BSW will Coronazeit aufarbeiten: Wagenknechts Wahlkampf mit Corona
Das BSW will in Sachsen und Thüringen Untersuchungsausschüsse einsetzen. Berührungsängste zur AfD: keine.
In einem Protestcamp der Hofjägerallee im Berliner Tiergarten sitzen am Montagmorgen etwa 40 Menschen vor ihren Wohnwägen. Sie trinken Bier und grillen Würstchen. Viele tragen Federkopfschmuck, Pullis und Shirts mit Aufschriften wie „Querdenken 7-11 Stuttgart“ oder „Natürlich immun gegen GEZ finanzierte Propaganda“. Es wimmelt nur so von Plakaten mit Friedenstauben.
Sie sind die Überbleibsel einer Demonstration von etwa 12.000 Coronaleugner:innen am Samstag an diesem Ort. Die von „Querdenken“ organisierte und von deren Gründer Michael Ballweg angemeldete Versammlung erinnerte wie jedes Jahr an eine Großdemonstration des Spektrums vom 3. August 2020. Als Mobilisierungsschub diente diesmal die Veröffentlichung ungeschwärzter Protokolle des Coronakrisenstabs beim Robert-Koch-Institut (RKI) in der vorvergangenen Woche. Als Aufreger gilt dabei, dass in der politischen Kommunikation noch von einer „Pandemie der Ungeimpften“ gesprochen wurde, als bereits feststand, dass sich auch Geimpfte infizieren können.
Vor diesem Hintergrund ist dann auch eine Wortmeldung aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vom Wochenende zu verstehen. Wie ihr Europaabgeordneter Friedrich Pürner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte, will das BSW nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen im Herbst und nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr Untersuchungsausschüsse zur Aufarbeitung der Coronamaßnahmenpolitik einrichten. Nur so sei es möglich, Zeug:innen zu laden und Akteneinsicht zu erhalten. Pürner selbst war als Maßnahmenkritiker 2020 als Leiter eines bayerischen Gesundheitsamts abgelöst worden. Im BSW ist er nun für die Erarbeitung des Corona-Abschnitts für das Parteiprogramm verantwortlich und hat sich dafür weitere Kritiker der damaligen Schutzmaßnahmen ins Boot geholt.
Wo es nötig ist, will die Partei dabei auch mit der AfD, die ebenso um das politische Erbe der Coronaprotestbewegung kämpft, zusammenarbeiten. „Wir hoffen, dass möglichst viele aus anderen Fraktionen, und dazu gehört auch die AfD, diesem Anliegen zustimmen“, so Pürner. Schließlich handele es sich um „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Von einer Abgrenzung von der AfD hält der BSW-Politiker nichts: „Für Brandmauern und Kontaktschuld ist kein Platz. Beides ist absolut kontraproduktiv für eine Aufarbeitung und wird auch dem Wunsch der Bevölkerung nicht gerecht.“
Gegen die Impfpflicht
Sahra Wagenknecht selbst hatte in einem Vorwort für das Landtagswahlprogramm in Brandenburg geschrieben, eine Stimme für das BSW sei „eine Stimme für die konsequente Aufarbeitung der Fehler der Corona-Zeit durch einen Corona-Untersuchungsausschuss im Bundestag“. Darin sprach sie sich für eine Vorladung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach und dem Virologen Christian Drosten und gegen die „Ausgrenzung Andersdenkender“ aus. In der Vergangenheit war Wagenknecht Überlegungen für eine allgemeine Impfpflicht entgegengetreten.
In Brandenburg selbst hat es auf Initiative der AfD seit 2020 zwei Corona-Untersuchungsauschüsse gegeben. Dabei waren vor allem verfestigte Meinungen aufeinandergeprallt. Während die meisten Fraktionen keinen Anlass zu schwerwiegender Kritik am Handeln der Landesregierung erkennen konnten, sah das die AfD anders. Auch in Hessen war im Juni ein Ausschuss eingesetzt worden, allerdings mit einem geringeren Untersuchungsauftrag als von der AfD beantragt.
Mitarbeit: Lilly Schröder
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