Kabinett beschließt Steuerreformen: Entlastungen für Besserverdiener
Die Bundesregierung beschließt Änderungen der Einkommenssteuer und eine Steuerklassenreform. Davon profitieren vor allem reiche Familien und Paare.
Damit das Existenzminimum steuerfrei bleibt, müssen neben dem Grundfreibetrag auch der Kinderfreibetrag angepasst werden. Der Grundfreibetrag soll in diesem Jahr um 180 Euro auf 11.784 Euro angehoben werden und bis 2026 schrittweise auf 12.336 Euro steigen. Der steuerliche Kinderfreibetrag hat sich in den vergangenen Jahren bereits erhöht und wird 2024 um 228 Euro auf 6.612 Euro weiter steigen.
Eltern bekommen nach automatischer Prüfung durch das Finanzamt entweder Kindergeld oder die Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer. 2025 soll dieser Betrag um weitere 60 Euro, 2026 noch einmal um 156 Euro auf 6.828 Euro angehoben werden.
Das Kindergeld steigt nicht so stark: Ab Januar 2025 sollen Familien pro Monat und Kind lediglich fünf Euro mehr Kindergeld bekommen, also 255 statt bisher 250 Euro monatlich. Von den Kinderfreibeträgen profitieren vor allem reiche Eltern, lautet eine gängige Kritik.
Durch die Anpassungen vergrößere „sich der maximale Vorteil durch den Kinderfreibetrag gegenüber den Kindergeldbeziehern noch einmal um 141 Euro“, sagte Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit der taz. Auch Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, forderte, dass „Kinder aus weniger gut verdienenden Familien“ stärker berücksichtigt werden sollten.
Ehegattensplitting bleibt
Ein weiterer umstrittener Aspekt des Gesetzes ist die Aufhebung der Lohnsteuerklassen drei und fünf. Laut Koalitionsvertrag sollen diese in ein sogenanntes „Faktorverfahren“ überführt werden. Die beschlossene Änderung soll aber erst 2030 kommen. Verheiratete und Menschen in eingetragenen Partnerschaften können sich demnach für eine getrennte Besteuerung beider Partner*innen wahlweise in Steuerklasse vier oder „Steuerklasse vier mit Faktor“ entscheiden.
Nach dem alten Modell zahlte die Person aus Steuerklasse drei überproportional wenig Steuern und die Person aus Steuerklasse fünf überproportional viel. Dies begünstigte eine traditionelle Aufteilung von Care- und Lohnarbeit und viele Frauen erhielten in der Konstellation ein geringeres Nettoeinkommen.
Grünen-Abgeordnete Katharina Beck begrüßte diesen Schritt: „Eine Abschaffung der Steuerklasse fünf, die starke Anreize zur Nicht- oder Wenigarbeit setzt und damit Verarmung von Frauen und perspektivisch zu Altersarmut von Frauen beiträgt, war mehr als überfällig.“ Sie ermahnte die Regierung jedoch, die Neuregelung früher als 2030 umzusetzen.
Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bezeichnete die Abschaffung der Steuerklassen zwar als „Schritt für geschlechtergerechtere Besteuerung“, forderte aber, dass eine Überwindung des Ehegattensplittings folgen müsse. Auch mit Steuerklasse 4 mit Faktor gibt es weiterhin einen sogenannten Splittingvorteil.
Alois Rainer, CDU-Politiker und Finanzausschuss-Vorsitzender im Bundestag, begrüßte die Abschaffung der alten Steuerklassen „nicht uneingeschränkt“. Die Reform führe zu weniger Geld in den Familien, kritisierte er. Zudem kündigte er an, dass eine Abschaffung des Ehegattensplittings keine Mehrheit im Bundesrat finden würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit