piwik no script img

Frontex „Operation-Poseidon“: November 2019, Küstenwache vor der Insel Lesbos Foto: Murat Tueremis/laif

Die Rolle von Frontex im GrenzregimeEuropas Zielkonflikt

Grenzen dicht halten und gleichzeitig die Menschenrechte wahren. An diesem Auftrag scheitert Frontex regelmäßig, wie interne Dokumente zeigen.

V errostete Gitterstäbe, eine schimmelige Backsteinwand, Müll und Bauschutt auf dem Boden, mittendrin acht junge Männer. Ohne Wasser, ohne Nahrung, eingesperrt wie in einem Viehverschlag warten die Flüchtlinge darauf, von der Polizei in die etwa 40 Kilometer entfernte Türkei zurückgebracht zu werden. Die käfigartige Baracke befindet sich in Sredez, im Süden Bulgariens, direkt neben der dortigen Polizeistation.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Recherche-NGO Lighthouse-Reporting veröffentlichte Mitte Dezember Aufnahmen mehrerer solcher „Black Sites“ – Geheimgefängnisse, in denen Flüchtlinge entlang der EU-Außengrenze vor einer Abschiebung eingesperrt werden.

Alles daran ist illegal: die Bedingungen der Internierung, die Einrichtung als solche, die dabei stattfindenden Misshandlungen, die Abschiebung ohne Asylverfahren.

Mittendrin: die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Wiederholt besuchten die Lighthouse-Rechercheure den Ort in Sredez – und fotografierten „dreimal Autos mit Frontex-Marken, die nur wenige Meter vom Käfig entfernt geparkt waren“, heißt es in ihrem Bericht. Interne Dokumente zeigten, dass in Sredez „zehn Frontex-Beamte im Rahmen der Operation ‚Terra‘, der größten Landoperation der Agentur, stationiert sind“.

Es wird ermittelt

Die kündigte nach der Veröffentlichung Ermittlungen an: „Frontex geht jedem Hinweis über mutmaßliche Grundrechtsverletzungen ernsthaft nach“, sagte ein Sprecher.

Geflüchtete eingesperrt in einer Baracke auf dem Gelände einer Station der bulgarischen Grenzpolizei Foto: Lighthouse Reports

Ermittelt wird auch von anderer Seite: Am Freitag berichtete der Spiegel, dass die EU-Antibetrugsbehörde OLAF einmal mehr gegen Frontex – und dabei nun auch gegen die Interimsdirektorin Aija Kalnaja ermittelt.

Die Grenzschutzagentur ist, typisch für Sicherheitsbehörden, notorisch intransparent. Seit Jahren aber verschaffen sich Journalist:innen, Wis­sen­schaft­le­r:in­nen und NGOs über Informationsfreiheitsgesetze interne Frontex-Dokumente. Die NGO Frag den Staat (FDS) hat nun rund 4.100 dieser Dokumente in einer Datenbank zusammengeführt und verschiedenen Medien, darunter die taz, zugänglich gemacht.

Die interessanten Stellen sind vielfach geschwärzt, doch in ihrer Gesamtschau zeigen die Dokumente, welchen Logiken die Frontex-Führung folgt. Und dass die eigenen Frühwarnsysteme – das „Konsultativforum“ und die Grundrechtsbeauftragte – trotz ihrer völlig unzureichenden Ausstattung ihre Aufgabe immer wieder erfüllt haben. Doch die Agentur hatte andere Prioritäten als ­Menschen- und Flüchtlingsrechte.

Schon 2015, so zeigen die Dokumente beispielsweise, wurde Frontex darüber informiert, dass ein afghanischer Flüchtling in Sredez durch einen „Warnschuss“ eines bulgarischen Grenzschützers erschossen wurde. Die Agentur legte einen „Vorfallsbericht“ an – und beließ es dabei. In jener Zeit war Frontex mit 170 Beamten in der Grenzregion präsent.

Der frühere Direktor

Um das Image von Frontex ist es schlecht bestellt. Was lange nur antirassistische Initiativen interessierte, ist im Laufe der Jahre ins öffentliche Bewusstsein eingesickert: Die EU-Agentur verletzt Menschenrechte, um die Grenzen dicht zu halten. Durch die Geschichte der Agentur ziehen sich seit ihrer Gründung im Jahr 2004 Skandale, aber seit einiger Zeit finden diese auch in großen Medien Widerhall oder werden von diesen überhaupt erst enthüllt.

Weil Frontex in Pushbacks in Griechenland verwickelt war, musste der letzte Frontex-Direktor, der Franzose Fabrice Leggeri, im April 2022 zurücktreten, ei­ne:n Nach­fol­ge­r:in gibt es noch nicht. Seit 2021 blockiert das EU-Parlament die sogenannte Haushaltsentlastung für die Agentur, zuletzt per Votum am 18. Oktober. „Seit Jahren missbraucht Frontex Steuergelder, um Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen zu vertuschen“, sagte die Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst.

Leggeri hat Vorwürfe stets zurückgewiesen und dabei vielfach gelogen. Die FDS-Dokumente zeigen nun: Der Frontex-Direktor war über Jahre immer wieder aus dem eigenen Haus darüber informiert worden, dass die Agentur auch dort aktiv war, wo EU-Staaten Flüchtlingsrechte systematisch missachteten und sie sich deshalb hätte zurückziehen müssen.

Gleichzeitig ist die Agentur in der paradoxen Lage, dass ein Teil der EU-Staaten – etwa Polen und Kroatien – heute Frontex-Einsätze auf ihrem Territorium ablehnen, weil sie Störungen bei der eigenen, illegalen Pushback-Praxis fürchten.

An der ungarisch-serbischen Grenze

Ein Beispiel für die Ignoranz von Frontex gegenüber Warnungen hinsichtlich der Menschenrechte ist der Einsatz in Ungarn. Auch von dort veröffentlichte Lighthouse erst in der vergangenen Woche Aufnahmen von „Black Sites“ Sie zeigen Schiffscontainer, aufgestellt an der Grenze zu Serbien. Auch dort werden dem Bericht zufolge Flüchtlinge ohne Essen und Wasser festgehalten und manchmal mit Pfefferspray angegriffen, bevor sie in Gefängnisbussen abgeschoben werden.

Ungarn ist ein Vorreiter beim Abbau der Flüchtlingsrechte. 2015 richtete das Land zur Internierung sogenannte Transitzonen an den Außengrenzen ein, die nur „rückwärts“ – also wieder zurück nach Serbien – verlassen werden konnten. Teilweise gab es dort kein Essen, und NGOs wurde verboten, welches zu verteilen. Ungarn setzte darauf, Flüchtlinge so schlecht zu behandeln, dass die sogenannten Dublin-Rücküberstellungen aus anderen EU-Staaten nach Ungarn schließlich verboten wurden. Und weil fast alles, was Orbán sich dafür ausgedacht hatte, gegen EU-Recht verstieß, wurde Ungarn mehrfach dafür verurteilt.

Doch Frontex blieb im Land. Dabei schrieb die eigene Frontex-Grundrechtsbeauftragte In­ma­culada Arnáez bereits im Oktober 2016, dass die zur Abschiebung aus der „Transitzone“ „eingesetzten Zwangsmaßnahmen (etwa Schläge, Hundebisse, Pfefferspray)“ zu „Vorfällen geführt haben, die das Recht auf Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Recht auf Unversehrtheit der Person und das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gefährden.“ Arnáez verwies auf vielfache entsprechende Berichte, unter anderem des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.

Drei Wochen später schrieb auch das frontexeigene Konsultativforum, eine Art Menschenrechtsbeirat: Könne die Agentur nicht garantieren, dass die Flüchtlingsrechte gewahrt werden, empfehle es, „die operativen Aktivitäten an der ungarisch-serbischen Grenze auszusetzen.“

November 2022: Mi­gran­t:in­nen werden von serbischen Grenzpolizisten festgehalten Foto: Serbian Ministry of Interior/ap

Leggeri wies das zurück. In einem Brief vom 1. Februar 2017 schrieb er dem Konsultativforum, dass die Mission in Ungarn nicht beendet werde. Es gebe „nur einen einzigen Fall“, in dem Misshandlungen „im Rahmen der von Frontex koordinierten Aktivitäten“ stattgefunden haben sollen. Die Untersuchung dazu hätten die ungarischen Behörden eingestellt, denn es gebe „keine Anzeichen für einen Verstoß gegen das Gesetz“. Frontex habe sich also nichts zuschulden kommen lassen und bleibe vor Ort, so Leggeri. Ganz glaubte er das offenbar selbst nicht. Denn zu jener Zeit, auch das zeigen die FDS-Dokumente, ordnete er an, dass die entsandten Frontex-Grenzschützer keine gemeinsamen Patrouillen mit ungarischen Soldaten, sondern lediglich mit Grenzpolizisten durchführen und sich nicht an „Aktivitäten“ innerhalb der Transitzonen beteiligen sollten.

Wegschauen und lavieren

Dieses Lavieren hat mit dem Auftrag von Frontex zu tun. In den Rechtsgrundlagen dazu ist die Rede vom „Schutz der Außengrenzen“, von „entschlossenem Handeln zur Verhinderung irregulärer Migration“ oder der „Verhinderung unerlaubter Grenzübertritte“. Offiziell erlaubt ist dabei sehr vieles, was verhindern soll, dass Menschen überhaupt bis an die EU-Grenzen gelangen. Sehr viel unklarer aber ist, was geschieht, wenn das nicht gelingt. Nirgendwo in den Beschreibungen des Auftrags von Frontex steht, dass potenziell Schutzbedürftige nicht über die Grenze gelassen werden sollen. Denn das wäre vom EU-Recht nicht gedeckt. Vielen EU-Staaten geht es aber genau darum. Und die EU stützt dies: „Trotz dieser anhaltenden Bedenken hinsichtlich der Art und Weise, wie Ungarn seinen Grenzkontrollverpflichtungen nachkommt, bin ich der festen Überzeugung, dass Frontex seine Operationen in Ungarn fortsetzen sollte“, schrieb ein Vertreter der EU-Kommission am 23. Dezember 2016 an Leggeri.

Im Wesentlichen führt das zu zwei Situationen. Die eine ist, dass Staaten auf das EU-Recht pfeifen, Flüchtlinge zurück über die Grenze prügeln und sich dabei von Frontex nicht stören lassen wollen. So wie Polen und Kroatien. Dann hat die Agentur Glück, denn es ist nicht ihr Problem. Ihr Pech ist gleichzeitig, dass sie dabei überflüssig wird.

Die andere Situation ist, dass Frontex vor Ort ist. Dann könnte, ja müsste sie eingreifen, Menschenrechtsverletzungen unterbinden – dazu ist die Agentur jedenfalls laut eigenem Mandat verpflichtet. Oder sich zurückziehen. Wie aus Ungarn. Das aber hat sie in der Vergangenheit nicht getan, sondern weggeschaut oder mitgemacht.

Im Dezember 2020 entschied der Europäische Gerichtshof: Ungarns Asylregeln verstoßen gegen EU-Recht. Das Land hat gegen die Pflicht, Asylanträge zu ermöglichen, gehandelt. Außerdem seien die Pushbacks nach Serbien rechtswidrig. Es war genau das, was die frontexeigenen Gremien schon Jahre zuvor festgestellt hatten.

Leggeri aber reichte das immer noch nicht. Sechs Wochen später, am 19. Januar 2021, insistierte Arnáez erneut: In einem Brief an Leggeri empfiehlt sie, „die operativen Maßnahmen an den Landgrenzen in Ungarn „auszusetzen oder zu beenden (…), da es immer wieder zu schweren Grundrechtsverletzungen kommt“.

Erst eine Woche später stoppt Frontex seine Ungarn-Mission – allerdings nur „am Boden“, wie Sprecher Chris Borowski sagte. Hinter der eigentümlichen Formulierung verbarg sich der Umstand, dass Frontex bis heute, entgegen der Forderung des Grundrechtsbeauftragten, aus Ungarn abschiebt – nur eben nicht direkt über die Grenze nach Serbien.

Arnáez hatte Frontex immer wieder vor Grundrechtsverstößen an vielen Orten gewarnt. Die spanische Juristin war der Agentur 2012 als Grundrechtsbeauftragte beigeordnet worden. Die FDS-Dokumente zeigen, wie schwer sie es hatte. In einem 123-seitigen Bericht der EU-Betrugsbekämpfungsbehör­de OLAF ist seitenweise von Schikanen gegen Arnáez die Rede. In internen Nachrichten wurde sie demnach als „Diktatorin“ verächtlich gemacht, die durch „Khmer Rouge Terror“ in der Agentur herrsche und mit NGOs gegen diese arbeite. Material wurde als „Geheimsache“ eingestuft, sodass Arnáez es nicht ansehen konnte. Ihre Stelle wurde schon 2019, ein Jahr vor Ende ihrer Amtszeit, neu ausgeschrieben. Vor allem aber wurde der Posten so umklassifiziert, dass Arnáez praktisch von einer erneuten Bewerbung ausgeschlossen war. Den Frontex-Verwaltungsrat umging Leggeri dabei schlichtweg.

Für ihn scheint Arnáez ein Störfaktor gewesen zu sein. Ungarn war nicht das einzige Land, über das sie kontinuierlich Berichte zu möglichen Menschenrechtsverletzungen schrieb. In Bulgarien und vor allem Griechenland häuften sich diese, vor allem im Zusammenhang mit den Pushbacks, in denen Frontex immer tiefer drinsteckte. Ausschlag für Leggeris Rücktritt gab im April ein Bericht des Spiegels über frisierte Einträge in einer internen Frontex-Datenbank namens „Jora“. Darin wurden demnach Frontex-Einsätze gegen Flüchtlingsboote in der Ägäis falsch verortet. Diese hatten sich tatsächlich in griechischen Hoheitsgewässern abgespielt, in der Datenbank seien sie aber türkischen Gewässern zugeordnet worden, um nicht als Pushbacks erkennbar zu sein.

Leggeri tönte damals trumpesk: „Ich gebe mein Amt zurück, weil es aussieht, als ob das Frontex-Mandat, für das ich gewählt wurde, leise, aber effektiv verändert wurde.“ Tatsächlich ging er, weil Frontex unter seiner Führung nicht nur immer mächtiger wurde, sondern immer systematischer Flüchtlingsrechte mit Füßen getreten hat – und dabei immer öfter erwischt wurde. Das zeigte auch, dass Frontex sich einer demokratischen Kontrolle letztlich nicht zu entziehen vermochte: Die eigenen Institutionen warnten, Medien berichteten und das EU-Parlament handelte. Diese funktionierenden Mechanismen wiederum führen zu der seltsamen Situation, dass manche EU-Staaten Frontex heute deshalb nicht im Land haben wollen und einen Einsatz auf ihrem Territorium verweigern. Sie halten die Grenze lieber allein dicht – die Agentur gilt ihnen als Störfaktor bei Pushbacks und anderen Verletzungen der Flüchtlingsrechte. Denn wo Frontex ist, schauen Medien genauer hin und EU-Institutionen mischen sich ein.

Polen zum Beispiel brüstet sich damit, zwischen August 2021 und Februar 2022 etwa 39.000 „versuchte irreguläre Grenzübertritte“ aus Belarus „abgewehrt“ zu haben. Dem EU-Recht folgend hätte Polen ihnen die Möglichkeit geben müssen, einen Asylantrag zu stellen. Die Kommission drängte darauf, Frontex an der Grenze zu Belarus einzusetzen. Das sei „eine gute Idee“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. „Aber natürlich ist es Sache der polnischen Regierung, das zu entscheiden.“ Doch die wollte nicht. Als Frontex-Chef Leggeri im Oktober 2021 die Grenze besuchte, zeigte er sich „beeindruckt“ von Polens Einsatz. Doch seine eigenen Leute wollte Polen nicht dabeihaben. Die massenhaften, völlig offen durchgeführten Pushbacks hätten diese vor ein unlösbares Dilemma gestellt.

Die Pushbacks

Dem Konsultativforum bereitete dieses Szenario Sorge. Laut einem Protokoll, das in den FDS-Dokumenten enthalten ist, äußerte das Gremium gegenüber Leggeri „Besorgnis über die häufig gemeldeten Pushbacks (…) an den Grenzen zu Weißrussland, und die Situation von Kindern.“ Leggeri sagte demnach nur, dass Polen „keine Unterstützung“ angefordert habe – außer der Hilfe bei Abschiebungen in die Herkunftsländer. Und der Bitte war die Agentur nachgekommen, obwohl mit Blick auf Polen „zunehmend die Sorge (besteht), dass die nationalen Rechtsvorschriften nicht mit dem EU-Recht übereinstimmen“, so Leggeri laut dem Protokoll.

Auch Kroatien entschied sich ab etwa 2017, massenhaft Flüchtlinge mit Gewalt zurück über die Grenze zu drängen, was vielfach durch Videos dokumentiert ist. Das Land wartete auf die – in der vergangenen Woche schließlich erteilte – Vollmitgliedschaft im Schengen-Raum. Dafür wollte und sollte es wohl auch die Balkanroute geschlossen halten. Kroatien hatte deshalb Frontex-Patrouillen 2017 beendet. Und so konnte Leggeri 2020 auf Anfragen seines Konsultativforums „zu erschütternden Berichten über systematische Pushbacks“ durch Kroatien schlicht antworten: „Wir haben keine solche Berichte bekommen.“

Und so ist es eine der absurden Wendungen, dass es da, wo Frontex nicht ist, heute teils noch brutaler zugeht. Die Dokumente zeigen, dass mit Frontex eine europäische Polizei geschaffen wurde, die sich nur rhetorisch zu Grundrechten bekennt. De facto aber unterstützt sie immer wieder Staaten beim Bruch europäischen Rechts. Erst am Mittwoch veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht, laut dem Frontex seine Drohnen und Flugzeuge im Mittelmeer einsetzt, um der libyschen Küstenwache die Koordinaten von Flüchtlingsbooten zu verschaffen. Die werden dann auf dem Meer eingefangen und zurück nach Libyen gebracht – tausendfach. Dabei ist es EU-Staaten verboten, selber nach Libyen abzuschieben.

Dass die EU ihr eigenes Recht an ihren Grenzen nicht durchsetzt und die eigenen Institutionen nicht konsequent zu dessen Einhaltung verpflichtet, ist eine der großen Krisen des Rechtsstaats in Europa. Dabei kann die Kommission bei Menschenrechtsverstößen Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Und das deutsche Bundesinnenministerium etwa kann von sich aus prüfen, ob Frontex-Einsätze der Bundespolizei beendet werden müssen, wenn die nationalen Grenzpolizeien gegen das EU-Recht verstoßen. Doch auf eine entsprechende Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Clara Bünger antwortete die Bundesregierung am Donnerstag, sie sehe „keinen Anlass für einen Rückzug deutscher Beamtinnen und Beamten aus dem Frontex-Einsatz in Griechenland“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

26 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • @FURTH IM WALD

    Sie haben ja keine Ahnung ;-P

    (übrigens: im anderen Fall kenne ich die Sache als ausländischer Mitbürger tatsächlich von innen).

  • Was soll die Aufregung?



    Hier werden die "Europäischen Werte" dokumentiert. Es geht um Wohlstand - unseren wohlgemerkt. Sonst nix...

    • @Perkele:

      Welcher Wohlstand?

  • Das ist eine widerliche Geschichte. Das schlimmste daran ist, dass sich auch noch die Erzählung verfestigt, dass "Menschenrechte schön und gut, aber... leider, leider können ja nicht alle kommen".

    Zwischen den Zeilen finde ich diese Erzählung ungefähr fünf mal in diesem Forum.

    Furchtbar.

    • @tomás zerolo:

      Dass nicht alle kommen können die wollen dürfte doch auch Ihnen klar sein.



      Wenn dem so wäre dann bräuchte es ja gar keine Grenzen und kein Asylrecht mehr, weil ja dann jeder der will hier oder dort sich niederlassen kann.



      Für Kost und Logis wird dann schon gesorgt.



      Wie haben SIe kürzlich ohne Argumentation einem Foristen geantwortet?



      "Sie haben ja keine Ahnung" und fertig.



      Lösungsvorschläge konnte man ihrerseits hier noch nie entnehmen. Entweder Ihnen wird schlecht oder alles ist widerlich.

  • Das lässt sich doch recht leicht auflösen. Nur die Lösung würde Ihnen ja auch wieder gefallen.

    Einfach den Sozialstaat abschaffen und Frontex auch.

    • @insLot:

      und in Deutschland einen Bürgerkrieg anfangen und Hungerkriesen erzeugen!

      Wenn es hier noch schlimmer ist als im Rest der Welt, will keiner mehr hier Schutz suchen!

      Mal im ernst....

      Glauben Sie wirklich die Menschen kommen alle nach Europa, weil Sie es in Europa so toll finden?

      Ist Ihnen eventuell mal der Gedanke gekommen, dass die meisten Menschen gerne in Ihrer Heimat leben?

      Menschen fliehen nicht, weil sie es "geiler" haben wollen, sondern weil Sie am Fluchtort nicht mehr leben können.

      Die Menschen leben lieber unter einer Brücke in Deutschland und arbeiten schwarz oder schagen sich andersweitig durch. Das wäre alles besser und menschenwürdiger als die aktuellen Capms an den EU Außengrenzen.

      Das Sie glauben das deutsche "Sozial"systhem entschiede darüber ob Menschen vor Krieg und Hunger fliehen, zeigt bloß ihre tief sitzende Verachtung für Arme und Bedürftige, nichts weiter.

      • @Obscuritas:

        „ Menschen fliehen nicht, weil sie es "geiler" haben wollen, sondern weil Sie am Fluchtort nicht mehr leben können.“

        Wenn das so wäre hätten wir doch massive Flüchtlingsströhme. Es kommen aber vermehrt Menschen aus den dortigen Mittelschichten die sich vor allem eines Wünschen: ein besseres Leben.

        „ Das Sie glauben das deutsche "Sozial"systhem entschiede darüber ob Menschen vor Krieg und Hunger fliehen, zeigt bloß ihre tief sitzende Verachtung für Arme und Bedürftige, nichts weiter.“

        Was haben logische Schlussfolgerungen mit Verachtung zu tun? Sollen die Menschen ihr Hirn abschalten? Ich kann diese Art von Argumentation nicht mehr hören.

      • @Obscuritas:

        Sie haben Recht, unser Sozialsystem entscheidet nicht darüber ob Menschen fliehen. Es kann aber eine Rolle dabei spielen wohin Menschen fliehen.

  • Es ist von einer Reihe von Staaten bekannt, dass sie durchaus Gesetze und Verfassungsgarantien haben (z.B. Meinungsfreiheit), die sie keineswegs einhalten. Diese Staaten werden von der EU kritisiert.

    Derweil lässt die EU Menschen illegal aufs Meer schieben, ggf. dort ertrinken, misshandeln oder sie in libysche Folterlager transportieren.

    Die Verantwortlichen schauen weg und wollen nicht wissen, was passiert. Sie müssen sogar gezwungen werden, eigene Untersuchungsberichte zu lesen.

    Dabei ist dies kein Einzelfall, sondern Systematik.

    Ein Grund dafür ist, dass das Anliegen an sich, Europa vor Geflüchteten abzuschotten unter Einhaltung der Menschenrechte, nicht möglich ist.

    In einer Welt, in der durch Klimawandel und Kriege Menschen sich auf die Flucht begeben, kann es kein Land geben, dass die Menschenrechte einhält und sich abschottet. Beides geht nicht.

    Die Situation wird sich durch die Vervielfachung der Anzahl der Klima-Flüchtlinge massiv verschärfen.

    Das, was sich jetzt an Europas Grenzen abspielt, dürfte nur das Vorspiel dessen sein, was noch kommt.

    Womöglich werden Brutalität und Rechtsbruch so offen werden, dass die künftigen Abschotter:innen nicht mehr von Menschenrechten, sondern von Inländerrechten sprechen. Das beschreibt bereits heute die Situation recht gut.

  • Wir sollten uns mal überlegen was wir haben wollen.



    Menschenrechte gelten per Definition für alles was Mensch ist.

    Wenn wir Europäer verhindern wollen (ich will's nicht!), dass Asylsuchende ihren Asylantrag stellen dürfen oder wir Nichteuropäer vom Recht auf Menschenwürde, dem Recht auf Leben, auf Unversehrtheit der Person und vom Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausnehmen wollen, haben wir zwei Möglichkeiten:

    1. Aus der Europäische Menschenrechtskonvention ausscheiden, wie kürzlich Russland.



    2. Nur EU-Bürger zu Menschen deklarieren.

    Das wäre wenigstens ehrlich, rechtlich sauber und könnte demokratisch legitimiert werden (wobei ich dagegen stimmen würde).

    Was dagegen nicht geht: Sich wegen moralischer Werte und Rechtsstaatlichkeit feiern, und dann drauf scheißen und weder kontrollieren noch Verstöße sanktionieren.

    Dieser innereuropäische Konflikt wird sich wegen Klimawandel-Fluchtbewegungen in den nächsten Jahren ja noch deutlich verschärfen.



    Ich hoffe mal, dass unsere Armeen nicht deswegen hochgerüstet werden.

  • 6G
    650228 (Profil gelöscht)

    Natürlich gibt es solche Möglichkeiten. Die bisherige Auslegung von Art. 16a GG ist ja nicht in Stein gemeißelt. Das Bundesverfassungsgericht könnte zum Beispiel ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der "Aufnahmekapazität" (er-)finden oder im Wege der praktischen Komkordanz eine jährlich Obergrenze festlegen oder strengere Voraussetzungen an den Nachweis der Asylgründe verlangen usw.

    • @650228 (Profil gelöscht):

      Damit wäre dann auch der Weg geebnet Kapazitäts- und Obergrenzen für andere Grundrechte einzuführen.

  • Aufgabe von Frontex ist keinesweg die Einhaltungs der Menschenrechte sondern das Fernhalten der Verstöße von den weißen Westen der Politiker.



    Und von deren Gewissen - sofern vorhanden.

  • Da haben sich ein paar Fehler eingeschlichen:

    "Tatsächlich ging er, weil Frontex unter seiner Führung nicht nur immer mächtiger wurde, sondern immer systematischer Flüchtlingsrechte mit Füßen getreten hat – und dabei immer öfter erwischt wurde. "

    Korrektur: Tatsächlich ging er , weil Frontex unter seiner Führung nicht nur immer mächtiger wurde, und auch nicht weil immer systhematischer Flüchtlingsrechte mit Füßen getreten hat .... SONDERN weil sie immer öfter bei letzterem erwischt wurden.

    Fehler 2

    "Dass die EU ihr eigenes Recht an ihren Grenzen nicht durchsetzt und die eigenen Institutionen nicht konsequent zu dessen Einhaltung verpflichtet,"

    Korrektur: Weil die EU Ihr eigenes Recht nicht einhalten möchte tun die eignenen Institutionen genau diesen nicht offen ausgesprichen Wunsch erfüllen. Es läuft alles wie gewünscht! Wie bestellt so geliefert. Alle wissen was passiert wenn etwas an die Medien gelangt sind alle schockiert und wenn es zu viel wird tritt mal jemand zurück. Aber die Menschentechtsverletzungen sind der gesammtem Europäischen Institution bekannt und werden mit immer mehr Milliarden finanziert!"

    Es ist lächerlich so zu tun als sei das was Frontex da macht nicht der eigentliche Auftrag von Frontex. Egal ist ob CDU/CSU Grüne, SPD, FDP an der Regierung sind alle diese Parteinen sind damit einverstanden.

    Fazit: es herrscht ein Breiter politischer Konsenz das es Menschen auf dieser Seite gibt und die haben Menschenrechte und dann gibt es die Menschen auf der anderen Seite, die haben halt keine oder nicht so viele.

    • @Obscuritas:

      Oh, vielen Dank für Ihre Klarstellung! Das meinte ich, als ich schrieb..."Was ich nichts mehr hasse, ist diese heuchlerische und verlogene "Wertekultur"..."

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Es nicht sinnvoll immer darüber zu berichten.



    Es müssen Lösungen her!



    Frage an die Autoren:



    Wie könnte diese aussehen? Wie wäre es machbar?

    • @06455 (Profil gelöscht):

      es ist so wie beim Kampf gegen den Klimawandel.

      Es ist nicht so, dass es keine Lösungen gäbe, daran mangelt es nicht.

      Es mangelt bei den Beteiligten am nötigen Willen diese umzusetzen.

  • Das Problem liegt doch eigentlich viel tiefer: Jeder Mensch hat das Recht auf Asyl. Es gibt aber viel mehr Menschen mit einem berechtigten Anspruch als wir jemals aufnehmen könnten.



    Das führt zu der paradoxen Situation dass wir von uns behaupten jedem dieses Recht zuzugestehen, es aber gleichzeitig so schwer wie möglich machen überhaupt erst einen Antrag stellen zu können.

    Eine Lösung kenne ich leider auch nicht.

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @CrushedIce:

      Kann Ihnen nur zustimmen!

  • Was ich nichts mehr hasse, ist diese heuchlerische und verlogene "Wertekultur". Und jetzt fehlt nur noch der alles übergreifende katholische Spannungsbogen, der von scheinheiligen Bibelsprüchen nur so strotzt..."An ihren Taten sollt ihr sie erkennen"...oder das Evangelium des Johannes: "An ihren Werken werdet ihr sie erkennen." In Thüringen gibt es sogar eine "Werteunion"...bedeutet nichts mehr als eine "Deutschland first"-Politik. "Möge der gute Gott uns alle lenken und beschützen!"



    ( Pistner - Chef der Werteunion) Wohin der gute Gott lenkt und schützt, sieht man jeden Tag!

  • Dichte Grenzen widersprechen ja auch dem Menschenrecht! Ich darf an die "Unrechtsstaaten" der Jahre 50-90 erinnern: DDR, China, Russland und zugehörige Staaten... etc.pp. Alle, die dichte Grenzen hatten, wurden als Staaten bezeichnet, die primitivste Menschenrechte missachteten. Dann kam einer dieser Staaten zu uns, und schwupps ist plötzlich das Gegenteil favorisiert. Fast so erstaunlich, wie die Wendehälse Grüne und SPD..... von der CSU sind wirs ja gewohnt....

    • @Jan Knapp:

      Sie übersehen geflissentlich, dass die „Unrechtsstaaten“ als solche bezeichnet wurden weil sie ihre Bürger nicht aus ihrem jeweiligen Land heraus gelassen haben (von Zuwanderung war keine Rede).

      Wann genau ist seit 1948 das Recht, in jedem beliebigen Land der Erde zu leben und gleiche Rechte auf Sozialleistungen etc. in Anspruch zu nehmen, zum Menschenrecht geworden?

      In welchem Land der Erde sehen Sie dieses „Menschenrecht“ bisher verwirklich?

  • Entschuldigung, aber "scheitert" Frontex daran, die Menschenrechte einzuhalten? Das ist ja wohl ein extremer Weichspüler. Offenbar haben sie überhaupt kein Interesse an den Menschenrechten, sofern sie geflüchtete Personen anderer Hautfarbe betreffen. So, wie es auch in Deutschland gehandhabt wird: UkrainerInnen haben sofort einen anerkannten Asyl-Status mit allen Rechten - ohne Prüfung. Während wir fleißig Menschen anderer Hautfarbe in ihre "sicheren" Herkunftsländer abschieben.

    Das Bomben von Krankenhäusern ist ganz schlimm, wenn es die Russen in der Ukraine tun. Wenn die Türkei Krankenhäuser von Kurden zerbombt? Who cares?

    Statt sich philosophische Gedanken über "Mohrenköpfe" zu machen und ob das Rassismus sei, sollte man lieber echten harten Rassismus bekämpfen. Und benennen. Die EU, Deutschland, Frontex sind Rassisten.

    • @Jalella:

      ganz genau.

      Frontex erfüllt seinen Auftrag im Namen der EU.

      Beim Iran käme ja auch niemand auf den Gedanken die Mullas als unschuldig für die Verbrechen der Sittenpolizei und co. zu erklären.

      Beste Beschreibung der EU die ich je gehört habe:

      Die EU ist nach innen hin demokratisch und nach außen hin autokratisch!

  • Morgen findet im Deutschen Theater Berlin eine Lesung zu diesem Thema statt, wird anschaulich, worum es geht:

    》Tatort Mittelmeer am 18 Dezember im Deutschen Theater Berlin.

    Prominente Schauspielende aus dem TV Krimiserien Tatort und Polizeiruf 110 lesen Berichte von Geretteten und Rettenden von SOS Humanity.

    Sie verleihen diesen ihre Stimme, um so auf die Menschenrechtsverbrechen und die humanitäre Notsituation von Flüchtenden auf dem Mittelmeer aufmerksam zu machen [...]《

    www.instagram.com/...gshid=YmMyMTA2M2Y=