Dänemarks Corona-Strategie als Vorbild: Raus aus der Diskursverbotszone

Das Beispiel Dänemark zeigt: Die Debatte muss beginnen, unter welchen Bedingungen in Deutschland der Lockdown aufgehoben werden kann.

Portrait von Mette Frederiksen

Endlich runter vom Balkon Foto: Marcus Brandt/dpa

In den dänischen Krankenhäusern kehren wieder normale Verhältnisse ein. Schulen und Kitas werden nach Ostern wieder öffnen. Viele Berufstätige bleiben noch im Homeoffice, doch manche bevölkern schon bald wieder Büros und Firmen. Danach sollen auch Cafés und Restaurants wieder offen sein.

Das Land kehrt langsam und vorsichtig in die Normalität zurück. Das ist durchaus riskant. Es gibt keine Garantie, dass die Infektionszahlen nicht wieder ansteigen. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen setzt auf trial and error. Das ist angemessen. Denn auch zu vorsichtig zu sein und den Lockdown zu rigide zu handhaben, kostet Opfer.

Dänemark, Österreich und Tschechien, wo man es ebenfalls mit vorsichtiger Lockerung probiert, gehen nicht den schwedischen und britischen Irrweg. Dort hat man mindestens naiv, eher fahrlässig die Pandemie einfach laufen lassen, um zu schauen, wie schlimm es denn wirklich wird. Dänemark verkörpert das Gegenteil: Das Land profitiert jetzt davon, dass Frederiksen schnell zu harten Maßnahmen griff.

Und obwohl auch das dänische Gesundheitssystem einige Sparwellen hinter sich hat, ist es vergleichsweise intakt. Ein steuerfinanziertes staatliches Gesundheitssystem ist weit besser für Notfälle präpariert als das extrem teure, privatisierte Gesundheitssystem in den USA, das am Rand des Kollapses steht.

Zum Glück ist Merkel Kanzlerin

Also von Dänemark lernen? Soll Deutschland Sebastian Kurz und Mette Frederiksen folgen und Schulen, Kitas und Geschäfte wieder öffnen? Eher nicht. Die Zahlen, so unzuverlässig sie sein mögen, legen nahe, dass das Risiko noch zu hoch ist. In Deutschland verdoppelt sich die Zahl der Infizierten alle 12 Tage, in Österreich alle 30 Tage.

Aber: Dänemark und Österreich zeigen, dass jetzt die konkrete Debatte beginnen muss, unter welchen Bedingungen in Deutschland der Lockdown aufgehoben werden kann – und in welchen Bereichen. Diese Entscheidung ist nicht alternativlos. Sie wird nicht von Virologen, Daten und Zwängen diktiert – sie ist ein komplexer Abwägungsprozess. Kurzum: Politik.

Man kann froh sein, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin ist. Ihr Tonfall ist zivil, sie tritt nicht als Zuchtmeisterin auf, die das Volk schurigeln muss. Auch besteht kein Verdacht, dass die Krise – so wie in Ungarn und Polen – ausgenutzt wird, um mal durchzuregieren. Aber man sieht nun, nicht nur bei den Coronabonds, auch Merkels Schwächen: die Unlust zu argumentieren und zu streiten. Die Bundesregierung hat die Frage, ob, wann und wie Schulen, Kitas und Büros wieder öffnen, in eine Art diskursive Verbotszone verbannt. Da gehört sie nicht hin.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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