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Bündnis Sahra WagenknechtItalienisierung des Parteiensystems

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Wagenknecht-Partei ist kein neoautoritäres Gespenst der deutschen Geschichte. Sondern ein Vorbote dessen, was nach den Volksparteien kommt.

Geisterbeschwörungen gegen Sahra Wagenknecht bringen wenig Foto: Christian Heilwagen/imago

D as Bündnis Sahra Wagenknecht ist noch neu. Doch es gibt schon ein paar erstaunlich ausgehärtete Deutungen, was es mit der Partei auf sich hat. Eine lautet: Das BSW ist das Resultat des autoritären Defektes im Osten. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk hält das BSW für Ausdruck einer typisch ostigen „Sehnsucht nach einem autoritären Staatsgebilde, einer homogenen Gesellschaft und einer ‚Diktatur der Mehrheit‘“. Wagenknecht sei eine „leninistische Ideologin“, die einen Frontalangriff auf den freiheitlichen Westen im Schilde führt, so Kowalczuk. Also: Diktatur gegen Freiheit. Wie im Kalten Krieg.

Eine Handvoll früherer BürgerrechtlerInnen haben Wagenknecht attestiert, einen „nationalen Sozialismus“ anzustreben. Das BSW ist somit eine Art Wiedergängerin der totalitären deutschen Vergangenheiten. Daher warnen die AutorInnen, die CDU in Erfurt oder Dresden dürfe keinesfalls mit den BSW-Putin-Fans zusammenarbeiten.

Wagenknecht als Gespenst der deutschen Diktaturgeschichte zu entlarven, sorgt für eine übersichtliche Gut-böse-Front, die übrigens Wagenknechts Schwarzweißrhetorik umgekehrt spiegelt. Diese Geisterbeschwörungen bringen wenig. Das BSW ist kein Monster der Geschichte, sondern eine gegenwärtige Projektionsfläche für Sehnsüchte und Frustrationen.

Der Aufstieg des BSW ist Teil einer Art Italienisierung des deutschen Parteiensystems: Die beiden tragenden Säulen Union und SPD verlieren in einem langsamen Prozess ihre zentrale Stellung. Situative EmpörungsunternehmerInnen wie Wagenknecht sind im Aufwind. Der Osten mit seinen losen Parteibindungen ist da Trendsetter.

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In Westdeutschland hält man sich selbst zwar immer noch für die Demokratie-Norm und blickt entnervt auf die missratene Abweichung im Osten. Aber das ist eine Blickverengung. In einem von Rechtspopulisten bevölkerten Europa mit Wilders, Orbán und Meloni gerät ins Schwimmen, was Norm und was Abweichung ist.

Auch die alles überstrahlende Figur an der Spitze einer Partei ist weniger als Echo deutscher Diktaturgeschichte zu entziffern denn als beklagenswerter Normalfall westlicher Demokratien. In Italien schneiderte sich Berlusconi eine eigene Partei, Beppe Grillos populistische „Cinque Stelle“ stieg auf und verglühte wieder, Trump hat die Republikaner zu seinem Fanclub degradiert, Macron altbewährte französische Parteien ruiniert. Angesichts dessen wirkt Wagenknechts Ego-Partei eher wie eine nachholende Anpassung an den Zeitgeist digitaler Massendemokratien, in denen Organisationen weniger zählen als Personen.

Zu den Irrtümern über das BSW gehört auch, dass es sich um eine linkspopulistische Formation handelt. „Wir sind keine Linke 2.0“, beteuert Wagenknecht. Man sollte ihr nicht allzu viel glauben – das schon. Sie hat früher Hartz IV als Zeichen des Verrats der SPD gegeißelt. Dieser Furor ist verschwunden.

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An die Stelle der Ausgeschlossenen aus dem kapitalistischen System adressiert sie nun „die Fleißigen“. Die sind ein Synonym für den biodeutschen „kleinen Mann“, der sich von Gendern und Migranten, globalen Konzernen und grünen Eliten bedroht fühlt. BSW appelliert so an die „alte Mitte“ (Andreas Reckwitz), an Handwerker, Kleinunternehmer und Facharbeiter, die sich vom Zentrum an den Rand geschoben fühlen, und beschimpft die grünen Vertreter der globalisierungsaffinen, urbanen Wissensökonomie. Für die Provinz, gegen die Metropolen. Für das alte Normale, gegen das Globale.

Es gibt keine Linke ohne eine Idee von Fortschritt. Das BSW bietet keine. Für es liegt das Reich des Wünschenswerten hinter uns. Es ist die alte Bundesrepublik, eine idealisierte Deutschland-AG, in der hart arbeitende Männer in der deutschen Provinz die Norm definierten. Dass Wagenknecht diese Bundesrepublik nicht selbst erlebt hat, ist ihrer Lobpreisung zuträglich.

Die Zukunft in der Vergangenheit zu suchen, das authentische Volk zu preisen und abgehobene Eliten zu verdammen – damit schlägt das BSW ähnliche Töne an wie die AfD. Auch die Formel von der „dümmsten Regierung Europas“ ist populistische Wutbewirtschaftung. Allerdings trennt BSW und AfD viel. Die Wagenknecht-Truppe ist kulturell rechts, aber nicht rechtsextrem, migrationsskeptisch, aber nicht rassistisch, populistisch, aber nicht antidemokratisch.

Die größte Schwäche

Was das BSW wird, ist noch nicht klar. Es kann sich zu einer Kraft der rechten Mitte entwickeln, die wie die Freien Wähler in Bayern affektgeladene Anti-Establishment-Sprüche mit Erdverbundenheit kombiniert. Der Blick auf das Personal macht das aber eher unwahrscheinlich. Wagenknecht hat noch nie politische Verantwortung getragen. Ihr Geschäftsmodell ist die Produktion von Erregungszuständen und medialer Aufmerksamkeit.

Wie sich die Rolle der schneidenden Besserwisserin mit der Verteidigung mühsamer Kompromisse in der Bildungspolitik in Thüringen vertragen soll, ist unklar. Lafontaine und Wagenknecht haben in der Linkspartei mit Inbrunst jeden Kompromiss mit der SPD in Landesregierungen als Verrat gegeißelt. Dass ausgerechnet im autoritär geführten BSW Erfurt und Dresden autonom entscheiden dürfen, wäre eine Pointe.

Vermutlich aber ist Landespolitik nur Mittel für Wagenknechts Ziel, 2025 im Bundestag als Chefanklägerin gegen die nächste vermeintlich dümmste Regierung des Kontinents zu wettern. Einen Mechanismus, wie innere Konflikte gelöst werden, gibt es beim BSW nicht. Die Chefin hat immer recht – das wird nicht reichen.

Die Bürgerrechtler fordern, das BSW dürfe keinesfalls in Erfurt mitregieren. Sie liegen falsch. Und zwar nicht nur, weil man ja Mehrheiten gegen die rechtsextreme AfD bilden muss. Es ist falsch, das BSW in sein Heimatbiotop, die Opposition, zu schicken und aus der Verantwortung zu entlassen. Regieren wäre für die Wagenknecht-Partei ein viel größeres Risiko als für die CDU. Es wäre der Realitätstest für die populistischen Versprechen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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34 Kommentare

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  • Moderation , Moderator
    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.                   Die Moderation  
  • Das BSW ist nur eine Partei der "rechten Mitte", weil sich der Diskurs immer weiter nach rechts verschiebt. Nun sollen wir schon Leute für das wählbare kleinere Übel halten, weil sie "nur" gegen Geflüchtete sind, aber den gut integrierten Leuten mit Migrationshintergrund erlauben wollen, im Land zu bleiben?



    Die Menschen werden so mit Angst, Neid und Wut vollgepumpt, dass sie Menschlichkeit und Kooperation verlernen, gerade, wenn wir dringender denn je gegen die Mächtigen zusammenstehen müssten.

  • Die Überschrift macht mir Bauchweh.



    "Aber auch in den weiteren Jahren verfolgte die italienische Regierung trotz entsprechender Überlegungen, über freiwillige italienische Zuwanderung („immigrazione spontanea italiana“), Mischehen („matrimoni misti“) und teilweise deutschsprachige Abwanderung in andere italienische Regionen oder ins Ausland („in una parziale emigrazione di altoatesini altrove, in Italia o all’estero“) schleichend eine italienische Mehrheit in Südtirol zu erreichen, keine ernsthafte Majorisierungspolitik. Denn selbst wenn solche Ideen sogar von Diplomaten kolportiert wurden (so vom italienischen Generalkonsul in München, Luigi Silvestrelli, 1954 und vom Generalkonsul in Innsbruck, Mario Paulucci, 1956), so verhinderten doch..."



    "Industrialisierung und Italienisierung", eigentlich schon adressierte Begriffe aus der Mussolini-Ära, der Kontext polarisiert dies hier quasi als Kampfparole.



    Quelle barfuss.it

  • Es ist meines Erachtens ein guter Zeitpunkt, sich zu überlegen, ob man zu einem anderen System hin will, beispielsweise zu jemen in GB,

  • Italienisierung der Parteienlandschaft: Oskar Lafontaine als deutscher Berlusconi - das tät passen ;-)

  • Das Duo Wagenkneckt/Lafontaine, sind das überzeugungslose Überzeugungstäter?

    Also echt: Populismus ist blöd!

  • Die 60er reloaded



    AfD ist die CDU der sechziger und BSW spielt SPD der sechziger Jahre. Beide im Schwung, die Vergangenheit in die Zukunft zu katapultieren und ach das Wirtschaftswunder einer "schaffe schaffe Häuslebauer " Gesellschaft nostalgisch wieder aufleben zu lassen.



    Da ist der brave Deutsche im Gewand der AfD und der anständige Deutsche im Gewande der BSW. Wagenknecht als Willi Brand im Friedenstaumel des anständigen Deutschen, der zwar die Colonia Dignidad und ihre Päderasten stillschweigend schluckte aber sonst war alles bester korrupter Kapitalismus.



    Die Vergangenheit kommt aber nicht mehr wieder und wenn der Planet unbewohnbar wird dann können sich Wagenknecht und Höcke ihre Renaissance sonst irgendwo hinstecken, zusammen mit ihrem Putin Freund.

  • „… ist Teil einer Art Italienisierung des deutschen Parteiensystems“

    Die deutsche Parteien-Demokratie befindet sich in einer schweren Vertrauens-Krise.



    Die Ampelparteien haben im Wahlkampf und mit ihrem Koalitionsvertrag hohe Erwartungen geschürt, und zum überwiegenden Teil das Gegenteil davon geliefert: Exemplarisch sei hier das Bürgergeld (das teilweise repressiver ist als Hartz4) und die Glyphosat-Verlängerung, die eigentlich verhindert werden sollte.

    Auch die Klimapolitik mit der Abschaffung der Ressortbugdets, der Umstellung auf noch mehr Braunkohle und Fracking Gas sowie der Einführung von CCS ist gescheitert und wird die Pariser Ziele verfehlen.



    Das kann man nun nicht alles Putin in die Schuhe schieben.



    Zumal eine konsequente Energie-, Wärme- und Verkehrswende damals machbar und für Putin deutlich schmerzhafter gewesen wäre.

    Die Grünen und die SPD haben damit ihre Stammwählerschaft enttäuscht und teilweise verloren.



    Die drohende Abwahl in den kommenden Landtagswahlen sind die folgerichtige, demokratische Antwort darauf.

    BSW und AfD sind nicht Ursache, sondern Ergebnis dieser Wähler(ent)täuschung.



    Schuld daran sind Union, SPD, Grüne und FDP.

  • Es ist bekannt, dass es neue Parteien in D erstaunlich schwer haben im Vergleich zu anderen Laendern. Dass aber nun selbst linksliberale Zeitungen entgegen Pluralismus und damit Demokratie anschreiben, finde ich immer wieder erstaunlich.

  • Ja nun, der Parlamentarismus hat immer mal, wenn er zu oligarchisch wurde, eine Blutauffrischung durch neue Kräfte erfahren, die zum Missvergnügen der Alteingesessenen plötzlich auch Vertretung banspruchten.

    Das war die Arbeiterbewegung mit Sozialdemokratie und Labour als parlamentarischem Arm, hier und dort auch mit starken kommunistischen Parteien. Das war die Umweltbewegung mit den Grünen als parlamentarischem Arm.

    Nun kann man sagen: Sozialdemokraten und Grüne haben sozusagen "lange Wellen" der gesellschaftlichen Entwicklung repräsentiert, während Cinque Stelle, En Marche und BSW eher Antworten auf situative Unzufriedenheiten sind und keine wirklich neuen Ideen haben.

    Das mag sein. Ich denke, die Zukunft des BSW wird u.a. daran hängen, ob die ganze Politik der Aufrüstung und Kriegsbereitschaft in Deutschland und Europa auf Dauer gestellt wird. Wenn es einen neuen Entspannungsprozess gibt, dann ist dem BSW das zentrale Alleinstellungsmerkmal entzogen. Wenn es aber so weitergeht wie jetzt, dann wird sich das BSW als antimilitarische Mitte-Links-Sammlungsbewegung dauerhaft etablieren.

  • " ..... Die Wagenknecht-Truppe ist kulturell rechts, aber nicht rechtsextrem, migrationsskeptisch, aber nicht rassistisch, populistisch, aber nicht antidemokratisch. ..."



    Für mich stellt die Frau so viele Apekte der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Frage, dass ich dem letzten Punkt nicht zustimmen kann. Demokratie ist ja nicht nur Wahlrecht, der eine Punkt auf dem alle extremistischen und antidemokratischen Parteien berufen, alles andere interessiert die nicht mehr, dass wollen sie ja abschaffen.

  • Bei aller Zustimmung lautet die Kernfrage an den Autor: Sind die Wagenknechte wirklich eine Ansammlung harmloser Egomane, oder entsteht aus dem BSW-Gebräu ein demokratisch bedenklicher Führer*innenkult mit nicht akzeptablen Nachwirkungen. Dann müsste man eben doch den Anfänger*innen mit allem demokratischen Nachdruck die Macht verwehren.

    • @vieldenker:

      Wie auch immer. Aber offenbar scheint zu gelten: Es fehlt an Kompromissen. Die klassischen Linke hat sich ja irgendwie selber "zerlegt" - und das Tun der Grünen empfinde ich als Abkehr von deren ursprünglichen Idealen,

  • Warum gibt es keinen Club, Verein, Ständerat oder dergleichen, der jetzt einmal deutlich macht, dass WIR ALLE uns angesichts dieser globalen Probleme diese ganze Partikularisierung eigentlich gar nicht leisten können, wenn wir als Menschen auf dieser Welt überhaupt noch überleben wollen ? Es ist doch ein Versagen unseres Intellekts, insbesondere der Priviligierten, die das Glück hatten, sich mehr Wissen aneignen zu können, wenn sie sich diesen Möchtegernen in diesem Parteiensystem, das die Mütter und Väter dieses Grundgesetzes so sicherlich nicht angewandt haben wollten, hingeben. Warum bekommen es aufgeklärte Menschen und auch kein eigentlich dafür gewähltes Staatsoberhaupt nicht hin, an dieser Stelle den absoluten NOTSTAND auszurufen und sich verdammt noch einmal zusammenzutun mit den Wissenschaftlern, mit den Friedensforschern, mit den Soziologen, um die Mitmenschen mit ins Boot zu bekommen, damit alle gemeinsam in der EU, mit unseren Nachbarn, aber auch den Systemrivalen, die letzte Chance auf ein Überleben hinzubekommen ? Dieser Kleinkrieg der minderbemittelten Parteigänger kotzt mich an.

  • "Das ist allerdings nur dann "rechts" oder "konservativ", wenn man neoliberale Modernisierungskonzepte so weit internalisiert hat, dass man das Festhalten am Sozialstaat - mithin die Verteidigung von Errungenschaften - als reaktionäre Fortschrittsverweigerung wahrnimmt. Und genau darin liegt vielleicht das Problem heutiger Progressiver."

    Die "Progressiven" sind wohl kaum die, die GEGEN die Verteidigung des Sozialstaates sind! SW und co. geifern aber interessanterweise permanent gegen diejenigen, die gemeinhin neutral bis pejorativ als progressiv bezeichnet werden - also die Grünen und Die Linke (welche nie den Sozialstaat schleifen wollten) und eben nicht gegen diejenigen, die tatsächlich den Sozialstaat schleifen wollen, also CDU, FDP, AFD...

    Wenn SW wirklich eine soziale Agenda am Herzen läge, dann würde sie den Feind nicht ständig in den Grünen und der Linken sehen und nicht den Rechten den Weg ebnen, indem sie deren Mantra nachbetet (Gendern, Migration). In Sachen sozialer Gerechtigkeit habe ich in den letzten Jahren sehr wenig von SW gehört... momentan kann sie sich wohl nur darum kümmern, die Deutschen gegen die Ukrainer aufzuwiegeln.

  • Schade, dass Reinecke mit Begriffen wie "Handvoll früherer BürgerrechtlerInnen", "Schwarzweißrhetorik" und "Geisterbeschwörungen" die sehr differenziert und plausibel dargestellte These des "Freiheitsschock" versucht lächerlich und verächtlich zu machen. Ich empfehle das Interview mit Ilko-Sascha Kowalczuk am 24.08.2024 auf MDR KULTUR anzuhören:

    www.ardaudiothek.d...r-kultur/13661469/

  • Wagenknechts größte Schwäche ist, dass sie keine Teamplayerin ist. Für's Aushandeln von Kompromissen ist das eine denkbar schlechte Voraussetzung.

    • @Minion68:

      Wagenknecht wurden in den letzten 2 Jahren so viele Schwächen nachgesagt, welche am Ende nur Schall und Rauch waren. Unteranderem das fehlende Organisationstalent.



      Insbesondere von Links gerne vorgetragen.

      Ich glaube man sollte hier mehr Demut zeigen, denn diese Kompromisslosigkeit kann ihr auch zum Vorteil nutzen, da in manchen Bundesländern gar nicht am BSW vorbeizukommen ist, wenn man nicht die AfD will (Thüringen)…

  • Was soll die Panik. Zählt man alles zusammen dann hat die SPD+ noch immer 43%.

  • Ich stimme weitgehend mit dem Autor überein: so unsympathisch mirBSW ist -- die AfD sind sie nicht.

    @NUTZER

    Da hätte ich was: Neoliberal hat versagt, hat aber seit Clinton/Blair/Schröder ("It's the stupid economy!" [1]) auch die Sozialdemokratie übernommen.

    Bleibt eben entweder harte, linke Arbeit -- oder Empörungspopulismus. Zweiteres ist leichter.

    Ich sag' ja immer: Neoliberalismus gebiert Faschismus.

    [1] Oder irgendwie andersherum "It's the economy, I'm stupid". Oder... ich krieg's immer durcheinander!

    • @tomás zerolo:

      Ich denke auch, der Nährboden dieses teils unausgegorenen Frusts, der die Populisten - und schlimmstenfalls Faschisten - gedeihen ließ und lässt, ist bald 50 Jahre Neoliberalismus mit der Folge der extremen Ungleichheiten im Land.



      Die Flüchtlingskrise hat das bloß beschleunigt und den rassistischen Touch ergänzt.

    • @tomás zerolo:

      👍

  • Ja, der Artikel geht sehr in Richtungen, in die ich auch denke. Empörungsunternehmerin sicher - aber das ist auch wieder nichts so Besonderes. Ich denke, mit der Gesellschaft, wie sie ist, ist heute keiner zufrieden. Was uns glaube ich noch am meisten eint, ist die tiefe Empörung, über all die Dinge, die geändert werden müssten - nur eben sieht jeder sehr verschiedene Dinge.

    Ein Kriterium ist sicher die Homogenität - die Bewegungen von "Morgen", wie Böhemermann sagen würde, die alle Menschen einschließen. Und die Bewegungen von "Gestern", die nur für sich denken und sich mehr nicht vorstellen können oder wollen. Nachteilig an dieser Einteilung ist, dass die Bewegungen von Morgen schon national meist nur wenige Prozent erreichen, global oft winzig sind (auch wenn es in der Summe viele verschiedene gibt). Es ist einerseits gut für alle Menschen zu sprechen, aber doch nicht ganz so gut wie das auch mit dem Auftrag all der Menschen zu tun.

    So ist es glaube ich am ehesten so, wie der Artikel anklingen lässt: das alte wird gehen (SPD, irgendwann auch die CDU), was kommen wird, weiß noch keiner. Die Wirbel tragen BSW, vielleicht AfD nach oben - aber kaum auf Dauer.

  • Ein kluger, zurückgenommener Kommentar. Allerdings, wer hat denn das "Ende der großen Erzählungen" (außer der Klimakatastrophe) vorangetrieben? Das war die postmoderne Linke. Wenn sich jetzt Ein-Personen-Parteien etablieren und der "böse Populismus" Wähler zu nicht nur interessenbetonter, sondern emotionaler Stimmabgabe (ver)führt, dann darf man sich als Urheber dieser Ent-Sicherung und Fundamenterosion eigentlich nicht beklagen.

  • BSW ist ne rückwärtsgewandte Spießerpartei. Passt prima in die konservative deutsche Kleingärtnermentalität vieler.

  • Die sogenannten Volksparteien sind Gespinste aus den 1950er bis vielleicht späten 1990er Jahren. Spätestens, seit diese Angst haben müssen, bei Wahlen, wenn’s gut läuft, noch 20% der Wählerstimmen zu bekommen. Den Gesellschaftlichen Anforderungen werden Scholz, Lindner, Merz und Söder schon lange nicht mehr gerecht. Sie merken es nur nicht oder ignorieren es. Am ehesten schaffen es noch die vergleichsweise jungen Grünen, das politisch abzubilden. Werden medial aber bei Fehlern leider schnell abgeurteilt und tun sich auch sonst handwerklich schwer. Der Ruf der sogenannten Verbotspartei kommt ja nicht nur aus Sachsen oder von der Springerpresse. Die gesellschaftliche Zersplitterung spiegelt sich jetzt auch mit einer zersplitterten Parteienlandschaft wieder. Alles andere wäre ja auch unnormal.



    Die alten Parteien müssen sich überlegen, wie sie mit einer 30% AfD umgehen, ignorieren wird man das nicht mehr können. Man muss eben klug und ohne Parteibuch strategisch vorgehen, um solche mit Ihren eigenen Waffen zu schlagen. Ob das BSW es zu derartig fragwürdigem Ruhm überhaupt bringen wird, bleibt erstmal abzuwarten. Aber Branntmauern und Beschwörungen der Alten verfehlen das Ziel.

  • die entscheidende Frage ist aber, wieso spricht ein BSW so viele Menschen an?

    • @nutzer:

      Keine der etablierten Parteien hat ein Konzept um auch nur mit einem der gesellschaftlichen Großthemen BEFRIEDEND umgehen zu können.

      Irgendwann wählen die Leute dann halt mal was anderes…

    • @nutzer:

      Naja, der Artikel spricht es ja an, wenn auch mit gerümpfter Nase: weil der Fortschritt, von dem dort die Rede ist, eben viele auf der Strecke lässt (übrigens nicht nur in der Provinz). Die alte BRD mag ihre Tücken gehabt haben - aber sie hat dem durchschnittlichen Arbeitnehmer ein recht gutes Leben geboten. Die Demontage dieses Modells wird verständlicher Weise von vielen als Verlust empfunden wird. Das ist allerdings nur dann "rechts" oder "konservativ", wenn man neoliberale Modernisierungskonzepte so weit internalisiert hat, dass man das Festhalten am Sozialstaat - mithin die Verteidigung von Errungenschaften - als reaktionäre Fortschrittsverweigerung wahrnimmt. Und genau darin liegt vielleicht das Problem heutiger Progressiver.

      • @O.F.:

        Die BRD hat dem durchschnittlichen Arbeitnehmer ein recht gutes Leben geboten ... das mag sein, denn es musste ein Gegenentwurf zum real existierenden Sozialismus geboten werden. '89 fiel dieser dann weg. Wir haben damals immer gesagt, der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur übrig geblieben, mit all seinen Nachteieln, aber natürlich auch Vorteilen. Was in den letzten Jahrzehnten daraus entstanden ist, hat allerdings sehr viel Frustration hervorgebracht. Und machen wir uns nichts vor, angefangen hat es doch schon in den 70er Jahren, aber spätestens mit der sogenanten Bonner Wende '82.

    • @nutzer:

      Aus dem gleichen Grund, warum die AfD noch mehr Menschen anspricht: einfache Antworten auf komplexe Fragen...

      • @Volker Scheunert:

        aber warum stellen sich überhaupt komplexe Fragen, können die anderen Parteien die nicht beantworten?

        • @nutzer:

          Sie wollen sie vielfach nicht beantworten. Jede Einschränkung von Asyl Migration oder Kürzung von Sozialleistungen würde vollkommen gegen die Ideologie von Grün/SPD laufen… logisch das man keine Antworten liefern will, da man sonst die eigene Wählerschaft/Basis gegen sich aufbringt.

        • @nutzer:

          Doch, klar. Aber komplexe Fragen haben meisten auch komplexe Antworten. Und die passen nicht in ein TickTock Video