Graichen entlassen nach Trauzeugen-Affäre: Immer neue Ungereimtheiten
Graichen verliert seinen Posten als Staatssekretär. Habeck begründet die Entscheidung mit einem Verstoß gegen Compliance-Regeln. Auch der Kanzler hat sich geäußert.
Graichen solle in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Habeck verwies auf neue Ungereimtheiten – konkret nannte er einen Verstoß gegen interne Compliance-Regeln. Dabei gehe es um eine geplante Förderung als Teil der nationalen Klimaschutzinitiative, bei der es eine Verbindung mit seiner Schwester gebe.
Empfohlener externer Inhalt
Habeck zum Graichen-Abgang
Graichens Trauzeuge war als neuer Chef der staatlichen Deutschen Energie-Agentur ausgewählt worden. Graichen war dabei am Vorauswahlprozess beteiligt und hatte die Beziehung zunächst nicht transparent gemacht. „Menschen machen Fehler“, sagte Habeck. Es seien hier aber zu viele passiert. Ein Nachfolger solle so schnell wie möglich gefunden werden, idealerweise noch vor der parlamentarischen Sommerpause.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat zurückhaltend auf die Entscheidung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reagiert, sich von seinem Staatssekretär Patrick Graichen zu trennen. Er sei „heute“ darüber informiert worden und habe das zur Kenntnis genommen, sagte Scholz am Mittwoch am Rande des Gipfeltreffens des Europarats in der isländischen Hauptstadt Reykjavik auf Nachfrage. „Mit Herrn Graichen selbst habe ich gut zusammengearbeitet und ich gehe davon aus, dass der Wirtschaftsminister jetzt seine Arbeit mit voller Kraft fortsetzt.“ Auf weitere Nachfrage, ob der Schritt zu spät gekommen sei, ging der Kanzler nicht ein.
Nach einer gemeinsamen Befragung in den Ausschüssen für Energie sowie Wirtschaft und Klimaschutz am vergangenen Mittwoch hatte Habeck noch an Graichen festgehalten. „Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss“, hatte der Minister nach der rund zweieinhalbstündigen Sitzung erklärt. Es laufe nun allerdings eine beamtenrechtliche Prüfung, denn gegen Vorgaben des Wirtschaftsministeriums sei „erkennbar verstoßen worden“.
Oppositionsvertreter hatten sich nach der Sitzung unbeeindruckt gezeigt und weitere offene Fragen gesehen. Auch Graichens Rücktritt wurde mehrfach gefordert. Vertreter der CDU/CSU hatten auch einen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht.
Kritik gibt es auch da schon an personellen Verflechtungen im Wirtschaftsministerium. Graichens Schwester, verheiratet mit dessen Staatssekretärs-Kollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch ihr Bruder beim Öko-Institut – einer Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. Das Ministerium betont, Kellner und Graichen seien nicht an Ausschreibungen beteiligt gewesen, auf die sich das Öko-Institut hätte bewerben können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite