EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Perfider Quatsch
Das Bundesverfassungsgericht beschädigt mutwillig den Ruf der EZB – allein um sich selbst mit Bedeutung zu umwehen.
D as Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist verstörend. Ihm ist anzumerken, dass die Karlsruher Richter gaaaaanz wichtig sein wollen – und dafür gern bereit sind, die Europäische Zentralbank und den Europäischen Gerichtshof zu beschädigen.
Die Richter hatten zu bewerten, ob die Europäische Zentralbank Staatsanleihen ankaufen darf, um die Zinsen nach unten zu drücken. Konkret ging es dabei um 2,1 Billionen Euro, die die EZB zwischen 2015 und 2019 ausgegeben hatte, um die Wirtschaft in der Eurozone anzukurbeln.
Gegen dieses Kaufprogramm hatten die deutschen Richter nicht viel einzuwenden. Aber einfach nicken wollten sie auch nicht, sondern setzten sich maximal in Szene. Bedeutungsschwer dekretieren sie, dass die Kaufprogramme teilweise nicht verfassungsgemäß seien.
Diesem schweren Vorwurf folgte eine erstaunlich lächerliche Begründung: Die EZB hätte die „Verhältnismäßigkeit“ ihrer Maßnahmen nicht dargelegt. Sie hätte nicht ausreichend begründet, was ihre Beschlüsse für Aktionäre, Mieter, Immobilienbesitzer, Sparer und Versicherungsnehmer bedeuten würden. Dieser Vorwurf ist abwegig. Die EZB ist permanent damit beschäftigt, die makroökonomischen Folgen ihrer Geldpolitik abzuschätzen.
Ökonomischer Nationalismus
Im Kern verlangt das Bundesverfassungsgericht also, dass die EZB bei allen Analysen das Wort „verhältnismäßig“ hineinklebt. Leider ist dieser Quatsch nicht lustig, sondern perfide: Das Bundesverfassungsgericht beschädigt mutwillig die Reputation der EZB, um sich selbst mit Bedeutung zu umwehen.
Genauso rabiat gehen die Karlsruher Richter mit dem Europäischen Gerichtshof um, der im Dezember 2018 befunden hatte, dass die EZB-Ankäufe in Ordnung seien. Dieses Urteil sei „willkürlich“, behauptet das Bundesverfassungsgericht – und signalisiert damit erneut, dass die oberste Deutungshoheit in Karlsruhe zu residieren hat.
Das Bundesverfassungsgericht war schon immer ein Spiegel der deutschen Gesellschaft. Momentan spiegelt es den ökonomischen Nationalismus, der hierzulande grassiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört