbeiter, durch enge Aufsicht, durch ausführliche Briefings.

Das Resultat zeigt: All das ist zumindest nicht im ausreichenden Maß geschehen – was mit daran liegen könnte, dass für Habeck und seine Leute auf den kräftezehrenden Wahlkampf und die kräftezehrenden Koalitionsverhandlungen auch noch nahtlos eine kräftezehrende Energiekrise folgte.

Das Tröstliche für Anhänger der Grünen: Es ist eine Lernkurve zu beobachten, auch wenn sie nicht exponentiell nach oben verläuft und sich im Moment sogar wieder nach unten wenden könnte. Als vor zwei Jahren Baer­bocks Plagiate publik wurden, reagierte die Partei zunächst mit einer abenteuerlichen Abwehrstrategie: Es gebe keine Plagiate, sondern nur eine perfide „Dreckskampagne“ aus „Angst vor einer grünen Kanzlerin“ und zur „Ablenkung vom Klimawandel“. Ein paar Tage später mussten die Grünen dann kleinlaut zurückrudern. Dass sie sich die eigene Fehlbarkeit nicht früher hatten eingestehen können, war am Ende das Schlimmste an der ganzen Geschichte.

Schon ein Jahr später war im Fall Anne Spiegel der Lerneffekt zu bestaunen: Nachdem die Ministerin die Bild belogen hatte, sahen die Grünen sofort ein, dass da nicht mehr viel zu machen war. Sie lamentierten nicht über eine miese Springer-Kampagne, sondern entzogen Spiegel die Unterstützung. Das war menschlich hart, aber politisch klug. Nach ein paar Tagen war die Nachfolgerin im Amt und die Affäre vergessen.

In der Affäre Graichen war das Krisenmanagement zu Beginn ebenfalls nicht so schlecht. Erst mal haben die Grünen die Füße still gehalten, den Fehler analysiert, ihn dann eingestanden und das Besetzungsverfahren neu aufgerollt. Nur gegen Graichens Rauswurf, der die Sache vermutlich abgebunden hätte, entschied sich Habeck.

Aus der Sache heraus lässt sich das sowohl verteidigen als auch kritisieren. Es sind schon Leute für weniger gegangen, aber auch schon Leute für mehr geblieben. Den Ausschlag in Richtung Nachsicht gab im konkreten Fall wohl die zentrale Rolle, die die Grünen Graichen für die Umsetzung der Energiewende zuschreiben: Glaubt man dem, was sie so erzählen, gibt es im ganzen Land keinen Zweiten, der den Job auch nur annähernd so gut erledigen könnte wie er. Noch nicht mal in seiner Familie.

Musste gehen: Ex-Familienministerin Anne Spiegel Foto: Florian Boillot

Im Ergebnis aber haben sich die Grünen durch das Festhalten an Graichen in ein Dilemma manövriert. Die Kritik reißt ja nicht ab. Den Staatssekretär jetzt aber noch rausschmeißen? Das würde Habeck als Deppen dastehen lassen, der erst immensen öffentlichen Druck braucht, um einen Irrtum einzusehen.

Stattdessen haben sich große Teile der Partei inklusive Vizekanzler zum Gegenangriff entschlossen. Das Schuldeingeständnis ziehen sie zwar nicht zurück, parallel klagen sie aber über eine Kampagne, die CSU, Bild und Gaslobby gegen die Grünen betrieben. Der Geist von 2021 weht wieder.

Der Konter ist einerseits verständlich: Eine Kampagne gibt es ja wirklich. Die Berichterstattung im Fall Graichen dreht sich längst nicht mehr nur um das eigentliche Fehlverhalten. Es geht mittlerweile schon als Skandal durch, dass Klimaschutz-Experten Klimaschutz-Experten kennen und das Klima schützen wollen. Ausgerechnet CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dichtet inzwischen Mafia-Parallelen herbei, nennt Habeck den „Paten des Graichen-Clans“.

All das unwidersprochen stehen zu lassen, würde sowohl den Grünen als auch ihrer Sache schaden. Andererseits: In den Abendnachrichten darüber zu jammern, wie gemein doch alle sind, und auf Twitter anzumerken, dass andere Parteien eine viel dickere Skandal-Akte haben – das wirkt nicht sonderlich souverän. Damit kann man die eigenen Reihen schließen. Mehr nicht.

wochentaz

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Wie die Grünen es also auch anstellen: Aus der Affäre Graichen kommen sie fürs Erste nicht raus. Und anders als 2022 bei Spiegel, dafür ähnlich wie 2021 bei Baerbock, kostet sie der Skandal politisches Kapital, das sie an anderer Stelle besser gebrauchen könnten: Damals fehlten Zeit, Nerven und Vertrauen für den Wahlkampf. Jetzt fehlen sie für das Ringen um das Gebäudeenergiegesetz, das den Klimaschutz beim Heizen voranbringen soll, aber seit Monaten selbst aus der eigenen Koalition heraus heftig beschossen wird.

Immerhin: Hält sich die Ampel an ihren Zeitplan, wird dieser Streit bis zum Sommer ausgefochten sein. Bis dahin könnte sich auch die Aufregung um den Fall Graichen gelegt haben, vielleicht ist die Sache dann ausgesessen. Womöglich können die Grünen danach zur Abwechslung sogar mal wieder ein paar ruhige Monate genießen. Eines ist aber sicher: Das Frühjahr 2024 kommt trotzdem.

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30 Kommentare

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  • Wenn ich Tobias Schulze richtig verstanden habe, scheint er das Ganze vor allem für eine Frage des Politmanagments zu halten zumal nach "kräftezehrenden" Wahlkämpfen und Koalitionsverhandlungen. Ja, klar doch; die Kandidaten der anderen Parteien brauchen ja bei Wahlkämpfen bekanntlich nur im offenen Wagen durch jubelnde Menschenmassen zu fahren und bekommen in den anschließenden Koalitionsverhandlungen alles auf dem Silbertablett serviert.

    Auch dass die "Lernkurve" irgendwie nach oben zeigt, vermag ich nicht zu erkennen. Im Gegenteil: die Reaktion auch führender Grüner zeigt genau Mischung aus Bräsigkeit, Beleidigtsein und Verschwörungsgeraune, die erkennen lässt, dass man gar nicht versteht, weshalb die auch von den Grünen praktizierte Pöstchenschieberei, zumal im Dienste einer guten Sache, auf einmal schlecht sein soll.

    Um nicht missverstanden zu werden: ich halte das für kein genuin grünes Problem. Und gegen die Heucheleit der CDU könnte man ganz locker auf den Versorgungsposten für Ex-Kanzleramtschef Roland Pofalla bei der DB hinweisen. Das Beispiel ließe sich beliebig vermehren.

    Das wirkliche Ärgernis ist ein anderes. Über Jahrzehnte haben die Parteien in Deutschland ein üppig wucherndes, kaum zu überschauendes Subsystem an Pfründen errichtet, die unter völliger Aushebelung des im öff. Dienst eigentlich geltenden Leistungsprinzip dem exklusiven Zugriffsrecht der Parteizentralen unterworfen sind. Das fehlende Unrechtsbewusstsein, das hier, wie auch in anderen Fällen zu beobachten ist, zeigt eigentlich nur, wie selbstverständlich diese Praxis von allen Beteiligten angesehen wird. Das das alles aber weder dem Ansehen der Parteien noch der Demokratie insgesamt dient, ist nur zu offensichtlich. Wenn die Demokratie aber als Selbstbedienungsladen der Parteien und ihres Personals erscheint, sollte man sich schon ein wenig Sorgen machen zumal angesichts einer AfD, die aus solchen Reflexen Politik macht.

  • Der Rücktritt von Bei Anne Spiegel folgte unmittelbar nach dem Rücktritt der CDU Umweltministerin "Heinen-Esser", wo Grüne und SPD die Maßstäbe mit ihren Rücktrittsforderungen bereits gesetzt hatten.

    taz: "Heinen-Esser war massiv dafür kritisiert worden, dass sie bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 überwiegend im Urlaub auf Mallorca war – vor allem um sich dort nach eigenen Angaben um ihre 15-jährige Tochter und deren Freundinnen zu kümmern. Die Oppositionsparteien SPD und Grüne hatten wiederholt den Rücktritt der Politikerin gefordert. " taz.de/Konsequenze...h-Kritik/!5848231/

    • @Rudolf Fissner:

      "bereits gesetzt hatten"

      Maßstäbe natürlich.

  • Ich finde den Umgang der TAZ mit der Graichen-Affäre überwiegend schwach. In der letzten Wochen-TAZ erschien 'Graichens Fehler. Bildet linksgrüne Banden! von Kersten Augustin, ansonsten Schweigen vor einer Woche.



    Schon differenzierter dann der Artikel zur Graichen-Affäre im Klimaministerium 'Das grüne Eigentor'.



    Obiger Artikel 'Immer wieder im Frühling' fast noch zu milde: 'Bis dahin könnte sich auch die Aufregung um den Fall Graichen gelegt haben, vielleicht ist die Sache dann ausgesessen'. Ist das überhaupt zu wünschen??



    Es gibt Fehler, für die man sich entschuldigt und damit ist die Sache erledigt. Um so einen Fehler geht es hier nicht. Es geht um Integrität. Es muss Herrn Graichen vollkommen klar gewesen sein, dass er nicht in einer Kommission sitzen darf, die über eine Bewerbung seines Trauzeugen befindet. Er hat sich darüber hinweggesetzt und ich halte das für Betrug. Betrug deshalb, weil es bei diesem Manöver Geschädigte gab, und zwar die unterlegenen Bewerber.



    Der Standard ist nicht zuletzt durch die Merkel Jahre auf die Hunde gekommen. Merkel hat mit der ihr eigenen Arroganz die gefälschten Doktorarbeiten von zu Guttenberg, Schavan und zuletzt auch Giffey verharmlost ('ich habe einen Verteidigungsminister eingestellt und keinen wissenschaftlichen Assistenten'). Solche Sprüche erodieren Wissenschaft und Integrität und diese Egal-Haltung ist unfair gegenüber Leuten, die nicht betrügen. Graichens Verhalten ist durch eine Entschuldigung nicht aus der Welt. Diese Bewertung hat mit Klima und Politik überhaupt nichts zu tun.

  • "Es geht mittlerweile schon als Skandal durch, dass Klimaschutz-Experten Klimaschutz-Experten kennen und das Klima schützen wollen. "



    so ist es!

  • "Bei den Grünen schlägt zum dritten Mal ein Skandal im Frühling ein."



    Wurde da nicht ein vierter Skandal vergessen? Das Heizungsgesetz?

    • @sollndas:

      Was ist heutzutage eigentlich alles ein "Skandal", was löst Shitstorms aus? Die Menschen sind dankbar für alles, was vom Grundproblem ablenkt: Das wir in den sog. entwickelten Länder schlicht seit Jahren über unsere Verhältnisse leben. Damit verderben wir nicht nur unsere Zunkunft, sondern auch die der restlichen Welt. Illusionen überdecken die Realität, können sie aber nicht ändern.

  • Bei der Affäre um Graichen geht es ja nicht alleine um den Trauzeuge. Der hatte ein ganzes Freunderlgeflecht aufgebaut - und das vor allem als einer der Grünen, die sich gerne mit dem Prädikat der dazu kommt Redlichkeit schmücken wollen. Und dann noch die Aussage von Habeck in der Manier vom einstigen Goldkettchen-Gerd. Er verendete zwar im Gegensatz zu 'BASTA' sogar einen ganzen Satz, aber er wirkte genauso unbeholfen undemokratisch uns beinahe diktatorisch. Das passt überhaupt nicht zum Grünen-Anspruch!

  • "fehlende Gespür für politische Fallstricke anderweitig auszugleichen: durch dahingehend erfahrene Mitarbeiter, durch enge Aufsicht, durch ausführliche Briefings."



    Klingt gut und professionell. Haben denn CSU-Verkehrs- und Agrarminister sowas? Oder brauchen sie nicht, weil eh egal? Weil von vornherein eh niemand irgendwie brauchbare Politik von ihnen rwartet.

  • Insgesamt atmet diese Geschichte doch ein wenig zu sehr die Berliner Luft, die sich vor allem auf wenige Spitzenpolitiker im Bund fokussiert und in der eine kleine Schaar von Hauptstadtjournalisten, Informanten aus der Spitzenpolitik, Beraterszene, Pressestäben sich gegenseitig die Bälle zuspielt.

    Ein Problem nicht so sehr der taz, dass aber viele andere Medien stark betrifft, deren Themensetzung (das ist ein bundespolitischer Skandal) zu wenig hinterfragt wird.

    Daher wäre es gut, wenn die politische Basis bei der politischen Berichterstattung über Spitzenpolitiker im Bund mehr zu Wort kommen würde. Wie sieht das eigentlich das grüne Parteimitglied an der Basis oder derjenige, der diese Partei wählt?



    Relativ schnell würde man sehr wahrscheinlich merken, dass bestimmte Berufe bei den Grünen gar nicht vorkommen, eine doch relativ enge gesellschaftliche Schicht den Diskurs in der Partei prägt. Wer wirft hier eigentlich Sand ins Getriebe, wenn es einmal darauf ankommt und was hat das dann für Folgen?

    Dass ist gerade beim politisch enorm wichtigen aber nicht aufgezählten Skandal der Grünen um einen NSU-Untersuchungsausschuss in Hamburg zu beobachten.

    Die junge Frau, die sich der Fraktionsdisziplin verweigerte, wurde sofort einen Kopf kürzer gemacht. Das Leitmotiv "Fair, feministisch, antifaschistisch" der Grünen Parteijugend erlitt einen Totalschaden. Nur ein Beirat im Parteivorstand trat laut taz zurück. Die Parteispitze schweigt zum Skandal.







    Liegt es an der immer größer gewordenen Konformität und relativen Gleichheit an Berufen (oftmals akademisch geprägt) in der Partei, die verhindert, dass Widersprüche und Schwächen in der Partei nicht rechtzeitig diskutiert und daraus angemessene Konsequenzen gezogen werden?



    Ein Problem der "Elitenauswahl" also, dass andere Parteien noch viel extremer betrifft? Auf die vielen AFD wählenden Protestwähler hat die Partei keine Antwort. Es sind enorm viele Wähler aus allen Parteien, die zur AFD streben.

  • 》Aus dem kräftezehrenden Wahlkampf waren die Grünen nahtlos in kräftezehrende Koalitionsverhandlungen geschlittert. Als anschließend die Kabinettsbildung anstand, war das gleiche kleine und jetzt auch noch ausgelaugte Team zuständig《

    Ausgelaugt ist das Team immer noch (regieren ist eben auch kein Kuraufenthalt).

    Wirklich fatal daran ist, dass so eine echte und wache Oppositionspartei fehlt.

    Die bei Recarbonisierung - neue Gasfelder vor dem Senegal, LNGs im Maßstab XXXL - aufgeschrien hätte.

    Bei der Abschaffung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für solche Anlagen. Bei Autobahnprojekten

    Oder der beispiellosen Explosion der Militärausgaben.

    Sich angesichts der Abschottung der Außengrenzen nicht offen gezeigt hätte, sondern sich wahrscheinlich jetzt hungerstreikend vor dem Bundesverfassungsgericht befände, angekettet.

    Um dann anschließend mit den "Klimaterroristen" der LG Umsturzpläne im Knast zu schmieden...

    Hört sich krass utopisch an, oder?

    Angesichts des rasanten Rechtsrucks der Ampel (Tempolimit ist auch in dieser Hinsicht nicht) z.B. beim Asylrecht kommt es eine*m vor, als habe wan geträumt, dass diese Grünen noch 2021 mit Annalena Baerbock als Spitzenkandidatin mit "keine Waffen in Krisengebiete" Wahlkampf gemacht haben

    twitter.com/Die_Gr...5126980623?lang=de

    Let's face it: das hätte sogar eine Wiederholung der GroKo alles mindestens genauso hingekriegt. Wenn nicht besser (wg. ohne FDP)

    Was fehlt...

    • @ke1ner:

      Schließe mich an - Und Thänx für den Twitter-Link!



      Ich frage mich ohnehin schon einige Zeit: Wann und wo ist denn endlich mal die Grüne Schamgrenze erreicht?

    • @ke1ner:

      Sehr richtig. Eine Regierungsbeiteiligung ohne Tempolimit sah schon sehr danach aus: Lieber schlecht schlecht regieren, als gar nicht regieren. Ich hätte es den Grünen gern erspart und war bei der kleinen Minderheit, die dagegen gestimmt hat. Ich bin auch kein typischer Grüner. Männlich, alt, weiß und kein Akademiker!

  • Ich halte Ich finde es viel schlimmer, dass die Grünen bei vielen Kernthemen den eindruck vermitteln, sie hätten weniger Rückgrat als ein Regenwurm, z.B. beim Tempolimit auf Autobahnen. In Hamburg haben sie eine Abgeordnete kaltgestellt, die es gewagt hat, gegen die Fraktionlinie für einen einen NSU-Untersuchungsausschuss zu stimmen. Für mich ist das der exemplarische Umgang von laut formuliertenn Anspruch und politscher Realität.

  • Die Grünen haben sich seit ihrer Gründung als hochmoralische Instanz verkauft, welcher sie nun selbst zum Opfer fallen.

    • @Nikolai Nikitin:

      "Die Grünen haben sich seit ihrer Gründung als hochmoralische Instanz verkauft." (Nikolai Nikitin)



      Tja - Es rächt sich halt wenn man zwar mit nem Abi in der Luft rumwedelt, aber noch nicht mal Brecht's 3GroschenVerdikt soweit intus hat dass man es nicht vor lauter Dussligkeit auf den Kopf stellt: "Erst kommt das Fressen - und dann die Moral!." Andersrum läuft man Gefahr sich zu überfressen und dann die Moral gleich mit auszukotzen. Politische Bulimie. Sowas ist ziemlich unschön!



      Das hätte man aber auch aus dem Niedergang der CSU lernen können. Aber die Greenhorns machen ja lieber Selbsterfahrungskurse. Da spürt man sich dann besser. - Wohl wahr.



      Mahlzeit - allesamt!

  • Vielleicht sollte man auch mal darüber reflektieren welche Erwartungshaltung man sinnvollerweise an Politiker*innen und deren Minsterialbürokraie haben kann bzw. haben sollte. Wenn die Messlatte bei Perfektion, absoluter Fehlerfreiheit und einer derart makellosen moralischen Integrität, dass selbst ein Jesus von Nazareth dagegen noch als schlimmer Finger dasteht, dann kann das eben nur in Resignation und Politikverdrossenheit münden. Und wenn auf jeden Fahler unmittelbar der Rücktritt folgen soll werden sich vor Allem jene Halten die sich entweder besonders gut auf bürokratische Erbsenzählerei oder auf effektives Vertuschen verstehen. Wenn man aber Demokratie als egalitäres System bürgerlicher Selbstregierung versteht, sollte damit auch klar sein, dass auch auf den Minster*innensesseln eben nur gewöhnliche Menschen sitzen.

    • @Ingo Bernable:

      Das Problem in Deutschland und auch anderswo ist einfach, dass Politiker überhaupt Ministeriumsposten besetzen dürfen. Daher sind viele Beamte dort das Ergebnis von Jahrzehnten an Gefälligkeiten und Filz. Natürlich bauscht die Bande aus Bayern und Konsorten das Thema auf, weil die ja Erfahrung mit Korruption als politische Waffe haben, aber es gibt hier halt auch einen systemischen Fehler.

      • @Okti:

        Was wäre die bessere Alternative? Ein Staatapparat der unabhängig von der Politik ist, würde sich zwar sicher politischer Einflussnahme entziehen, damit aber auch einer demokratischen Legitimation und Kontrolle.

        • @Ingo Bernable:

          Sie tun ja so als ob Politiker die perfekten Personaler wären. Viele staatliche Einrichtungen rekrutieren ihr Personal ganz normal wie in der freien Wirtschaft. Wenn man sich Sorgen über Kontrollinstanzen in Ministerien macht, kann man auch parlamentarische Kontrollgremien einziehen.



          Der facto ist es vollkommen undemokratisch dass irgendwelche nicht direkt gewählten Minister Leute in hochdotierte Posten setzen dürfen, und häufig auch ohne dass diese Leute die notwendigen Qualifikationen mitbringen.

    • @Ingo Bernable:

      Haben Sie sowas auch bei Sauter, der Tandlerin oder einer der dutzenden anderen korrupten CSU-Figuren geschrieben oder auch nur gedacht? Hoffentlich nicht.



      In einer Findungskommission zu tun, als kenne man den eigenen Trauzeugen nicht, das ist nicht Jesus-von-Nazareth-Niveau, das ist schlicht doof. Dito die eigenen Parteigremien anlügen (Spiegel).



      Natürlich hebt jedes Ministerium gerne die eigenen Vertrauens-Fachleute (sind sie der richtigen Meinung, sind es "Experten", andernfalls "Lobbyisten"), aber das muß man etwas geschickter anstellen.



      Anstatt irrsinnig überzogene Erwartungen an Politiker zu unterstellen sollte man immer wieder betonen, daß in diesem Fall der Fehler erkannt und behoben wurde, kein Schäden entstanden ist und niemand sich bereichert hat (und dann dezent auf die Corrupte Schmutz-Union oder so verweisen).

      • @Wurstprofessor:

        "oder einer der dutzenden anderen korrupten CSU-Figuren"



        Nur hat es hier - zumindest nach meiner Begrifflichkeit - eben überhaupt keine Korruption gegeben, sondern Fehler, die sicher peinlich und ziemlich unprofessionell sind, aber keine erkennbaren Indizien dafür, dass hier irgendwer käuflich war oder private Interessen gegenüber öffentlichen bevorzugt hat.

        • @Ingo Bernable:

          "... oder private Interessen gegenüber öffentlichen bevorzugt hat."

          Das trifft halt schon zu, wenn einer seinem guten Kumpel einen Posten verschafft, egal wie genau die Modalitäten. Aber egal.

    • @Ingo Bernable:

      Ich finde, der Artikel hat die Dilemmata ausreichend aufgehellt und es besteht keine Notwendigkeit, die begangenen Fehler zu verharmlosen und die Kritik an Fälschung, Filz und dummerhaften Ausreden als bürokratische "Erbsenzählerei" zu diffamieren.

      • @bleikiel:

        Habe ich auch nicht getan, sondern lediglich darauf verwiesen, dass bürokratische Erbsenzählerei eben die logische Konsequenz wäre wenn man aus jedem Fehler, und die passieren nun einmal überall dort wohl fehlbare Menschen am Werk sind, gleich einen Skandal macht und reflexhaft-unreflektierte Rücktrittsforderungen erhebt. Mit Personal auf den entscheidenden Posten deren primäre Sorge aus ständiger Angst vor dem allgemeinen Furor in der peniblen Einhaltung von Verfahren und Verordnungen jeglicher Art besteht um sich bloß keine Blöße zu geben wird sic weder eine Energiewende umsetzen lassen noch irgendeine andere politisch progressive Vision.

  • Inhaltlich ist alles zur Affaire Graichen gesagt. Es sind Fehler passiert..dafür hat sich Graichen entschuldigt..das Verfahren ist neu ausgeschrieben worden..und es ist kein Schaden entstanden..außer einem Imageschaden für die Grünen..

    Wenn jetzt noch weitere Befragungen oder gar ein Untersuchungsausschuß gefordert wird, dann ist das komplette Zeitverschwendung auf Kosten von Politik und Steuerzahler..

    Das die C- Parteien hier weiter bohren, zeigt überdeutlich, dass es sich dabei um eine Kampagne handelt...die mehr schadet als nützt...und das ist der eigentliche Skandal.!!

    Und es ist mal wieder bezeichnend welche Akteure sich jetzt besonders hervor tun..dies zu benennen und den Akteuren und ihren Partrien zuzuordnen, ist nicht nur eine Steilvorlage für jede Satiresendung...es gehört auch zu den Aufgaben jeder objektiven Berichterstattung.

    Und was die Grünen anbetrifft...werden sie sicherlich an Erkenntnis gewinnen, daß Politik von manchen Seiten her eben ein "schmutziges Geschäft" ist..

    Vielleicht gehört diese Lenkurve zum Erwachsen werden Grünen dazu....

    • @Wunderwelt:

      Eigentlich ein Witz, das gerade unter einem Beitrag wo Bezeichnen der Kritik an den Grünen als Kampagne kritisiert wird, ein Kommentar kommt in dem die Kritik als Kampagne gebrandmarkt wird, obwohl inhaltlich völlig richtig und notwendig.

      Du hast grade die absolute Bestätigung dieses Kommentars geliefert und warum die Kritik an Graichen notwendig ist.

      • @Walterismus:

        Das ist Ihre Meinung...nicht die Meine.!

    • @Wunderwelt:

      Fehler werden in der Regel durch Nachlässigkeit oder Fahrlässigkeit



      verursacht, hier sind die Weichen doch



      vorsätzlich gestellt worden. Und wenn



      Graichen, der einzige in Habecks Ministerium ist, der ein Gesetz machen



      kann, um die Energiewende zu schaffen,



      dann Gute Nacht. Denn die Qualität des



      GEG ist so miserabel, dass es in dieser Form nie umgesetzt wird. So willkürlich



      wie die Ausnahme für 80ig Jährige so



      willkürlich sind Ausnahmen für



      andere Adressaten, zB Fernwärmean-



      Bietern.

  • Wenn man einen Bewerber oder eine Bewerberin, in diesem Fall A.B. auf Schwachstellen durchleuchten muss, stimmt etwas nicht in der Demokratie.



    Ehrlichkeit wäre mal sehr wünschenswert.