Gasknappheit in Deutschland: Für's Klima kein Problem
Kohle statt Gas? Unter'm Strich ist das für Umwelt nicht schädlicher. Zudem erhöhen die Preise den Druck zum Umstieg auf Alternativen.
F ür viele Verbraucher*innen bedeutet die drohende Gasknappheit ernste Schwierigkeiten. Schon die Reduktion der Lieferungen aus Russland hat die Gaspreise im Großhandel deutlich steigen lassen; sollte Putin das Gas komplett abdrehen, droht ein weiterer Preissprung. Wer keine bösen Überraschungen erleben will, sollte nach Möglichkeit schon jetzt Geld zurücklegen, denn mit etwas Verzögerung wird sich dieser Anstieg auch in den Rechnungen der Verbraucher*innen niederschlagen, und zwar deutlich.
Für den Klimaschutz ist die aktuelle Entwicklung dagegen, anders als in der politischen Debatte oft dargestellt, kein großes Problem. Zwar trifft es zu, dass in der nächsten Zeit die Nutzung von Gaskraftwerken zur Stromerzeugung reduziert wird und dafür ältere Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben. Doch erstens sind die Strommengen, um die es dabei geht, relativ gering. Und zweitens ist die lange gültige Annahme, dass Gaskraftwerke fürs Klima deutlich besser sind als Kohlekraftwerke, durch neue Studien überholt.
Denn beim Verstromen von Gas entsteht zwar weniger CO2 als bei der Kohlenutzung. Doch wenn man berücksichtigt, dass bei der Förderung und dem Transport von Erdgas erhebliche Mengen des extrem klimaschädlichen Methans in die Atmosphäre gelangen, schrumpft der Klimavorteil von Erdgas oder verschwindet – je nach Art der Gasförderung – sogar komplett.
Während der Ersatz der Gaskraftwerke also allenfalls eine geringe Verschlechterung der Klimabilanz bedeutet, dürfte sich diese an anderer Stelle deutlich verbessern. Denn die hohen Energiepreise erhöhen fast überall den Druck, den Verbrauch zu senken und auf Alternativen umzusteigen. In der Industrie sorgen die gestiegenen Kosten dafür, dass plötzlich viele Effizienzmaßnahmen rentabel werden, auf die die Unternehmen bisher verzichtet haben.
Mieter*innen und das Klima gleichermaßen schützen
Die aktuellen Benzin- und Dieselpreise machen den Verbrennungsmotor im Vergleich zum E-Auto so unattraktiv, dass es fast egal erscheint, ab wann neue Verbrenner verboten werden. Und Gasrechnungen, die auf das 3- bis 5-Fache des bisherigen Werts steigen, dürften auch jene Hausbesitzer*innen vom Vorteil einer Wärmepumpe oder einer energetischen Sanierung überzeugen, denen der Klimaschutz allein als Argument dafür bisher nicht ausreichte.
Ein Problem gibt es vor allem bei Mietwohnungen, in denen die Bewohner*innen die hohen Energiepreise bezahlen müssen, aber keinen Einfluss auf die Art der Heizung und die Dämmung des Gebäudes haben. Hier muss der Staat mit klaren Vorgaben eingreifen, um den Bedarf an fossiler Energie zu senken – und damit Mieter*innen und Klima gleichermaßen zu schützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste