Kommentar zur „Unteilbar“-Demo: „Aufstehen“ links liegenlassen
„Unteilbar“ war ein Erfolg, weil die Demo breit aufgestellt war. Das zeugt nicht von Beliebigkeit, sondern davon, was gesellschaftlich auf dem Spiel steht.
W er sich immer schon gefragt hat, was es mit dieser Multitude auf sich hat, die durch die linken Debatten geistert: Samstag war sie in Berlin zu besichtigen. Die wohl historische Größe der „unteilbar“-Demo war nicht das Ergebnis inhaltlicher Beliebigkeit. „Unteilbar“ war keine hohle Phrase, kein strategisches Ungefähr. Das Motto hat genau die Anschlussfähigkeit geboten, die es braucht, um die ganze Breite dessen zu erfassen, was gesellschaftlich auf dem Spiel steht.
Denn was die RechtspopulistInnen wollen, ist nicht nur ein Angriff auf die Flüchtlinge. LehrerInnen sollen bestraft werden, weil sie im Unterricht Diskriminierung beim Namen nennen. RechtsanwältInnen werden angegriffen, weil sie für ein Bleiberecht ihrer Mandanten streiten. JournalistInnen sollen aus den Redaktionen „entfernt“ und „zur Rechenschaft gezogen“ werden.
Schwulen und Lesben soll die Ehe für alle wieder weggenommen, Beratungsstellen die Gelder gestrichen, Bildungseinrichtungen das Programm diktiert werden. Auch Frauen, Arbeitslose, prekär Beschäftigte, Behinderte, JüdInnen, Roma, MieterInnen und GewerkschafterInnen konnten mit dem Schlagwort „unteilbar“ offensichtlich etwas anfangen.
Sie alle eint die Befürchtung, dass die autoritäre Wende, die der Schulterschluss von Konservativen und Rechtspopulisten nach sich zöge, keinen von ihnen besser dastehen ließe. RechtspopulistInnen versuchen das zu verschleiern, indem sie die Debatte obsessiv auf die Themen Flüchtlinge und Islam verengen. Die „unteilbar“-Demo hat das nicht mitgemacht. Sie hat den Raum geweitet – von der Migrationssolidarität auf die soziale Frage, auf Gender, auf Grundrechte, auf Fragen demokratischer Teilhabe. Das war klug.
Linksnationalismus in jämmerlicher Gesellschaft
Nicht stehenlassen konnten das die, die es für links halten, achselzuckend auf „Begrenztheit der Ressourcen“ zu verweisen und deshalb die Grenzen lieber eng geschlossen sehen wollen. Sie haben versucht, „unteilbar“ als Ruf nach „offenen Grenzen für alle“ auszulegen und damit klein zu halten. Ja: Die Ressourcen sind begrenzt. Aber links ist es, von Bedürfnissen und Rechten aus zu denken, danach die Frage nach der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu stellen und erst dann über begrenzte Ressourcen zu sprechen.
#Unteilbar in Berlin
Andersherum ist es bestenfalls Linksnationalismus. Und der befindet sich nach dem Wochenende in wirklich jämmerlicher Gesellschaft. Gegen „unteilbar“ sprachen sich reaktionäre Teile der Berliner CDU („linksradikale Verbrecher“), versprengte DKPlerInnen, ein sehr kleiner Bodensatz der antideutschen Linken – und eben Sahra Wagenknecht für ihre so genannte Sammlungsbewegung „aufstehen“ aus.
Offenheit gibt es nicht ohne Widersprüche. Zu denen gehört, dass die, die von Rassismus betroffen sind, selbst menschenverachtend sein können. Jede Solidaritätsbewegung muss damit einen Umgang finden. „Unteilbar“ hat diese Schwierigkeit nicht zugekleistert. Die Jüdin Lala Süsskind hat am Samstag auf der Eröffnungskundgebung offen angesprochen, dass auch Menschen dort waren, die gegen Juden hetzen.
Widersprüche aushalten
Zu den Widersprüchen gehört auch, dass Regierungsparteien mitmarschiert sind, deren Politik viele der DemonstrantInnen auf die Straße getrieben hat und die sich teils die Agenda der Rechten aufzwingen lassen. Trotzdem kommt ohne sie nicht aus, wer die RechtspopulistInnen stoppen will.
Auch dadurch, dass sie diese Widersprüche ausgehalten hat und nicht schon vorher von ihnen lähmen ließ, ist die „unteilbar“-Mobilisierung so erfolgreich gewesen. Und das war kein Selbstzweck. Solche Ereignisse ermöglichen es, Prozesse kollektiver Vergewisserung voranzutreiben und gesellschaftliche Debatten zu Übereinkünften gerinnen zu lassen. In diesem Fall lautet das, worüber am Samstag viele Menschen symbolisch Einigkeit hergestellt haben: So, wie es ist, kann es nicht weitergehen.
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