Debatte um Leopard-2-Panzer: Scholz laviert bei Panzerfrage
Gibt Deutschland die Leos frei? Der Kanzler schweigt noch – und erntet dafür Kritik aus der eigenen Koalition und international.
Wird Deutschland Leopard-2-Kampfpanzer für die Ukraine freigeben oder nicht? Wie sieht die weitere militärische Unterstützung für das Land aus, das sich in einem brutalen Krieg mit Russland befindet? Zögerlichkeit, gar Versagen wurden Olaf Scholz vorgeworfen. Der Druck auf den Kanzler steigt, innerhalb der Ampelkoalition und von internationalen Partnern.
Große Erwartungen lagen am Sonntag auf einem Treffen in Paris von Scholz und dem französichen Präsidenten Emmanuel Macron. Beide bekräftigten in einer Rede anlässlich der Feierlichkeiten zum 60. Jubiliäum des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags, dass die EU ihre Unterstützung für die Ukraine gegen den russischen Aggressor fortsetzen werde. „Putins Imperialismus wird nicht siegen“, sagte Scholz.
Er und Macron forderten eine selbstbewusstere Rolle der EU in der Welt. Scholz sprach von einer noch größeren „Zeitenwende“ und davon, dass man sich kein „verzagtes Europa“ mehr leisten könne. Das französische und das deutsche Kabinett waren nahezu vollzählig nach Paris gereist, doch es blieb bei symbolischen Gesten.
Dabei hatte die eigenwillige Kommunikation der Bundesregierung in Sachen militärischer Aufrüstung an diesem Wochenende einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Anschluss an ein Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein am Freitag hatte der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sich sichtlich bemüht, den Eindruck aus der Welt zu schaffen, dass es eigentlich ein einheitliches Vorgehen der Allierten bei der Freigabe von Kampfpanzern gebe und nur Deutschland blockiere.
Dies sei falsch, so der SPD-Politiker, der gerade knapp 24 Stunden im Amt auf internationalem Parkett den Kurs der Bundesregierung vertreten sollte. Pistorius verkündete aber, dass er am Freitagmorgen seinem Haus den Auftrag erteilt habe, die Bestände der Leopard-Kampfpanzer zu prüfen.
Verschwundene Bestandslisten
Doch nur wenige Stunden später berichtete der Spiegel, dass es eine solche Bestandsliste bereits seit dem Frühsommer gebe. Demnach könnten 19 Leopard-Panzer entbehrt werden. Im zuständigen Ministerium gibt man sich auf taz-Anfrage bedeckt. Berichterstattung kommentiere man grundsätzlich nicht, so die Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums. Und verweist auf das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am Freitag in Ramstein.
Dort hatte Pistorius nicht nur aufgelistet, welches Kampfgerät bereits aus Deutschland geliefert wurde, von Flugabwehrsystemen bis zum Schützenpanzer Marder, sondern auch das Frühjahrspaket für die Ukraine in Höhe von rund 1 Milliarde Euro genannt. Priorität habe die Luftverteidigung, so Pistorius.
Trotzdem: In der Ampelkoalition rumpelt es gewaltig. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) fand klare Worte nach Pistorius’ Aussagen im Anschluss an die Ramstein-Konferenz: „Die Geschichte schaut auf uns. Deutschland hat leider gerade versagt“, sagte die FDP-Politikerin im „heute journal“. Scharf kritisierte sie die Unentschlossenheit des Kanzlers, seine Kommunikation als „Katastrophe“. Der „Knall“, wie bestialisch der Krieg in der Ukraine sei, sei im Kanzleramt offenbar noch nicht angekommen.
Ihre Enttäuschung über die Konferenz in Ramstein äußerte auch Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. „Wieder geht wertvolle Zeit verloren, die die Ukraine angesichts der drohenden russischen Offensive nicht hat“, schrieb sie auf Twitter.
Auch international wird Kritik laut: Polen will bereits seit Längerem Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine schicken. Dafür ist jedoch eine Freigabe seitens der Bundesregierung nötig. Die Zögerlichkeit Berlins bezeichnete Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki als „inakzeptabel und kündigte an, „eine kleine Koalition“ von Ländern zustande zu bringen, welche die Ukraine mit „moderner Ausrüstung“ und „modernen Panzern“ aus ihren eigenen Beständen versorgten. Auch die baltischen Staaten Lettland, Estland und Litauen forderten Deutschland auf sofort Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen