Bundeskongress der Jusos: Was Scholz von Esken lernen kann
Scholz hätte ein Gutes daran getan, sich dem Unmut der Jusos zu stellen. Nicht zuletzt ist es der Nachwuchs, der den Wahlkampf auf der Straße führt.
D ie Frau hatte Mut. Die Wut über die Castingshow der SPD bei der Findung des Kanzlerkandidaten, die die Partei und ihre Protagonisten angeschlagen zurücklässt, brach sich beim Bundeskongress der Jusos Bahn. Die Parteivorsitzende Saskia Esken aber war gekommen, um sich dem Frust zu stellen und – endlich einmal – Selbstkritik zu üben. Man habe wirklich kein gutes Bild abgegeben, räumte sie ein.
Doch wo waren eigentlich Olaf Scholz, der Kanzlerkandidat, oder Lars Klingbeil, das strategische Hirn in der Parteizentrale? Nein, Männer, so geht es wirklich nicht: die Frau vorzuschicken, wenn es unangenehm wird. Wenn Scholz wirklich eine Chance haben will, die Umfragen zu drehen, dann muss er sich stellen. Und auch mal was wagen. So hat er ein weiteres Mal nach dem Rauswurf Christian Lindners das Momentum verpasst, die Parteibasis hinter sich zu versammeln.
Nachdem Boris Pistorius am Donnerstag einen Rückzieher und den Weg für ihn als Kanzlerkandidaten der SPD frei gemacht hat, hätte Scholz sich zeigen müssen. Die einzige sozialdemokratische Großveranstaltung vor Weihnachten wäre eine gute Gelegenheit gewesen, sich Kritik zu stellen, Selbstkritik zu üben und Vertrauen zurückzugewinnen. Esken traute sich, Scholz hat sich gedrückt. Hatte der „Abschiebekanzler“ Angst davor, ausgebuht zu werden?
Wer so zaghaft in einen Wahlkampf geht und noch nicht mal der eigenen Parteijugend vertraut, kann kaum hoffen, dass die Menschen im Land ihm vertrauen. Die SPD will jetzt „Inhalte“ nach vorn stellen – für Investitionen in Wirtschaft und Verteidigung kämpfen, für stabile Renten und den Sozialstaat. Die Jusos und die gesamte Partei werden sich hinter diesen Ideen versammeln und notgedrungen auch hinter dem Kanzlerkandidaten. Zumal der gemeinsame Gegner Friedrich Merz heißt.
Sie werden die Zähne zusammenbeißen und sich zusammenreißen. Doch damit entfacht man noch keine Begeisterung bei den Wähler:innen. Für die ist Scholz zuständig. Er muss raus aus dem Kanzlerkokon und dafür sorgen, dass der Funke überspringt. Zu verlieren hat er derzeit nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe