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Tötung von Hamas-Chef SinwarEine neue Chance

Israels Armee ist es gelungen, Hamas-Chef Jahia Sinwar zu töten. Ist das ein Wendepunkt im Gazakrieg, der seit einem Jahr kein Ende zu finden scheint?

Hamas-Führer Yahya Sinwar 2022 Foto: Mohammed Salem/ap

Jerusalem/Berlin taz | Es ist ein apokalyptisches Video, das die letzten Momente von Jahia Sinwar zeigt und kurz nach seinem Tod vom israelischen Militär veröffentlicht wurde. Aufgenommen von einer Drohne, die in das zweite Stockwerk eines zerstörten Hauses fliegt, zeigt es einen Menschen, gebückt zwischen Trümmern auf einem verstaubten Sessel.

Den Kopf in das Palästinensertuch gehüllt, die rechte Hand zerfetzt. Als die Drohne heranfliegt, ein kurzes Aufbäumen: Mit der linken Hand wirft er mit einem Holzscheit auf die Drohne. Kurz darauf jagt das israelische Militär das Haus in die Luft. Die Soldaten hatten den Hamas-Chef nicht gezielt aufgespürt, sondern wohl während einer Patrouille eher zufällig entdeckt.

Doch das Video könnte als Metapher für den Zustand der Hamas gesehen werden: einsam, verwundet, ohne Zukunft.

Ist die Tötung des Drahtziehers des Massakers vom 7. Oktober 2023 ein Wendepunkt im Gazakrieg, der seither kein Ende zu finden scheint? Ist dies die Chance auf einen Waffenstillstand und eine Freilassung der Geiseln? Viele hoffen darauf, Israelis wie Palästinenser*innen. Regierungschefs sprechen von einer „konkreten Aussicht auf einen Waffenstillstand“, so wie Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag in Berlin bei seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden. Der stimmte ein: Nun sei der Zeitpunkt, „um sich in Richtung Waffenstillstand zu bewegen“.

Ein Funken Hoffnung

Auch der palästinensisch-amerikanische Aktivist und Autor Ahmed Fouad Alkhatib sieht einen Funken Hoffnung. Zwar wirke es wie Wunschmusik, so Alkhatib in einem Gespräch mit der US-Denkfabrik Atlantic Council, doch er halte es für möglich, dass der in Katar sitzende politische Flügel der Hamas nach Sinwars Tod den militärischen Flügel in Gaza zu einem unilateralen Waffenstillstand drängen könnte. Selbst ein Verzicht auf bewaffneten Widerstand sei denkbar. Sogar unter Hamas-Kämpfern in Gaza, bei den Kassam-Brigaden, gebe es Stimmen, die für ein unilaterales Ende der Kämpfe seien.

Tatsächlich ist die Hamas nach einem Jahr Krieg stark geschwächt. Zwar feuerte die radikalislamische Miliz am Jahrestag des 7. Oktober zum ersten Mal seit Monaten einige Raketen auf Tel Aviv, doch ihr Waffenlager ist wohl extrem ausgedünnt. Auch gibt es Hinweise auf einen Stimmungsumschwung in der leidenden Zivilbevölkerung Gazas: Einer Umfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research (PSR) zufolge hat im September zum ersten Mal eine Mehrheit der befragten Bewohner gesagt, dass der Angriff auf Israel am 7. Oktober eine Fehlentscheidung gewesen sei.

Andere hingegen sehen in dem Tod Sinwars den eines heroischen Märtyrers, der im Kampf an der Seite von Hamas-Kämpfern getötet wurde. Auf X gehen Bilder von Sinwar mit festem Blick in die Ferne viral. Im Hintergrund die palästinensische Fahne und Gleitschirme, mit denen die Hamas am 7. Oktober Israel vom Meer aus überfiel.

Mitentscheidend für die Weichenstellung im Nahen Osten ist nun die Frage nach Sinwars Nachfolge. Einiges deutet darauf hin, dass dessen Bruder, Mohammed Sinwar, in seine Fußstapfen treten und die Führung des militärischen Flügels übernehmen könnte. Als einer der Topkommandanten der Kassam-Brigaden würde er wohl eine ähnlich radikale Haltung wie sein Bruder übernehmen. Dass er den Weg zur Freilassung der Geiseln erleichtern wird, ist fraglich. Unklar ist außerdem, ob der Führungsanspruch des Nachfolgers von allen Hamas-Zellen anerkannt werden wird – und wer im Gerangel zwischen dem militärischen Flügel in Gaza und der politischen Führung im Ausland den Ton angeben wird.

Benjamin Netanjahu hält sich bedeckt

Auch auf israelischer Seite gehen die letzten Bilder Sinwars viral. Regierungschef Benjamin Netanjahu hat nun das Foto, auf das er seit Langem gewartet hat. Um Sinwars Leichnam zwischen Trümmern stehen eine Handvoll Soldaten und blicken auf ihn herab. Deutlicher dürfte der „absolute Sieg“, den Netanjahu seit mehr als zwölf Monaten so häufig als Ziel ausgerufen hat, sich auch in Zukunft kaum zeigen lassen.

Doch in einer Videoansprache am Abend hielt sich der Regierungschef bedeckt. An die Adresse der Geiselangehörigen sagte er: „Wir werden mit all unserer Kraft weitermachen, bis alle eure Liebsten zurück sind.“ Von einem Abkommen kein Wort. Stattdessen betonte Netanjahu, der Krieg sei „noch nicht vorbei“. Hamas-Angehörigen, die ihre Waffen niederlegen und die Geiseln zurückbringen würden, versicherte er, sie könnten „herauskommen und leben“. Erst am Freitagmorgen kündigte er ein Treffen zwischen Ministern und den Sicherheitsbehörden an, um die Wiederaufnahme von Verhandlungen zu erörtern.

wochentaz

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Ob Sinwars Tod in der israelischen Politik etwas verschiebt, bleibt abzuwarten. Am Donnerstagabend traten zum einen Freude und Genugtuung über dessen Tötung in Israel zu Tage. Doch auch die Spaltung des Landes wurde deutlich. Einav Zangaucker, Mutter des in Gaza gefangenen Matan und eine der bekanntesten Stimmen der Angehörigen, sagte in einer Videobotschaft: „Es wird keinen vollständigen Sieg geben, wenn wir nicht ihre Leben retten und sie alle zurückbringen.“

Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner Itamar Ben Gvir und Bezalel Smotrich hingegen forderten noch am Donnerstagabend, die Armee müsse den militärischen Druck aufrechterhalten. So sollten Hamas-Kämpfer zur Aufgabe und zum Verlassen des Küstenstreifens bewegt werden. Die Angehörigen der national-religiösen Siedlerbewegung nutzen den Krieg seit einem Jahr, um ihre Vertreibungsfantasien gegen Palästinenser voranzubringen. Mit der Drohung, die Regierung zu Fall zu bringen, treiben sie Netanjahu vor sich her.

Netanjahu gewinnt das Vertrauen vieler Be­woh­ne­r*in­nen

Der Tod Sinwars könnte dieses Kräfteverhältnis jedoch verschieben. Netanjahu, der nach dem 7. Oktober bei vielen Israelis in Ungnade gefallen war, hat viel Boden gutgemacht. Bereits die gezielten Tötungen von Sinwars Vorgänger Ismail Hanija in Teheran und Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah in Beirut hatten Netanjahu und seiner Likudpartei in Umfragen einen Schub verschafft. Mit dem Krieg im Libanon gewann er zuletzt das Vertrauen vieler Be­woh­ne­r*in­nen im Norden des Landes wieder.

Das Video des sterbenden Sinwar ist Metapher für den Zustand der Hamas: einsam, verwundet, ohne Zukunft

Angesichts des ständigen Beschusses durch die Hisbollah im Libanon fühlten sie sich von der Regierung im Stich gelassen. Nun versammeln sie sich hinter dem Krieg. Die Tötung von Sinwar, der auf der Liste der israelischen Ziele ganz oben stand, könnte dem Regierungschef einen weiteren Push geben – und ihn von seinen national-religiösen Koalitionspartnern wieder unabhängiger machen.

Der Kampf an mehreren Fronten setzt Israel zunehmend unter Druck. Erst am Donnerstag starben fünf Soldaten bei Gefechten im Libanon. Am Freitag mobilisierte die israelische Armee weitere Reservisten. Die von Iran unterstützte libanesische Schiitenmiliz Hisbollah kündigte nach dem Tod Sinwars bereits eine „neue und eskalierende Phase“ im Krieg mit Israel an. Ein israelischer Gegenschlag auf den iranischen Raketenangriff vom 1. Oktober steht noch immer aus.

Ein Waffenstillstand in Gaza könnte auch die anderen Fronten beruhigen. Die Tür dazu steht nun möglicherweise offen. Ob sie genutzt werden wird, ist eine andere Frage.

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39 Kommentare

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  • Karlsson , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen. Die Moderation.

  • Wenn man mal annimmt, daß stimmt was man liest, dann wurde er wohl "versehentlich" getötet. Man hielt ihn wohl für einen x-beliebigen Palästinenser der dann eben gewohnheitsmäßig getötet wurde, so wie im Oktober 23 die drei israelischen Geiseln.

  • Erinnert sich noch jemand an Ahmed Yassin, Führer der Hamas, getötet 2004, einer von vielen, deren Tod, Israel einen Vorteil bringen sollte.



    Es gibt immer noch Hamas und Hezbollah, die beide Qatar näher stehen als dem Iran. Das liegt auch an Religion und Kultur, die dem Märtyrertum eine sehr große Bedeutung beimessen. Die auch bereit sind, sehr große Teile der eigenen Bevölkerung zu opfern, wenn es der Sache dient.

    Die politische Analyse muss scheitern, wenn man die eigenen Konzepte auf die andere Seite projiziert, die eigene Wahrnehmung und auch die eigenen Lügen, für das einzig wahre hält und nicht mal zuhört, was von den anderen gesagt wird.

    Was wir jetzt sehen, ist nichts anderes als die erzwungene Ruhe vor der Wahl, mehr nicht.

    Netanyahu hat sich verrechnet, vor dem 7. Oktober und danach. Auch sein Versuch durch Ausweitung des Krieges die USA hineinzuziehen ist, noch, gescheitert. Er ist für die Situation der Geiseln verantwortlich, für die Toten in Gaza, für die Situation im Norden und das Töten im Libanon, es ist sein Krieg.

    Und die Israelis sind die ersten Opfer Netanyahus, aber sie sind nicht die letzten.

  • Wer hier keinen Frieden will, wer hier ein Volk minimieren will, ist doch klar:



    www.spiegel.de/aus...-a518-ab2ab9a0de31

    • @Mouse:

      "Wer hier keinen Frieden will, wer hier ein Volk minimieren will, ist doch klar"



      Sinwar nicht mehr, das stimmt. Es steht zu hoffen, dass sein(e) Nachfolger weniger fanatisch sind.



      Denn wohin fanatische Gegnerschaft egal auf welcher Seite führt, das sehen wir gerade.

    • @Mouse:

      Manchmal frage ich mich angesichts einer solchen Kriegsführung, welches Jahrhundert wir schreiben.

      Abgesehen von der unvergleich höheren Modernität der heutigen Waffen könnte man meinen, wir befänden uns im Jahre 1914 oder auch im Mittelalter. Ansonsten gibt es keine Weiterentwicklung.

      Barbarisch und rückständig.

  • Die Tötung von Hamas-Chef Sinwar erscheint durch die Berichterstattung als eine durch den Staat Israel ohne jedes Gerichtsverfahren sanktionierte Hinrichtung eines bereits wehrlosen Mannes. Unabhängig davon, was die Sinwar getan hat und die Hamas odere andere Gruppen vielleicht noch tun werden, wird dadurch das Vertrauen, diese oder zukünftige israelische Regierungen werden den PalästinenserInnen eine faire, gleiche und rechtsstaatliche Behandlung garantieren, kaum wachsen. Und so hört man aus Gaza, dem Westjordanland und aus anderen Teilen der Welt Stimmen, die davon sprechen, dass der palästinensische Widerstand ungebrochen sei. Die nächsten Generationen der palästinensischen KämpferInnen wächst schon heran.

    Bisher ist auch nicht absehbar, dass Netanjahus Regierung einen neuen Kurs einschlägt und den PalästinenserInnen in Gaza und dem Westjordanland Hoffnung auf einen eigenen souveränen Staat macht. Im Vordergrund stehen immer die Sicherheitsinteressen Israels und aktuell auch der Wille zur Vergeltung.

    • @Stoersender:

      Die IDF Soldaten mussten sichergehen, dass der Terrorist ausgeschaltet war, der ja nur verletzt, aber noch zu Widerstand in der Lage war. Festnahme, Prozess und Verurteilung durch ein israelisches Gericht, wäre sicher gut gewesen, hätte aber eventuell noch viel Leid durch Aktionen der Terroristen und ihrer Sympathisanten ergeben.



      Ich bin auch der Meinung, dass nach der Zerschlagung der Hamas und anderer extremistischen Organisationen eine nachhaltige Umerziehung der Bevölkerung notwendig ist, um die dem Terror zugrunde liegende Ideologie zu beseitigen. Dann kann auch ein Aufbau von Gaza gelingen und die Einwohner in Zukunft in Frieden leben. Solange die Ideologie der Muslimbrüder weiter besteht, kann die Region keinen Frieden finden.

    • @Stoersender:

      "Hinrichtung eines bereits wehrlosen Mannes"



      Um das in dieser Hinsicht beurteilen zu können fehlt Ihnen schlicht Information. Zwischen den beiden fraglichen Videos bzw. Fotos liegt ein gewisser Zeitabstand, und wir wissen nicht, was in der Zwischenzeit passiert ist, das zu dem dann tödlichen finalen Angriff führte. Auf dem letzten Foto zeigt Sinwar klar äußere Merkmale eines Kombattanten (Kommandoweste). Im Video wiederum ist jemand erkennbar, der aufgrund des Kontextes als Kombattant eingeordnet werden könnte, jemand, der die anfliegende Aufklärungsdrohne erkennt und der sich seinen Gesten in der Videosequenz nach zu urteilen nicht ergibt. Soweit bekannt ist, sah sich die israelische Einheit im Feuergefecht mit drei Kombattanten und wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es sich bei einem von diesen um Sinwar handelte. Der Mann im Video scheint zwar keine unmittelbare Bedrohung mehr darzustellen. Aber wir wissen nicht, ob die anderen beiden Kombattanten noch kämpften und damit eventuell den finalen Angriff - wahrscheinlich Beschuss mit großkalibrigen Waffen - provoziert haben.

    • @Stoersender:

      Aus der Berichterstattung geht eindeutig hervor, dass Sinwar erst nachträglich identifiziert, zuvor aber für einen x-beliebigen Hamas-Kombattanten gehalten worden worden ist. Die Soldaten der IDF haben also genau das getan, was Sinn und Zweck ihres militärischen Einsatzes war.



      Abgesehen davon, ist die Forderung, man hätte Sinwar schonen sollen, schon reichlich absurd. Er ist der oberste Chef einer Terrororganisation, deren erklärtes Ziel die Vernichtung Israels ist. Immer wieder wird, nicht zu Unrecht, die hohe Zahl an zivilen Opfern in diesem Krieg beklagt, nicht selten verbunden mit dem Vorwurf des Genozids. Bekämpft Israel aber genau die, die für das Massaker vom 7. Oktober verantwortlich sind, ist es manchen aber auch nicht wieder recht. Kurzum, es ist eigentlich egal, was Israel tut, es bleibt so oder so immer der Schuldige.

  • Derzeit planen 1/3 der Likud ein Event zur Besprechung über die Wiederbesiedlung von Gaza.



    Also nein, kein Frieden.

  • [Kommentar gelöscht. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation.]

    • @Adam00:

      Sinwar ein Befreier? Kannste dir nich' ausdenken...

    • @Adam00:

      Gleiches gilt leider auch für religiöse Terroristen oder rassistische Fanatiker.



      Wer was ist, ist fließend...

    • @Adam00:

      Wie bitte ist das zu verstehen? Für Sie ist der Massenmörder Sinwar allen Ernstes ein Freiheitskämpfer?

  • Eine Mehrheit der Palästinenser ist gemäß einer Umfrage erstmals zu dem Entschluss gekommen, dass die Angriffe am 7 Oktober eine Fehlentscheidung waren. Fragt sich nur unter welchen Eindrücken. Naheliegend wäre der Bezug zum Ausmaß der Zerstörung in Gaza einhergehend mit zehntausenden von Toten.

    Emphatie mit den israelischen Opfern des Massakers und sich auch in Zeiten der Not und des Leids eine menschliche Haltung zu bewahren, wären dabei der richtigere Ansatz gewesen.

    So aber ergibt das ein ähnlich abschreckendes Bild wie auf der Gegenseite, die meint im Zuge der Terroristenbekämpfung ganze Landstriche zerstören zu dürfen und menschliche Hindernisse gleich mit.

    Wenn beide Seiten nicht zurück zur Menschlichkeit finden, können sie sich noch hundert Jahre bekämpfen oder auch endlos verhandeln, zusammenfinden werden sie auf diese Weise nicht.

    • @Sam Spade:

      "Eine Mehrheit der Palästinenser (...) die Angriffe am 7 Oktober eine Fehlentscheidung waren."



      Eine Fehlentscheidung. Nicht grundlegend falsch. *seufz*



      "Wenn beide Seiten nicht zurück zur Menschlichkeit finden, können sie sich noch hundert Jahre bekämpfen..."



      Und ich fürchte, genau das wird geschehen.

    • @Sam Spade:

      "Eine Mehrheit der Palästinenser ist gemäß einer Umfrage erstmals zu dem Entschluss gekommen, dass die Angriffe am 7 Oktober eine Fehlentscheidung waren. "

      Von welchen Umfragen zuvor schreiben Sie wenn Sie von "erstmals" reden? Die Umfragen die ich aus der Zeit vor dem 7. Oktober kenne zeugen von einer überdeutlichen Ablehnung der Hamas und dem Wunsch nach einer friedlichen Zweistaatenlöung des Nahostkonflikts. www.arabbarometer....Hamas-denken93.pdf

      Ihre Umfrage legt nahe, als seien die Palästinenser durch die Tötungen von Zehntausenden und die Zerstörung der Städte zur Vernunft gekommen. Dabei ist das Gegenteil eingetreten. Die Tötungen und Zerstörungen haben Hass erzeugt. Und der Hass ist verständlich.

  • Das Video ist abstoßend. Was soll mit seiner Veröffentlichung erreicht werden? Nicht dass Sinwar persönlich ein Mitgefühl verdient hätte, er hat viele andere so in den Tod geschickt. Aber das Bild, das sich einprägt, sind zerstörte Häuser, ist eine unmenschliche Militärmaschine, die ihre in die Enge getriebene Beute noch durch die Art der Darstellung entmenschlicht. ... Und dass bei der aktuellen demographischen Entwicklung dort der Tod eines Führers groß was verändert, darf man bezweifeln. Für jeden frei werdenden Posten dürfte es an die zehn Anwärter geben

    • @Kohlrabi:

      Ich frage mich auch, was Menschen dazu bewegt, sich solche Videos anzuschauen. Ganz unabhängig davon, um welchen Konflikt es geht und wie man sich dazu verhält, ist das Vergnügen, anderen beim Sterben zuzuschauen, schlichtweg krank.

    • @Kohlrabi:

      Eine Nachfrage: Haben Sie bei den Veröffentlichungen der Videos und Fotos durch die Hamas was Geiseln angeht? Deren Ermordung, Folterung, Video Aufnahmen etc. das gleiche hier kommentiert?

      Übrigens Bellingcat www.bellingcat.com...tm_source=mastodon

      hat lokalisiert wo es stattfand und es gibt viel Umfeld was nicht so aussieht wie ein Gebäude was beschossen worden ist weil sich dort Terroristen mit Bewaffnung aufgehalten haben. An meiner Küchenwand hängen noch Bilder die ein Vorfahr von einem zerstörten Berlin aufgenommen hat. Diese Trümmer waren nicht nur Zerstörung sie waren auch die Saat für Freiheit von Teilen meiner Familie.

  • "Es ist ein apokalyptisches Video,das die letzten Momente von Jahia Sinwar zeigt und kurz nach seinem Tod vom israelischen Militär veröffentlicht wurde."



    Ich bin über dieses Video,nicht hier bei der taz,zufällig gestolpert,in einem Medium,das ich üblicherweise nicht konsumiere.Die Veröffentlichung dieses Videos,ebenso wie andere Fotos des verstorbenen Herrn Sinwar,finde ich nicht nur falsch und nachteilig, sondern auch unklug.



    Als fast bedingungslose Apologetin der jüdisch-israelischen Kriegspartei (wir haben jüdischen Menschen viel zu verdanken und Sie wissen,wir haben sechs Millionen jüdische,unschuldige Menschen "einfach mal so" massakriert),verstehe ich seit 07.10.23 zum ersten Mal die Beweggründe nicht.Welchen Vorteil hat es,dieses Video und die Fotos seines Todes zu veröffentlichen?Ich hoffe,von anderen Kommentatoren Argumente zu lesen,die ich nachvollziehen und verstehen kann.Verstehen ist für mich wichtig,da es meine Gefühle steuert.



    Danke.



    ---



    Ich stelle mir auch die (naive?) Frage,was lief falsch im Leben dieses Mannes,niemand da,der ihn korrigiert,auf Fehler hinweist,ihn abhält,ein Gegengewicht abbildet?Er kannte jüdische Menschen und hasste sie alle so sehr?

    • @*Sabine*:

      So weit ich weiß, ist Sinwar ein Enkel von 1948 Vertriebenen und er saß viele Jahre in Israelischen Gefängnissen. Das hat sicherlich zu seinem politischen Werdegang beigetragen, neben anderen Faktoren.

    • @*Sabine*:

      "zum ersten Mal die Beweggründe nicht.Welchen Vorteil hat es,dieses Video und die Fotos seines Todes zu veröffentlichen?"

      Es ist üblich, dass die Hamas behauptet, dass ihre Führung am leben ist, selbst wenn es nicht der Fall ist. Das Video hat die Absicht gehabt zu zeigen, dass er tot ist, dass er nicht mächtig ist, dass er keine übermächtige Person ist, sondern - nachdem er aus den Tunneln fliehen musste - sich mit falschen Pässen versteckt hat. Das ist nicht das Bild eines strategischen Anführers und sorgt damit dafür, dass nun keine Woche danach allen klar ist, dass er tot ist und Alternativen her müssen. Israel hat das nicht einfach so veröffentlicht, sondern ebenfalls gesagt, dass nun eines der sekundären Kriegsziele erreicht ist, die Menschen in Gaza eine Chance haben sich neu zu formieren und Abkommen abzuschließen.

      Es dient auch dazu junge Nachahmer abzuschrecken, die sich Fantasien ausmalen wie sie im Zweikampf Menschen umbringen, aber sich nicht im Versteck ohne Anerkennung sehen. Denen die aus Bestätigungdrang Juden hassen und töten wollen.

      • @ToSten23:

        Ich hoffe, die von Ihnen skizzierte Wirkung ist tatsächlich vorteilhaft für die jüdisch-israelische Kriegspartei und tritt so ein.

        Ich kann/konnte Herrn Sinwar und seine Anhänger und Unterstützer nicht leiden, sondern habe diese Leute abgelehnt und verabscheut, für das, was sie am 07.10.23 unschuldigen Menschen angetan und auch hier in Deutschland bejubelt/gefeiert haben, aber "sogar ich" empfand, als ich die Fotos/Videos der letzten Minuten von Herrn Sinwar gesehen habe, eher Anteilnahme und Mitgefühl und dachte, dass es kein Mensch verdient hat, so gezeigt zu werden.

        Über Ihre Hinweise werde ich noch länger nachdenken. Spontan bin ich der Ansicht, dass die von Ihnen vermutete, auslösende Wirkung ein gewisses Reflektions- und Abstrahierungsvermögen voraussetzt, das ich bei den Bürgern :innen in Gaza oftmals nicht zu sehen meine.

  • Die wahren Drahtzieher sitzen in Teheran. Sie finanzieren ihre Stellvertreter-Terrorganisationen wie Hamas, Huthis, Hisbollah, Islamischer Jihad, Revolutionsgarden etc., rüsten sie mit Waffen aus und werden immer weiter hetzen.

    2015 sagte Chameini die vollständige Zerstörung Israels bis 2040 aus. Seitdem zeigen in iranischen Großstädten Digitaluhren die verbleibende Zeit bis dahin an.

    "Zum 9. November 2014, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, ließ Khamenei einen Neun-Punkte-Plan zur Bekämpfung bzw. Zerstörung Israels auf Twitter verbreiten. Zur Zeit der Finalisierung des Internationalen Abkommens zum iranischen Atomprogramm 2015 ließ er sein 400-Seiten-Buch "Palestine" in einer Neuauflage veröffentlichen, in der er Israel abermals als "Krebsgeschwulst" bezeichnete, das vernichtet werden müsse."

    www.bpb.de/themen/...ranischen-regimes/

    Alles Gute für die Menschen in Israel, Gaza, Libanon, Irak, Jemen, Syrien, die unter dem iranischen Regime leiden!

    Und natürlich auch im Iran selber, insbesondere die Frauen. Volle Solidarität!

    • @shantivanille:

      Das schreiben Sie mit einiger Regelmäßigkeit, ich bezweifle aber, dass es eine auch nur im Ansatz richtige Analyse ist: Hamas, Houthis und Hisbollah sind keine reinen Befehlsempfänger, sondern durchaus eigenständige Akteure (die beiden ersten sind auch unabhängig vom Iran entstanden und Hamas hat kein unkompliziertes Verhältnis zu Teheran); die Revolutionsgarden hingegen sind keine "Stellvertreter-Terrororganisation", sondern schlichtweg ein offizieller Teil der staatlichen iranischen Streitkräfte. Die Konflikte, in die diese Gruppen verwickelt sind, wurden auch nicht vom Iran erfunden, sondern haben ihre eigene lokale Geschichte (was gerade für den israelisch-palästinensischen Konflikt gilt, der schon zu Zeiten getobt hat, als Iran noch ein Verbündeter des Westens war). Hier jedesmal reflexhaft "Teheran" zu schreien, mag der Einschwörung auf den nächsten Feind dienen (als würde man aus den Fehlern der letzten Jahrzehnte nicht lernen), ist aber haarsträubend unterkomplex und voller sachlicher Fehler. Übrigens: Die Menschen in Gaza und im Libanon leiden gerade vor allem unter israelischen Bomben. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, auch über die eigene Verantwortung nachzudenken.

  • "Die Angehörigen der national-religiösen Siedlerbewegung nutzen den Krieg seit einem Jahr, um ihre Vertreibungsfantasien gegen Palästinenser voranzubringen." Nicht nur die. Bereits vor zwei Tagen wurden berichtet das mehrere Likud- Mitglieder wieder an einer Konferenz am Sonntag und Montag teilnehmen werden die sich da nennt: “Preparing to Resettle Gaza” Ein Drittel der Likud- Mitglieder von Netanjahus Regierung wird daran teilnehmen das berichtet sowohl die Times of Israel als auch die Jerusalem Post.



    www.timesofisrael....r-resettling-gaza/



    www.jpost.com/isra...ews/article-824921



    Schon ziemlich krass v.a. wenn man sich gerade die israelische Strategie derzeit im Norden Gaza´s anschaut.



    Und selbst wenn Hamas jetzt geschwächt ist oder selbst wenn sie aufgeben würde, die Ideologie dahinter stirbt nicht. Hitlers Tod und die Niederlage der Nationalsozialisten im 2.WW hat ja leider auch nicht rechtsradikales Gedankengut für immer getötet. Entwerde wird sich die Hamas wieder neu aufbauen oder es kommt was anderes

    • @Momo Bar:

      "Konferenz am Sonntag und Montag teilnehmen werden die sich da nennt: “Preparing to Resettle Gaza”"



      Es sei daran erinnert, dass der vollständige Rückzug aus dem Gaza-Streifen dazu dienen sollte, dort Frieden zu schaffen.



      Wie gut das gelungen ist, haben wir alle gesehen.



      Wie man auch immer zu einer 'Wiederbesiedlung' des Gaza-Streifens stehen mag, das sollte nicht unerwähnt bleiben.

    • @Momo Bar:

      Seltsam das in Ihren Kommentaren nie der klare Vernichtungswillen gegenüber Israel zur Sprache kommt.



      Wo steht nochmal eine Uhr sie anzeigen soll, wann ein anderer Staat und alle seine Einwohner vernichtet werden soll?



      Immer nur wollen laut Ihnen, die Israelis den anderen etwas antun.



      Im Gegensatz zu ein paar rechten Stimmen in Israel, die Sie immer mit Vorliebe rauspicken, wollen mehr Palästinenser die Auslöschung Israels als umgekehrt.

      "Entwerde wird sich die Hamas wieder neu aufbauen oder es kommt was anderes"

      Nein, wenn Israel richtig handelt nicht.



      vae victis

    • @Momo Bar:

      Mit dem Unterschied das Hitler nur Macht und Zerstörung wollte, während Hamas, wenn auch extremistisch darauf abzieht ihr Folk zu befreien.



      Wegen Versammlungen wie diese hier.

    • @Momo Bar:

      Also von jemanden kommend der Familie in Lagern hatte: "Es kommt etwas anderes" ist meist besser als Nationalsozialismus. Vermutlich auch besser als der genozidale Hamas Flügel unter Sinwar und Co.

      "Some 21 towns and approximately 8,000 Israeli settlers were forcibly removed from the Gaza Strip during the 2005 disengagement."



      Klingt ja so als hätte Hamas einfach nur keinen Genozid an Israelis begehen müssen, damit Gaza weiterhin judenfrei bleiben würde.

      Übrigens, der von dir so verhasste Netjanjahu äußerte sich: “Netanyahu himself has already said he does not intend to allow the settlement of Gaza,” Gantz wrote on X.

      Ich freue mich, dass die Menschen in Gaza jetzt eine Chance haben sich neu politisch zu formieren. Koalitionen der Diaspora könnten helfen, dafür müssen wir in der Diaspora auch schwere Gespräche suchen:



      www.youtube.com/watch?v=oFZnzve8K9s

    • @Momo Bar:

      Da Sie sich auf 1945 beziehen:



      Wenn sich die Hamas nach einem militärischen Erfolg Israels so entwickelt wie die Nazis nach 1945 in Deutschland, wären alle glücklich.

      Demokratischer Staat, liberaler Rechtsstaat, Bündnispartner seiner ehemaligen Kriegsgegner, ...

      Selbst heute ist die AfD ideologisch noch deutlich entfernt von der NSDAP.

      Sollte es so in Gaza laufen, jubeln die Israelis.

      Zu "Preparing to resettle Gaza":

      Den Fehler, einfach abzuziehen und die Palästinenser sich selbst zu überlassen, werden die Israelis kein zweites Mal begehen.

      Dass Rechte da auf Besiedlungsideen kommen, überrascht nun nicht wirklich.

      Der 7.10.2023 war natürlich Wasser auf deren Mühlen. Es bestätigte sie.

      Die Frage ist, wer eine eine bessere Idee hat.

      Im Westjordanland können die Israelis auch schon nicht abziehen, da müssen sie Abbas stützen.

      • @rero:

        Der NS-Vergleich geht hier nicht auf, denn erstens ist die Vorgeschichte eine andere (die Rolle Israels als Besatzungsmacht – und zwar sogar vor der Gründung von Hamas – blenden Sie hier ja aus), und zweitens sind die Perspektiven ganz andere: es gibt keinen Grund zu glauben, dass Israel willens ist, den Palästinensern einen eigenen Staat zu gewähren. Sie sehen den Zynismus: man verweigert diesen Menschen seit Jahrzehnten elementare Rechte und verweist dann auf Hass und Radikalisierung, um weitere Unterdrückung zu rechtfertigen. Die abenteuerliche Behauptung, dass die Israelis im WJL wären, um Abbas und die PA zu stützen, passt leider allzu gut in diese Legitimationsstrategie, die von dem Kernproblem – der Besatzung – ablenkt.

        • @O.F.:

          "...ist die Vorgeschichte eine andere (die Rolle Israels als Besatzungsmacht – und zwar sogar vor der Gründung von Hamas – blenden Sie hier ja aus), und zweitens sind die Perspektiven ganz andere: es gibt keinen Grund zu glauben, dass Israel willens ist, den Palästinensern einen eigenen Staat zu gewähren."



          Diese Aussage ist schlicht falsch. Bereits mit der Gründung Israels gab es eine Möglichkeit für einen solchen palästinensischen Staat, derartige Möglichkeiten wiederholten sich - und wurden nie ergriffen.



          Wer hier was warum ausblendet, sei dahingestellt.

    • @Momo Bar:

      Da haben Sie recht. Und genauso, wie man den Rechtsextremismus weiter bekämpfen muss (auch lange nach Ende des 2.WK), wird man die Ideologie der Hamas (Antisemitismus, Israelhass) weiter bekämpfen müssen auch nach Ende dieser Terrororganisation.

      • @Vigoleis:

        Man könnte natürlich auch die Ursachen dieses Konfliktes und der damit einhergehenden Radikalisierung bekämpfen – dann allerdings müsste man auch die Rolle Israels als Besatzungsmacht berücksichtigen, statt die Palästinenser einem permanenten Kriegszustand zu unterwerfen.

        • @O.F.:

          "Radikalisierung", "permanenter Kriegszustand"?

          Ach herrje, mal wieder die Israels in allem schuld?

          Aber da Sie so gerne die Ursachen thematisiert hätten. Da fiele einem beispielsweise der Angriff der arabischen Staaten unmittelbar nach Gründung des Staates Israel ein, die jahrzehntelange und vielfach bis heute andauernde Weigerung, diesen Staat überhaupt erst anzuerkennen. Dazu die Kette an Anschlägen auf die Zivilbevölkerung, usw.

          Natürlich wird das Sicherheitsbedürfnis der Israelis instrumentalisiert, gerade durch die jetzige Regierung. Es aber schlicht zu ignorieren und die Palästinenser ausschließlich als Opfer zu betrachten, ist nun schon mehr als unterkomplex.

        • @O.F.:

          Ist das jetzt wieder die gute alte Täter-Opfer-Umkehr? Israel Besatzungsmacht? Soll Israel verschwinden? Nein, dieser Ansicht bin ich nicht. Ich stehe zum Existenzrecht Israels.



          Der abgrundtiefe Hass war schon 1948 da, als die Araber den "Judenstaat" ablehnten ( und die eigene Staatsgründung versäumten). Da machen Sie es sich doch sehr einfach. "Vom Fluss bis zum Meer" ist durch und durch antisemitisch konnotiert.