Grausamer Unfall im SUV-Boom: Innehalten und aufschreien
SUVs werben mit Sicherheit. Doch die gilt nur für ihre Insassen – nicht für Passanten. Die haben keinen Airbag, keinen Überrollbügel, keinen Gurt.
I nnehalten. Ja, man muss innehalten. Einen Moment ruhig werden, Trauer zulassen, wenn an der Kreuzung, an der man jeden Tag vorbeifährt, vier Passanten an einer Fußgängerampel getötet wurden von einem ungebremst rasenden Auto.
Und dann? Soll man, kann man dann in stiller Trauer nach Hause gehen? Oder ist es nicht gerade jetzt Zeit für einen Aufschrei?
Die perverse Logik des SUV-Booms liegt auf der Hand. Denn solche superstabilen Megacars bieten deutlich mehr Sicherheit als herkömmliche Pkws – für die Insassen. Das zeigen Studien. Und auch der grausame Unfall in Berlin. Die drei Menschen in dem Wrack des Porsche SUV erlitten leichte bis mittelschwere Verletzungen.
Aber auf dem Bürgersteig gab es keine Verletzten. Nur Tote. Passanten haben keinen Sicherheitsgurt, keinen Airbag, keinen Überrollbügel. Sie haben nur das Vertrauen, dass sie auf dem Bürgersteig sicher sind. Sein sollten.
Sind sie aber nicht, weil sich die SUV-Fahrer breitmachen. Sie verbrauchen nicht nur überdurchschnittlich viel Platz in den eh schon engen Städten, sie produzieren nicht nur überdurchschnittlich viel CO2 im eh schon aufgeheizten Weltklima, sie verändern auch die Sicherheitsbalance. SUV sind der stahlgewordene Ausdruck einer Ego-Gesellschaft. Anders ist nicht zu erklären, wieso ihre Verkaufszahlen trotz des schlechten Images steil nach oben gehen. Erst ich, dann alle anderen.
Ist das hier also ein Plädoyer für radikale Maßnahmen gegen SUV? Ja. Für ein Verbot ihrer Nutzung in Innenstädten? Ja, klar. Oder wenigstens für eine höhere Besteuerung? Ja, auch. Für den kompletten Umbau der Innenstädte auf eine Infrastruktur mit weniger oder gar keinen Autos? Sowieso.
Aber weil das alles eh nicht so schnell kommen wird, ist dies vor allem ein Plädoyer an alle Autofahrer, einmal innezuhalten. Nachzudenken. Und sich die Frage zu stellen, wie sie weiterleben wollten, wenn sie mit ihrem Fahrzeug so einen Horrorcrash verursacht hätten. Das kann Ihnen nicht passieren? Ja, das hat der Porsche-Fahrer von Berlin sicher auch gedacht.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens