Empörung über Lesbenfestival-Programm: Frühling der Feindseligkeit

Das Lesben-Frühlings-Treffen findet an Pfingsten in Bremen statt. Das dortige Orga-Team wird wegen transfeindlicher Inhalte massiv kritisiert.

Eine Person mit Regenbogen-Socken und grünem Rock steht vor einem Zaun.

Niemand soll sich ausgeschlossen fühlen, ob trans* oder nicht Foto: Sharon McCutcheon/Unsplash

BREMEN taz | Als Opfer „einer beispiellosen Medienkampagne“ sieht sich das Orga-Team des Lesben-Frühlings-Treffens 2021 (LFT21). Das findet unter dem Titel­ „Rising to the Roots“ Ende Mai in Bremen statt, wenn auch digital.

Frau verwahre sich gegen „Vorhaltungen, Teile des Programms oder teilnehmende Referentinnen seien ‚faschistoid‘, ‚profaschistisch‘, ‚rechts‘, ‚menschen­verachtend‘, ‚rassistisch‘ und/oder ‚trans*feindlich‘“, heißt es in einer Pressemitteilung. An deren Schluss bedankt sich das Orga-Team „herzlichst bei den vielen FrauenLesben­ und Organisationen, die uns weiterhin unterstützen“.

Das allerdings werden fast stündlich weniger. Die Bundesstiftung Mag­nus Hirschfeld hat vor zehn Tagen den Anfang gemacht. Auch am Dienstag, 4. Mai hat ihr Vorstand noch einmal per Mail ans Orga-Team betont, das LFT21-Programm sei in Teilen „mit den zentralen Werten und Zielen der BMH unvereinbar“.

Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) hat ihre Schirmfrauschaft für das Diskursfestival, das traditionell am Pfingstwochenende stattfindet, annuliert. „Ich kann mit meiner Schirmfrauschaft nur eine Veranstaltung unterstützen, die alle Frauen mit einschließt und trotz kontroverser Diskussionen gemeinsame Kampflinien gegen patriarchale Strukturen sucht“, stellt sie klar.

Der Workshop „Lesbische Identität stärken“ will in AfD-Sprech junge „Lesben, die mit der Genderideologie aufgewachsen sind“, rekrutieren.

Susan Hawthorne erklärt trans Frauen zu „men who claim to be women“.

Im Workshop Lesbenphobie definieren die Referentinnen Lesbischsein nach ihren Vorstellungen: Sie gehören zur biologistischen Lesbengruppe Raddykes, die trans*Personen ihr Geschlecht abspricht.

Workshop Detransition: Einziges Angebot des LFT zur praktischen Geschlechtsangleichung ist diese Veranstaltung zu ihrer operativ-hormonellen Rücknahme.

Laut Magnus Hirschfeld-Stiftung konstruiert der Ankündiger von „Genderidentität anstatt Geschlecht“ trans*Personen als Bedrohung für Frauen.

Fantasy-Autorin Joanne K. Rowling fördert Angela C. Wild, die vom vermeintlichen Trend fabuliert, dass trans Aktivistinnen Sex mit Lesben durch Psychodruck erzwingen.

Fast die Gesamtheit der namhaften LGBTI-Organisationen hat sich von der Veranstaltung zurückgezogen: Der LesbenRing, der sogar einen eigenen Slot im Programm hatte – zurückgezogen. Abgemeldet haben sich Dyke* March Germany, die Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in Nordrhein-Westfalen, das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg der Bundesverband Trans*, das Spinnboden Lesbenarchiv und die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität.

Jetzt hat sich auch noch die Hannchen-Mehrzweck-Stiftung vom LFT21 distanziert. Die sponsert Veranstaltungen, die das schwule und lesbische Selbstbewusstsein in der Gesellschaft stärken. Am Wochenende hat sie in einer Stellungnahme ihr großes Bedauern darüber ausgedrückt, dass sie die finanzielle Förderung fürs mutmaßlich älteste lesbische Diskursfestival Europas nicht zurückziehen kann.

Die Zusage sei rechtsverbindlich erteilt worden, „bevor das Programm feststand“, heißt es in der online publizierten Stellungnahme. „Die Einladung produziert Ausschlüsse“, heißt es darin. Und der Eindruck, trans* Lesben würden von den Organisatorinnen abgelehnt, „verfestigt sich mit dem in Teilen trans*­pho­ben Programm“.

In den einschlägigen Online-Foren ist ein ziemlicher Sturm gegen das Bremer Orga-Team losgebrochen. „Wir sind davon überrollt worden“, sagt Susanne Bischoff. Die Sport- und Körpertherapeutin ist Vorstandsfrau im LFT-Trägerverein, der seinen Sitz in Northeim hat. Für die Bremer Ausgabe des Festivals ist sie die Ansprechpartnerin.

Sich selbst bezeichnet sie als „gestandene Lesbe“. Seit eh und je ist sie gegen rechts engagiert. „Ich kann ja fast nur noch wegziehen aus Bremen“, so empfinde sie derzeit die Prangerwirkung. Bischoff ist gebürtige Bremerin.

Die Kritik hält sie für verfehlt. „Das Thema Transsexualität bildet keinen Schwerpunkt auf dem LFT21“ sagt sie der taz. Das Konzept sehe „eine offene Diskussionskultur zu Themen“ vor, „die feministische FrauenLesben aus verschiedenen Positionen bewegen“. Immerhin wartet das Programm mit drei Panels, 36 Vorträgen und Workshops, zwölf Filmvorführungen und zehn Abendveranstaltungen auf. Die drei Tage vom 21. bis 23. Mai sind picke­packevoll.

„Die ganzen anderen Themen werden dadurch jetzt verdeckt“, moniert Bischoff. Geschichte der Lesbenbewegung, Reproduktionsmedizin, Genitalverstümmelung, das seien doch wichtige Themen. Da hat sie Recht.

Allerdings: Das Reizwort Verstümmelung kommt nur im Ankündigungstext einer jener Veranstaltungen vor, die von der Hirschfeld-Stiftung als offen transfeindlich klassifiziert werden und immerhin ein Sechstel des ganzen Festivals ausmachen: Gunda Schumann bezeichnet im Teaser zu ihrem Vortag „Transgender: Geschlechtergerechtigkeit passé?“ geschlechtsangleichende Operationen polemisch als „Sterilisierung und Verstümmelung“. Vor einem Jahr hatte die taz in Berlin ihr dafür eine Bühne bieten wollen. Die Kritik war intensiv, aber berechtigt.

Als „entsolidarsidierend“ hatte Michaela Dudley die Veranstaltungs-Idee bezeichnet – und in einem Kommentar im Magazin „Siegessäule“ dargelegt, warum hier nur Verletzung und gerade keine kritische Diskussion ermöglicht wird.

Das Lesben-Frühlings-Treffen existiert seit 1974, einen Vorläufer hatte es im Berlin der 1920er-Jahre gegeben, bis 1933. Seit 1979 wird es an wechselnden Orten veranstaltet. Bremen war 1992 und 2016 Ausrichterin. „Transfeindlichkeit ist kein neues Phänomen in der Szene“, erklärt Lara Ledwa. Ebenso wenig aber die Gegenströmung.

Ledwa hat an der Berliner Humboldt-Uni zur Geschichte der Lesbenbewegung in Deutschland geforscht – genauer: zu der in Westberlin, namentlich zum Lesbischen Aktionszentrum (LAZ), von dem aus in den 1970er-Jahren das Lesben-Frühlings-Treffen angestoßen wurde.

Wie evangelikale Sekten

„Es gab dazu immer wieder Auseinandersetzungen in den Lesbengruppen“, so Ledwa, die beim Spinnboden-Archiv arbeitet. Diskriminierungen seien stets „in den Gruppen thematisiert“ worden. Neu sei die globale Vernetzung transfeindlicher Positionen. Das erzeuge erhebliches mediales Echo. „Dadurch wird das zu einem gefährlichen Trend“, sagt sie.

Den das LFT befeuert: Auch beim „Ständemarkt“, wo das Treffen ein wenig Messe-Charakter haben soll, sind drei Organisationen präsent, die im Wesentlichen Trans*­se­xua­li­tät bekämpfen oder vorgeben, sie heilen zu können – ganz wie evangelikale Sekten die Homosexualität.

„Das ist für mich nicht vertretbar“, so Frauensenatorin Claudia Bernhard kurz nach Erscheinen des Programms. „Ich stehe für einen offenen Diskurs ein, der auch kontrovers über Themen diskutieren lässt, aber nicht explizit Personen ausschließt und trans*­feind­li­che Positionen vertritt.“

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