Bundesregierung gibt Agrarlobby nach: Bauern dürfen auf Brache verzichten
Die Bundesregierung beschließt, dass Landwirte 2024 keine Äcker der Natur überlassen müssen. Das schade der Artenvielfalt, sagen Umweltschützer.
Die EU hatte die „nicht produktiven“ Flächen ursprünglich ab 2023 vorgeschrieben, weil sie Rückzugsräume zum Beispiel für vom Aussterben bedrohte Tierarten wie das Rebhuhn sind. Zudem dienen sie als Puffer, die Pestizid-Abdrift von den Feldern verhindern, und wirken sich positiv auf die Bodenfruchtbarkeit aus. Doch wegen der Sorgen über zu hohe Getreidepreise infolge des Ukraine-Kriegs wurde das Inkrafttreten der Vorschrift 2023 verschoben. Nach den jüngsten Bauernprotesten ermöglichte die EU den Mitgliedstaaten, auf die Regel auch 2024 zu verzichten. Bis Donnerstag mussten die Regierungen der Kommission mitteilen, ob sie davon Gebrauch machen wollen.
Die Ausnahmeregelung sieht vor, dass Landwirte als Ersatz für die Brachen auf 7 Prozent ihrer Ackerfläche Hülsenfrüchtler wie Linsen, Erbsen oder Bohnen und/oder Zwischenfrüchte ohne Pestizide anbauen müssen. Letztere sind Pflanzen, die in der Zeit zwischen zwei Hauptkulturen wachsen. Hülsenfrüchtler binden Stickstoff und erhöhen so die Bodenfruchtbarkeit.
„Die Bundesregierung hat verstanden, dass wir Bauern keine weitere Benachteiligung und damit Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit akzeptieren werden“, lobte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Er forderte, noch mehr Abstriche beim Umweltschutz zu machen: „Wir erwarten, dass die Wettbewerbsgleichheit auch bei zukünftig anstehenden politischen Entscheidungen berücksichtigt wird.“
Kein Öko-Ausgleich
Umweltschützer dagegen waren sich einig in ihrer Kritik. Der Beschluss der Bundesregierung sei ein „ökologischer Rückschritt ohne fachliche Begründung, der allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Natur- und Klimakrise widerspricht“, teilte der Naturschutzbund (Nabu) mit. Der WWF kritisierte: „Die Ampelregierung rennt den Populisten hinterher und spielt mit der Ernährungssicherheit von morgen. Denn letztlich braucht die Landwirtschaft artenreiche und somit stabile Ökosysteme.“ Für Greenpeace ist der Beschluss „auch ein fatales Zeichen an die Landwirtschaft: radikaler Protest und Einschüchterungsversuche werden belohnt.“
Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die vor allem kleine und mittlere Höfe vertritt, monierte, dass die Bundesregierung einen Ausgleich für die „Aufweichung des Umwelt- und Klimaschutzes“ vertagt habe. Die Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Cem Özdemir und Steffi Lemke, hätten sich vergangene Woche darauf verständigt, im Gegenzug neue „Öko-Regelungen“ aufzulegen, bei denen Landwirte extra Subventionen für Umweltleistungen bekommen. Mit dem Geld könnten zum Beispiel Zuschüsse für Bauern finanziert werden, die ihre Milchkühe auf der Weide halten.
Dafür wäre aber die Basisprämie gekürzt worden, die alle Zahlungsempfänger pro Hektar Land erhalten, weitgehend egal, wie umweltfreundlich oder -schädlich sie darauf wirtschaften. Die FDP wollte dieser Kürzung nicht zustimmen. Schließlich habe Kanzler Olaf Scholz (SPD) die beiden grünen Minister überstimmt und sich „auf die Seite der Agrarindustrie und Ernährungswirtschaft geschlagen“, so die AbL.
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