Ausgang der Bundestagswahl: Es war keine Personenwahl
Es gab kein Klima für den Wandel: Viele WählerInnen haben Scholz ihre Stimme gegeben, weil er eine Klimapolitik ohne Zumutungen versprochen hat.
W as für eine Wahl. Die Ära Merkel mündet in eine lange nicht gesehene Mobilisierung, die sich auch in erfreuliche Wahlbeteiligung umgesetzt hat: eine kleine demokratische Explosion. Wie sich die auseinanderfliegenden Teile des politischen Systems jetzt neu zusammenfügen, wer sie am Ende zu einer Koalition schmieden wird, das lässt sich so schnell nach Schließung der Wahllokale nicht ausmachen.
So viel aber ist klar: Die Grünen haben ihr Ziel verfehlt, das Kanzlerinnenamt wieder in die Hände einer Frau zu geben. Die Hoffnung, dass Annalena Baerbock wenigstens einen Teil des Vertrauens erben würde, das die WählerInnenschaft im Laufe von 16 Jahren in eine Kanzlerin entwickelt hat, trog.
Je deutlicher sich in den vergangenen Wochen ein Zweikampf zwischen den beiden Männern Olaf Scholz und Armin Laschet abzeichnete, desto mehr fiel Baerbock zurück. Das Grünen-Ergebnis muss enttäuschen. Es lässt für keine der denkbaren Koalitionen, um die es nun gehen wird, viel Gutes für die Klimapolitik erwarten.
Doch war diese Bundestagswahl eben nicht die „reine Personenwahl“, zu der sie vielfach ausgerufen wurde. Die teils zweitbesten KandidatInnen haben die Ergebnisse ihrer Parteien nicht im Alleingang versemmelt. Nur ist es den SpitzenkandidatInnen in ganz unterschiedlichem Maße gelungen, die Schwächen und Angriffsflächen ihrer Parteien zu kaschieren.
Hinter dem Spektakel ums Personal haben die WählerInnen offenbar durchaus erkannt, von welchen Strukturfragen die Parteienlandschaft durchpflügt ist. So war die Klimakrise als Thema durchaus präsent, hat aber erkennbar keine Mehrheit ausreichend bewegt. Viele mögen dank der medialen Aufklärung sogar endlich begriffen haben, welche Veränderungen uns noch abverlangt werden dürften – und eben darum das Kreuz bei einem Kandidaten gemacht haben, der Schonung der Konsumgewohnheiten versprach.
Empfohlener externer Inhalt
Auch Armin Laschet hat die die enormen Verluste für die Union nicht allein zu verantworten. Nur ist er eben nicht der „Brückenbauer“, der die großen Klüfte in CDU/CSU zu überspielen vermochte. Inhaltlich abgewirtschaftet hatte die Union schon vor seiner Kandidatur. Das Regierungsprinzip von Angela Merkel hieß Aufschub: Probleme wurden nicht ursächlich gelöst, doch gelang es meistens, für ihre Bearbeitung Zeit zu gewinnen. Auch ihrer eigenen Partei hat die Problembewältigungsmaschine Merkel 16 Jahre lang solchen Aufschub verschafft. Das ist jetzt vorbei.
Wer auch immer dann bald regiert – die schmerzhaftesten Kämpfe stehen ab sofort der Union bevor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“