FDP will bei Hartz IV massiv kürzen: Rotstift bei den Ärmsten

Berichten zufolge will Christian Lindner Gelder für Langzeitarbeitslose einsparen. SPD und Grüne reagieren verhalten.

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Will bei den Ärmsten sparen: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Foto: Michele Tantussi/reuters

BERLIN taz | Geht es nach dem Finanzministerium von Christian Lindner (FDP), soll die Bundesregierung nächstes Jahr rund 600 Millionen Euro bei Leistungen für Hartz-IV-Bezieher:innen einsparen. Der Entwurf des Ministeriums für den Bundeshaushalt 2023 sieht vor, das Geld bei Hilfsleistungen zu kürzen, mit denen Langzeitarbeitslose zurück in einen Job finden sollen: dem sogenannten sozialen Arbeitsmarkt. Statt 4,8 stünden dann nur noch 4,2 Milliarden Euro dafür zur Verfügung. Der Spiegel hatte zuerst über die Kürzung berichtet und auch Pläne öffentlich gemacht, wonach das Budget für solche Hilfsangebote in den Jahren nach 2023 noch weiter sinken soll.

Hintergrund der geplanten Einsparung ist wohl, dass Lindner im nächsten Jahr die Schuldenbremse wieder in Kraft setzen will. Dann gelten strikte Obergrenzen für die Höhe der Schulden, die Deutschland aufnehmen darf. Nachdem in diesem Jahr noch Kredite in Höhe von rund 140 Milliarden Euro aufgenommen wurden, muss der Bund nächstes Jahr dann mit deutlich weniger auskommen. Gespart werden soll nach den Plänen des Finanzministeriums dann bei den Ärmsten.

Der 2019 eingeführte „soziale Arbeitsmarkt“ soll Langzeitarbeitslose dabei unterstützen, doch noch den Weg zurück ins Erwerbsleben zu finden: Stellen Arbeitgeber solche Personen ein, übernimmt der Bund in den ersten beiden Jahren die gesamten Gehaltskosten, in den folgenden drei Jahren immer noch große Anteile für die Arbeitgeber. Voraussetzung dafür ist, dass die Arbeitslosen seit mindestens sieben Jahren Hartz IV beziehen und vor besonders großen Hürden stehen, einen Job zu finden, etwa weil sie krank sind oder Schicksalsschläge erlitten haben. Derzeit hilft der Bund rund 40.000 Hartz-IV-Bezieher:innen auf diese Weise.

Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Jessica Tatti, sagte gegenüber der taz: „Kürzt die Ampel tatsächlich so massiv, dann ist der soziale Arbeitsmarkt tot.“ Der Plan des Finanzministers sei „eine Bankrotterklärung“. Und: „Wenn Grüne und SPD dem zustimmen, verspielen sie die letzten Reste ihrer sozialpolitischen Glaubwürdigkeit.“

Lindner ist mit seiner Hochzeit beschäftigt

Die Position des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter SPD-Minister Hubertus Heil blieb am Donnerstag unklar. Eine Sprecherin nannte den sozialen Arbeitsmarkt in einer Presserklärung „ein hocherfolgreiches Instrument, um Langzeitarbeitslose in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen“. Sozialminister Heil werde sich „weiterhin für eine aktive Arbeitsmarktpolitik und für eine entsprechende dauerhafte Mittelausstattung des sozialen Arbeitsmarkts starkmachen“.

Die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke sagte der taz: „Der soziale Arbeitsmarkt ist ein erfolgreiches Instrument. Wir haben für seine Einführung gekämpft und werden auch jetzt für seine Fortsetzung streiten.“ Es sei gut, dass „nicht der Bundesfinanzminister, sondern wir, der Bundestag, über den Haushalt entscheiden“.

Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, betonte am Donnerstag dagegen, dass im Haushalt „keine Leistungskürzungen“ für Langzeitarbeitslose geplant seien. Die Einsparungen bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen im Arbeitsmarkt kämen nur durch weniger Arbeitslose zustande. „Die Pro-Kopf-Förderung bleibt gleich“, sagte er.

Finanzminister Lindner wollte sich am Donnerstag nicht zu den Berichten äußern. Er feierte seine Hochzeit, in Keitum auf Sylt.

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