piwik no script img

Innenminister zur MigrationspolitikHärter, immer härter

Mehr Zurückweisungen und Abschiebungen: Auf der bevorstehenden Innenministerkonferenz soll erneut migrationspolitische Strenge demonstriert werden.

„Freebird“: Im Juni startete in Hamburg ein Charterflug mit 17 abgelehnten Asyl­be­wer­be­r*in­nen in den Irak Foto: ABB/picture alliance

Berlin taz | Vor der Neuwahl fordern die Unions-Innenminister*innen der Länder erneut eine härtere Migrationspolitik. In einer Beschlussvorlage vor der am Mittwoch beginnenden Innenministerkonferenz im brandenburgischen Rheinsberg verlangen sie eine „grundlegende Wende“. Die „irreguläre Migration“ müsse dringend reduziert werden, um die Kommunen zu entlasten, heißt es darin. Längerfristige Grenzkontrollen und Zurückweisungen seien „zwingend geboten“.

Der aktuelle Gastgeber der IMK, Brandenburgs Michael Stübgen (CDU), erklärte, die Geflüchtetenaufnahmen der vergangenen Jahre hätten die Systeme „bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit geführt“. Man müsse von Anfang an auf Zurückweisungen setzen, statt auf Ausweisungen. Hessens Roman Poseck (CDU) fordert eine „Trendwende in der Asylpolitik“, es brauche eine „spürbare Begrenzung“. Er hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung „den Ernst der Lage erkennt und konsequent im Sinne unserer Sicherheit handelt“.

Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster sagte der taz, „es kommt jetzt darauf an, den von der Bundesregierung in Wahrheit nie gewollten Kurswechsel in der Migrationspolitik endlich zu vollziehen. Dieses deutliche Signal muss von dieser Innenministerkonferenz ausgehen.“

In der Beschlussvorlage, die der taz vorliegt, heißt es, eine Begrenzung der Geflüchtetenzahlen sei „unabdingbar“. Das europäische Dublin-System wird als „dysfunktional“ bezeichnet. ­Wegen der hohen Zahl der Schutzsuchenden und der gekürzten Bundesmittel für Integration werde „eine ausreichende Inte­gration immer schwieriger“. Die politische Stabilität hierzulande sei bereits „erheblich beeinträchtigt“.

Wieder Debatte um Zurückweisungen an der Grenze

Die Union-Innenminis­ter*in­nen stellen gleich eine ganze Reihe an Forderungen. So sollten die bis März 2025 geltenden Grenzkontrollen verlängert werden, bis die EU-Außengrenzen „nachhaltig“ gesichert seien. Personen aus sicheren Drittländern müsse die Einreise verweigert werden – also praktisch fast allen. Asylanträge sollen generell abgelehnt werden, wenn Schutzsuchende „unrechtmäßig“ einreisten und sich nicht „unverzüglich“ bei Behörden anmeldeten.

Auch CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz vertrat offensiv die Forderung nach Zurückweisungen, äußerte sich zuletzt aber nicht mehr so vernehmbar – wohl auch, weil die rechtlichen Hürden hoch sind und Deutschlands Nachbarländer bereits erklärten, zurückgewiesene Geflüchtete nicht aufzunehmen. An der Frage waren im Herbst Gespräche mit der damaligen ­Ampelregierung über ein gemeinsames Sicherheitspaket gescheitert. Die Ampel verabschiedete Teile davon darauf allein – was der Union nicht genügte.

Die Unions-Innen­minis­ter*in­­nen fordern nun auch deutlich mehr Abschiebungen. Hinweise auf Abschiebetermine, etwa über Apps, müssten „vereitelt“ werden. Auch die SPD ist offen dafür. Berlins SPD-Innensenatorin Iris Spranger will ebenso die Veröffentlichung von Rückführungs­terminen „wirksam unterbinden und sanktionieren“.

Die Union fordert auch eine Meldepflicht für Ausreisepflichtige, deren Missachtung zur Streichung staatlicher Leistungen führen soll. Abzuschiebende sollen generell nur noch Leistungen „auf Existenz­minimum“ erhalten. Rechtsmittel in Asylverfahren sollen „auf das verfassungsrechtlich zwingende Mindestmaß beschränkt“ werden.

„Sofortarrest“ und „Bundesausreisezentren“

Zudem sollen Überstellungsfristen in andere Länder, nach deren Ablauf Abschiebungen nicht mehr möglich sind, verlängert oder ganz aufgehoben werden. Der Ausreisegewahrsam von 28 Tagen soll ausgeweitet werden. Die Aufenthaltsdauer von Familien mit minderjährigen Kindern in Erstaufnahmestellen soll von sechs auf zwölf Monate verlängert werden, um Abschiebungen von dort zu erleichtern. Abgeschobene sollen längere Einreisesperren erhalten und für neue Visa erstmal ihre Abschiebekosten begleichen.

Die Union will auch einen „Sofortarrest“ für Straftäter und Gefährder ermöglichen. Ebenso wie „Bundesausreisezentren“, in denen schwere Straftäter oder Gefährder so lange untergebracht werden sollen, „bis sie freiwillig ausreisen“. An Flughäfen sollen Abschiebezentren entstehen, in Grenznähe die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits angekündigten „Dublin-Zentren“ für Geflüchtete, deren Asylverfahren in anderen EU-Ländern geführt werden.

Alle Fluggesellschaften, die deutsche Flughäfen nutzten, sollen zudem verpflichtet werden, auch Abzuschiebende mitzunehmen – was bisher nicht der Fall ist. Überstellungen sollen künftig auch über den Landweg erfolgen. Und: Die staatliche Förderung von Organisationen, die „den Vollzug des Asyl- und Aufenthaltsrechts systematisch konterkarieren“, sei einzustellen.

Gefordert wird auch eine „Verstetigung“ von Abschiebungen nach Afghanistan und ein „Sofortprogramm“ für Ausweisungen nach Syrien. Nancy Faesers Bundesinnenministerium plädierte in Vorgesprächen ebenfalls für Abschiebungen in beide Länder. Angesichts des derzeitigen Aufstands islamistischer Rebellen in Syrien erscheint dies zumindest für das Land ausgeschlossen. Abschiebungen nach Syrien seien „nur denkbar, wenn die Sicherheitslage vor Ort dies zulässt“, erklärte ein Ministeriumssprecher auf taz-Anfrage. Nach Afghanistan indes würden aktuell „weitere Abschiebungen“ vorbereitet.

Mehr Druck auf „unkooperative“ Länder?

Dazu plädiert die Union für die Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten: Armenien, Indien, Tunesien, Algerien und Marokko. Abschiebungen dorthin würden damit erleichtert. Mit anderen Staaten müssten Migrationsabkommen geschlossen werden, „unkooperative“ Länder über den „Visa-Hebel“, das Aussetzen wirtschaftlicher Zusammenarbeit oder durch Kürzungen von Entwicklungshilfe unter Druck gesetzt werden.

Die Unions-Minister*innen drängen generell darauf, die Asylverfahren zu beschleunigen. Dublin-Überstellungen soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) übernehmen. Die Bezahlkarte für Geflüchtete soll bundesweit mit einem Betrag von 50 Euro eingeführt werden.

Schließlich will die Union auch bei der europäischen Geas-Reform nachbessern: Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU müssten erlaubt, das „Verbindungselement“ gestrichen werden. Letzteres besagt, dass eine Zurückweisung einer Person in ein Drittland nur erlaubt ist, wenn diese dorthin einen Bezug hat. Auch müsse der Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten „bis auf Weiteres ausgesetzt“ werden. Freiwillige Aufnahmeprogramme wie das Bundesprogramm Afghanistan gehörten „unverzüglich eingestellt“. Das Programm stand zuvor auf der Kippe, wurde aber verlängert – nun ist es wieder fraglich.

Auch die SPD zeigte zuletzt migrationspolitisch Härte

Ob die SPD-Innenminis­ter*in­nen alle diese Maßnahmen mittragen, ist offen. Fae­ser und andere Sozialdemokraten plädierten zuletzt für „Ordnung“ und strenge Maßnahmen. Zurückweisungen an der Grenze lehnt die Partei jedoch weiter ab. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) appellierte an die Union, etwa den vorliegenden Regierungsentwurf zur Geas-Reform noch in dieser Legislatur umzusetzen. Dies dulde keinen weiteren Aufschub, man könne nicht noch ein halbes Jahr länger warten.

Gastgeber Stübgen sagte der taz, er wolle die Themen nicht in den Bundestagswahlkampf ­ziehen. „Die Sicherheit der Bundesrepublik taugt nicht als Showbühne der Parteiprofilierung.“

Hilforganisationen für Geflüchtete zeigten sich ob der Pläne entsetzt. „Allein die Überlegung, nach Syrien abzuschieben, ist verantwortungslos“, sagt Tareq Alaows von Pro Asyl. Eva Beyer von der Organisation Kabul Luftbrücke sagt der taz: „Das Bundesaufnahmeprogramm muss mindestens bis Ende der Legislatur fortgesetzt werden, so wie es ja auch im Koalitionsvertrag steht.“ Wenigstens die Fälle der 17.000 Personen, denen die Evakuierung in Aussicht gestellt wurde, müssten noch geprüft werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Es ist und bleibt vollkommen unverständlich dass viele Politiker*innen immer noch und immer mehr den Rechten nachlaufen. Wie oft wird von Experten erklärt, dass die Wähler*innen im Zweifelsfall das Original der Faschisten wählen, anstatt der Nachahmer? Dieser Populismus treibt uns geradewegs ins demokratische Versagen - wenn' nicht schon zu spät ist. Ich verweise hier explizit auf die aktuellen Abschiebungsbemühungen der Pfleger*innen in einem Heim für Demenzpatienten in Niedersachsen. Geht's noch???

  • Wir haben klare gesetzliche Regeln, wer bleiben kann und wer nicht, demokratisch beschlossen durch die von uns gewählten Volksvertreter. Natürlich ist es "hart" für jeden, der nicht bleiben darf. Aber gäbe es solche Regeln nicht, wir würden überrannt.



    Gerade um das zu Recht unantastbare Recht auf Asyl auch rein praktisch gewährleisten zu können (Wohnungen, Betreuer, Sprachlehrgänge, Schule,...) müssen wir uns an diese klare Regeln halten und die Unberechtigten zurückweise. Auch wenn es natürlich "hart" ist.

  • Ich geb's auf. Deutschland ist einfach nicht mehr mein Land. Medien und Politik verbreiten die Lüge, das sei unser größtes, ja fast unser einziges Problem. Und weil es alle verbreiten, glaubt es die Bevölkerung auch noch. Obwohl die Lebensrealität ganz andere Probleme zeigt.

    Leute, lasst euch doch nicht irre machen! Denkt doch einfach mal nach, was in eurem Leben ein echtes Problem ist!

    - Kann ich mir eine Wohnung leisten?



    - Finde ich einen sicheren Arbeitsplatz?



    - Behandelt mich noch ein Arzt/Ärztin wenn ich krank bin - und wenn ja, kann ich mir das auch leisten?



    - Werde ich nach 40 Jahren Arbeit eine Rente bekommen, von der ich leben kann (siehe Mietwucher)?



    - Kann ich meine Kinder auf eine gute Schule schicken?

    Wo im Leben bedroht euch das Thema Asyl (= der Staat hilft Menschen in Not)?

    Wenn überhaupt, dann ist es ein Problem, dass die Kommunen seit Jahrzehnten kaputt gespart worden sind. Was unter anderem auch dazu geführt hat, dass sie ihren sozialen Wohnraum verscherbelt haben und es heute deswegen kaum noch bezahlbaren Wohnraum gibt.

  • "Man müsse von Anfang an auf Zurückweisungen setzen, statt auf Ausweisungen. "

    Anders formuliert: Warum über Remigration nachdenken, wenn Nichtmigration viel effizienter ist

    Siehste, wenn bei der CDU der schwatte Lack wegplatzt kommt braune Pampe zu Vorschein .

  • Der wievielte Gipfel soll das werden? Gefordert wird natürlich der übliche, bereits als Rechtswidrig erkannte Unsinn. Vielleicht noch etwas heftiger wenn mittlerweile auch die SPD darin einstimmt, Leute direkt in den Bürgerkrieg abzuschieben.



    Rechte wird es nicht zur Wahl der SPD/CDU bewegen.



    Die SPD hätte die letzten Jahre nutzen können, um etwas positives beizutragen, mehr Leute in Arbeit zu bringen oder ähnliches. Das würde -zumindest bei mir auf Arbeit- schon die meisten blöden Sprüche von nicht-Rechtsextremen stoppen und Angriffspunkte für die AFD verringern.



    Aber nein, die SPD schiebt jetzt in Assads Folterkeller ab "sobald die Lage es zulässt" und die CDU will noch nichtmal sehen, dass ihre Schuldenbremse jede sinnvolle Hilfe für die Migranten im Land unterbindet.

  • Wunderbar! Die (verbale) Kriminalisierung von Recht und Gesetz. Wer sind "Organisationen, die das Asylrecht system. konterkarieren?" Caritas, AWO, IB, Diakonie, Paritärischer usw. mit ihren BAMF-/BMI-geförderten Asylverfahrensberatungen? Flüchtlingsräte der Länder, die Rechtsansprüche sichtbar machen? Menschenrechts-NGOs, die UN- und Europakonventionen zugrundelegen?



    Die Kriminalisierung von Flucht und Schutzsuche, das Angstschüren und Ablenken von echten Problemen (Klima, Inflation, heiße und dräuende Kriege...), das Draufkloppen auf die, die sich nicht selbst wehren werden, weil sie gefühlt von der Gnade und dem Wohlwollen der Schagenden abhängig sind.

    Soviel weihnachtliche Stimmung muss man auch erstmal hinkriegen, Hut ab, CDU!

    Aber, ach, wo sind denn die Menschenrechtler in SPD, Grünen, FDP? Die Umwertung aller Werte ist in vollem Gange.



    Nein, man muss nicht "alle aufnehmen", aber man muss auch nicht so tun, als ob an schlechter Infrastruktur Syrer, Afghanen, Somalier und Ukrainer Schuld seien. Ach, Ukrainer sind gar nicht mitgemeint? Honi soit...

  • Es gibt viel zu tun. Packen wir's endlich an

  • "Migrationspolitische Härte" erinnert fatal an Höckes postulierte "wohltemperierte Grausamkeit". Wie viel Menschenfeindlichkeit darf es denn sein? Geschlossen auf Migranten einzuprügeln, um von der eigenen Unfähigkeit abzulenken, ist erstens ziemlich erbärmlich und löst zweitens keines der Probleme unserer Zeit. Das ist eine moralische Bankrotterklärung.