Blockadepolitik der FDP: Unerträgliche Hybris

Dass die FDP mit ihrem Nein zum EU-Lieferkettengesetz MittelständlerInnen schützen will, ist ziemlich gelogen. Aus Wahlflops lernt die Partei nicht.

FPD-Vorsitzender Lindner auf einer Bühne bei einer Rede.

Nur die FDP glaubt zu wissen, wie Wirtschaft funktioniert: Parteichef Lindner beim Politischen Aschermittwoch Foto: Fabian Sommer/dpa

Die FDP befindet sich in der „Todeszone“. Wäre jetzt Bundestagswahl, würden die Liberalen aus dem Parlament fliegen. In Umfragen kommen sie auf etwa 4 Prozent. Also versucht die FDP panisch, „Sichtbarkeit“ zu organisieren, indem sie Opposition in der Regierung spielt und ständig querschießt.

Dieses destruktive Verhalten lähmt nicht nur Deutschland, sondern längst auch die EU. Im Juni stehen die Europawahlen an, und um Aufmerksamkeit zu generieren, opfert die FDP sogar ihre Werte und die eigene Identität. Zum Kern des liberalen Selbstverständnisses gehörte einst, für die Menschenrechte und für Europa einzutreten.

Beide Werte werden jetzt schwer beschädigt: Das europäische Lieferkettengesetz ist vorerst gescheitert, weil die Liberalen in allerletzter Minute ihr Veto eingelegt haben. Diese Dreistigkeit ist unfassbar, denn damit bremst die Mini-FDP sämtliche EU-Institu­tio­nen aus: Kommission, Rat und Parlament hatten sich in einem langwierigen Trialog auf einen Kompromiss geeinigt – bis die FDP die deutsche Regierung zwang, wieder auszuscheren. Wenn sich Parteien in anderen Ländern auch so verhalten würden, wäre die EU nicht mehr arbeitsfähig.

Noch schlimmer: Das Lieferkettengesetz sollte die Menschenrechte und die Umwelt im Globalen Süden schützen. Doch diese Ziele interessieren die deutschen Liberalen nicht mehr. Stattdessen behauptet die FDP, sie müsste „kleine und mittelständische Firmen“ vor allzu viel Bürokratie schützen. Das ist ziemlich gelogen. Denn das EU-Lieferkettengesetz sollte nur für Unternehmen gelten, die mehr als 500 Beschäftigte haben und einen Umsatz von über 150 Mil­lio­nen Euro im Jahr erwirtschaften. Das trifft in Deutschland auf etwa 4.200 Betriebe zu – von rund 3,4 Millionen Firmen. Die FDP spielte sich als Retterin von „Tante Emma“ auf, die aber vom Lieferkettengesetz nie betroffen war.

Oberlehrer FDP

Unerträglich ist auch die Hybris der FDP. Die Liberalen tun so, als wüssten nur sie, wie Wirtschaft funktioniert. Mit dem Lieferkettengesetz haben sie ein EU-Vorhaben gestoppt, dem unter anderem Frankreich, Dänemark, Schweden, Belgien und die Niederlande zugestimmt hatten. Dies sind sehr erfahrene Exportnationen – aber die FDP gibt den Oberlehrer.

Die liberale Obstruktion ist auch deswegen erstaunlich, weil sie nichts bringt. WählerInnen erwarten von einer Regierungspartei, dass sie regiert und nicht stört. In Deutschland musste die FDP daher permanent Niederlagen hinnehmen. Bei der nachgeholten Bundestagswahl in Berlin vor einer Woche kam sie nur noch auf 3,3 Prozent der Stimmen. Aber die FDP ist unfähig, aus Flops zu lernen. Jedenfalls unter Parteichef Lindner.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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