Debatte über Verbot von Privat-Feuerwerk: Schluss mit dem Böllerterror
Die Bilanz der Silvesternacht mit fünf Toten durch Feuerwerkskörper zeigt: Auch Deutschland sollte Verbrauchern die gefährliche Knallerei untersagen.
D ie Bilanz dieses Silvesters in Deutschland ist traurig: Fünf Tote durch Böller, Tausende teils schwere Verletzungen, viele Menschen trauten sich aus Angst vor Angriffen mit Pyrotechnik nicht vor die Tür. Das zeigt: Der Böllerterror zu Silvester muss endlich aufhören. Auch Deutschland sollte den privaten Kauf und Gebrauch von Pyrotechnik zur nächsten Jahreswende entweder ganz verbieten oder viel stärker beschränken.
Denn Böllern ist rücksichtslos gegenüber allen, die unter dem Knallen leiden. Zahlreiche Kinder und Geflüchtete mit Kriegstraumata beispielsweise haben Angst. Tiere geraten in Panik. Besonders Menschen mit Atemwegserkrankungen wie Asthma macht die durch Feuerwerk drastisch steigende Feinstaubbelastung der Luft zu schaffen. Dessen Konzentration lag laut Umweltbundesamt in Augsburg und Nürnberg um 1 Uhr in der Silvesternacht zwischen 1.000 und 2.000 Mikrogramm pro Kubikmeter. Dabei sollte ein Tagesmittel von 50 Mikrogramm höchstens 35-mal pro Jahr überschritten werden.
In Deutschland erleiden jährlich circa 8.000 Menschen zu Silvester Schädigungen des Innenohrs durch Feuerwerkskörper, berichtet das Umweltbundesamt weiter. Dazu kommen die üblichen Verbrennungen, Fingeramputationen und Erblindungen.
Zudem belastet die Böllerei die Mitarbeiter von Krankenhäusern, Feuerwehr und Polizei zusätzlich. Nicht nur, dass mehr von ihnen zu Silvester wegen der Vorfälle mit Feuerwerk arbeiten müssen. Manche von ihnen werden auch noch mit Böllern angegriffen.
Die Gegner eines Verbots von privatem Feuerwerk sehen ihre Freiheit in Gefahr. Dabei beschneiden sie die Bewegungsfreiheit ihrer Mitmenschen massiv. Gesundheit und Angstfreiheit wiegen schwerer als das Bedürfnis nach „Spaß“ durch das Zünden von Sprengkörpern. Die Pyrolobby verteidigt sich damit, dass beispielsweise die Todesfälle durch Böllertypen verursacht worden seien, die Verbrauchern bereits verboten sind. Es sei ungerecht, alle für das Fehlverhalten einiger weniger zu bestrafen.
Aber wenn privates Feuerwerk zu Silvester erlaubt ist, kann die Polizei legales von illegalem Böllern kaum unterscheiden. Die Feinstaubbelastung sinkt lediglich durch ein Verbot. Und die Zahl der Verletzungen ist zu hoch, um nur von Einzelfällen zu sprechen.
Besonders schwach ist der jetzt zu hörende Einwand, man könne privates Böllern nicht verbieten, wenn gleichzeitig etwa SUVs erlaubt sind, die viel mehr Menschen töten. Das würde ja bedeuten, der Staat dürfe überhaupt nicht mehr eingreifen, solange er nicht alle Probleme auf einmal löst.
Deutschland sollte sich etwa Australien zum Vorbild nehmen: Dort ist Verbrauchern Feuerwerk untersagt. Aber es gibt dort öffentliche, professionelle Pyroshows. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre, privates Böllern nur noch in bestimmten Gebieten zu erlauben, wie es jetzt die Berliner SPD-Innensenatorin Iris Spranger vorgeschlagen hat.
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