Der Weg der Klimakonferenz: Warum ich trotz Bahn fliege
Schön wäre es, wenn ein Klimaredakteur zur Klimakonferenz nach Glasgow möglichst treibhausgassparend gelangen könnte. Leider unmöglich.
I ch hasse es, in ein Flugzeug zu steigen. Es dauert ewig, zum Flughafen zu kommen, man verwartet kostbare Lebenszeit am Gate, akzeptiert klaglos alle Verspätungen, kämpft sich durch dekadente Shoppingmalls und quetscht sich dann in einen Sitz, Arm an Arm mit schwitzenden Flugangsthasen. Dazu kommt noch das schlechte Essen, der schlechte Schlaf und das schlechte Gewissen wegen der Sauerei am Klima. Der kann man live zuschauen, wenn man aus dem Fenster auf die Turbinen blickt.
Warum sitze ich also in einem Lufthansa-Flugzeug nach Glasgow? Weil die Bahn mich dazu zwingt. Vor einem halben Jahr war ich beim Blick auf die DB-Website freudig überrascht: Hallo, von Berlin nach Glasgow kann man gut den Zug nehmen! Morgens gegen sechs los, umsteigen in Köln, Brüssel, London, abends da. Hurra! Schöne Erinnerungen wurden wach an die COPs in Paris, in Warschau, in Bonn, wo wir entspannt auf der Schiene ankamen.
BERNHARD PÖTTER leitet das Ressort Wirtschaft und Umwelt in der taz und schreibt über Klima- und Energiepolitik. Zuletzt erschien sein Buch "Ausweg Ökodiktatur? Wie unsere Demokratie an der Umweltkrise scheitert" (oekom Verlag, 2010).
Das Problem: Auslandsverbindung, nicht buchbar. Aha. Das mit dem Internet ist ja auch echt noch ganz frisch. Warum sollte man da eine Verbindung buchen können, die in einem fremden Land ein Umsteigen nötig macht. Beim Fliegen kein Problem, bei der Bahn schon. Nun gut, wozu gibt es den freundlichen Service am Bahnhof (keine Ironie hier!).
Nach 20 Minuten Anstehen am Fernbahnschalter kann mir der Kollege aber auch nur sagen: „Ich kann Sie nur bis London buchen. Umsteigen nach Glasgow geht nicht.“ Warum nicht? „Habe ich nicht im System“. Er sieht nicht mal die Verbindungen auf seinem Bildschirm, die ich auf meinem Smartphone im DB-Navigator finde. Wie gesagt, dieses Internet. Sein Rat: „Buchen Sie das von zuhause.“
Bahn vom COP-Ansturm überrascht
Zuhause klappt es aber auch nicht. Weil ich den Zug von London nach Glasgow nicht buchen kann. Warum nicht? Er ist voll. Inzwischen wollen alle zur COP. Offenbar hat es die britisch-schottische Bahn überrascht, dass da ein paar Leute im Anmarsch sind.
Nächste Überlegung: Am Abend vorher nach Köln. Morgens einen frühen Zug, um eine andere Verbindung in London … keine Chance. Ein Schlafwagen wäre noch drin. Als ich die Preise sehe, schlägt mein Gewissen als kostenbewusster Angestellter eines bitterarmen Verlagshauses Alarm.
Allein die Fahrt von London nach Glasgow ist so teuer wie … ich klicke auf die Angebote der Lufthansa. Selbst mit der Kompensation durch atmosfair (ich weiß, ich weiß, das ist nur die fünftbeste Möglichkeit!) ist Fliegen unschlagbar billig. Dazu in sieben statt in fast 40 Stunden. Nee, Leute, so geht das nicht.
Fazit: Die klimafreundliche Alternative hat keine Chance: Zu teuer, zu umständlich, zu langsam, zu sehr mir-doch-egal. Um das zu ändern, braucht es wohl dringend eine Klimakonferenz. Und dann auch noch das: Die Züge zwischen London und Glasgow werden am Freitag gestrichen, weil Unwetter zwei Brücken weggerissen haben. Um das in Zukunft zu verhindern, braucht es mehr als eine Konferenz. Nämlich Taten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch