Debatte über vierte Coronawelle: Die Mitschuld der Hausärzte

Die Impfquote dümpelt in Deutschland vor sich hin. Jetzt sollen wieder die Impfzentren öffnen – nachdem sie voreilig geschlossen wurden.

Impfzenrum in Frankenthal

Geschlossen: Impfzentrum in Frankenthal am 30. September Foto: Uwe Anspach/dpa

Noch im Frühjahr empörte sich der Hausärzteverband über die Impfzentren. Zu teuer seien sie und ineffizient. Der Verband forderte eine zügige Freigabe des Impfstoffs für Praxen. Denn seine Mitglieder, die niedergelassenen Ärzte, hätten viel besseren Kontakt zur Bevölkerung. Sie könnten sehr viel besser beurteilen, wer zuerst geimpft werden müsse.

Seit dem Spätsommer gibt es Impfstoff im Überfluss. Die niedergelassenen Ärzte könnten also impfen, was das Zeug hält. Trotzdem dümpelt die Impfquote vor sich hin. Und obwohl die Infektionszahlen seit Wochen auf atemberaubende Weise in die Höhe schießen und sich die Krankenhäuser wieder mit schweren Covid-19-Fällen füllen, wollen sich mehr als 20 Millionen der Impfberechtigten auch weiter nicht schützen lassen.

Was das mit den Haus­ärz­ten zu tun hat? Sie und ihre Verbände tragen eine Mitschuld am schleppenden Verlauf der Impfkampagne. Das fing mit ihren Versprechen im Frühsommer an. Der Hausärzteverband hatte vorgerechnet, dass bundesweit rund 150.000 Praxen impfen könnten. Tatsächlich aber beteiligte sich nur ein Drittel davon. Viele gaben an, das Prozedere mit dem Impfen sei ihnen zu umständlich, der bürokratische Aufwand zu groß. Hinzu käme die viele Aufklärungsarbeit, die sie zu leisten hätten.

Genau daran mangelte es offenbar aber auch unter ihnen. Tatsächlich gab und gibt es bis heute nicht wenige, die aktuelle Forschungsergebnisse nicht mitverfolgen, Impfungen gar ablehnen und das ihren Pa­ti­en­t:in­nen gegenüber auch zum Ausdruck bringen. Als Ende August die ersten Impfzentren schlossen, stiegen prompt auch viele der Hausärzte aus der Impfkampagne aus – mehr als die Hälfte allein in Thüringen und Sachsen. Sie dachten, die Pandemie sei vorüber.

Impfen in Apotheken

Doch es wäre falsch, die Schuld für die miserable Impfquote allein ihnen zu geben. Es wäre Aufgabe der Gesundheitsminister gewesen, Impfungen – wie im Frühjahr einmal angeregt wurde – auch in Apotheken zu ermöglichen. So wie es zwischenzeitlich an jeder Ecke Möglichkeiten zum Testen gab, hätte es ab dem Zeitpunkt mit ausreichend viel Vakzinen ähnlich viele Orte fürs Impfen geben sollen.

Wieder zeigt sich, was an dieser Pandemie inzwischen typisch ist: Maßnahmen werden zerredet, Zweifel gesät. Und der verantwortlichen Politik gelingt es nicht, die wirklich relevanten Schritte zu vermitteln, nicht mal unter Hausärzten. Leidtragende sind all jene Ärzte und Pflegekräfte in den Krankenhäusern, die nun zum vierten Mal innerhalb von zwei Jahren vor ihrer Belastungsgrenze stehen. Solidarität unter der Ärzteschaft? Fehlanzeige.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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