Bully Herbigs aktuelle Winnetou-Parodie: Relativ unlustig
Keine Bananenschale kommt unbetreten davon: Der Film „Kanu des Manitu“ erinnert an Wirtschaftswunderhumor und an wohlfeil-staubige Komödien.

E in des Deutschen mächtiger Franzose aus meinem Bekanntenkreis begann seine Sätze zuweilen mit: „Das ist relativ lustig…“ und kam erst nach dieser Einführung mit dem Inhalt um die Ecke. Vermutlich wusste er, wie wenig Humor ihm und seinen Landsleuten zugestanden wird, und wollte darum sowohl den potentiellen Witzgehalt seiner Aussage stärken als auch dem Publikum die Möglichkeit geben, das Kichern dennoch zu unterlassen. „Relativ lustig“ ist eben nicht „absolut lustig“.
Aber was bedeutet schon „absolut lustig“. Dass „Das Kanu des Manitu“, der zweite Teil von Bully Herbigs Winnetou-Parodie, auch drei Wochen nach Start auf dem ersten Platz der deutschen Kinocharts steht, ist ein Hinweis darauf, wie relativ Humor ist.
Der erstaunlich langsame Film mit seinen redundanten, tendenziell abgenutzten Sprachwitzen (Bayerisch sprechender Apache! Haha! Sächselnder Cowboy! Hahaha!! Nein-Doch-Oh-Franzosen!! Hahahaha!!!) erinnert an Wirtschaftswunderhumor, an wohlfeil-staubige Komödien, in denen alte Männer am Telefon nur Bahnhof verstehen, sich Menschen andauernd und folgenreich verwechseln und keine Bananenschale unbetreten davonkommt.
Lustig im Sinne von wohlig scheint hier vor allem die Erinnerung an damals empfunden zu werden, als das Parodieren eines „edlen Wilden“ neu und man selbst darüber hinaus zwanzig Jahre jünger und dementsprechend alberner war.
Jenni Zylka schreibt hier regelmäßig über Film.
Chaotischer Slapstick-Slalom
Der ebenfalls von Herbig inszenierte „Der Schuh des Manitu“ hatte sich 2001 bereits erfolgreich über die Karl-May-Filmadaptionen aus den 60ern lustig gemacht und die von Harald Reinl vor mächtiger Naturkulisse und ebensolchem Soundtrack inszenierte blutsbrüderliche Heldengeschichte als chaotischen Slapstick-Slalom dargestellt.
Gemäß dem Motto, dass Parodien oft die tiefe Verbundenheit zum Sujet zugrunde liegt, hatte Herbig damals zwar die steife Form des 60er-Jahre-Filmemachens kritisiert, nicht aber den von Karl Mays kolonialismusverharmlosender Haltung bestimmten Inhalt.
Und dass der Regisseur dabei unter dem Siegel der Parodie vor allem bei der Darstellung des schwulen Häuptling-Bruders „Winnetouch“ jedes Klischee ausnutzte, das nicht bei Drei auf dem Baum war, und weder vor Blackfacing noch vor Sexismus zurückscheute, störte niemanden: Mit über elf Millionen Zuschauer:innen sitzt „Der Schuh“ auf Platz elf der deutschen Kinocharts nach 1990.
Originale Winetous nur noch an Ostern
In Bullys aktueller Parodie auf die Winnetou-und-Old-Shatterhand-Filme spielen die ollen Kamellen eine noch unwichtigere Rolle. Was folgerichtig ist: Die Originale werden eh nur noch an Ostern von den öffentlich-rechtlich-fernsehguckenden Alten und ihren Enkel:innen konsumiert. Für die Generationen Y und Z sind die Referenzen der erste Bully-Film, nicht mehr Lex Barker und Pierre Brice.
„Das Kanu des Manitu“ versucht zwar, sowohl den Diskussionen um den „Indianer“-Begriff als auch den Aneignungsvorwürfen den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er „Abahachi“ (Herbig) sich bei einer ernsten Gegenüberstellung mit einer Gruppe echter Indigener versöhnen lässt. Das macht den Film aber weder relativ noch absolut lustig.
Dabei gab es bereits 1993, acht Jahre vor dem Manitu-Schuh, ein absolut und relativ echt lustiges Beispiel für den Umgang mit dem sensiblen Thema: In „The Addams Family Values“, dem zweiten Teil über die elegante, schwarzliebende Horrorfamilie, werden Addams-Tochter Wednesday (Cristina Ricci) und ihr Bruder in ein Sommercamp gezwungen. Dort herrschen zum Entsetzen der Addams-Kinder Lächeln, Kameradschaft und Lollipopfarben.
Doch Wednesday rächt sich – nicht nur für ihre eigene Behandlung: Als sie bei einer Thanksgiving-Aufführung als „Pocahontas“ auftritt, weicht sie vom Text ab, beschuldigt die Siedler:innen (zu Recht) der Zerstörung ihres Volks und der Natur und steckt deren Häuschen in Brand. Für ihre Darstellung musste sie nicht mal die Frisur ändern: Zöpfe passen sowohl zu indigenen Algonkin als auch zu morbiden Teenagern.
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