Berichte über den Nahost-Konflikt: Ihre Heiligkeit, die UNO

UNO-Berichte und die Aussagen von UNO-Experten werden fast nie hinterfragt. Das Beispiel Israel zeigt, warum sich das dringend ändern muss.

Gebäude hinter Stacheldraht mit blauem UNRWA-Symbol

Hauptquartier des palästinensischen Hilfswerks UNRWA in Gaza Foto: dpa

Die IPC (Integrated Food Security Phase Classification) wurde vergangene Woche veröffentlicht, ein Bericht, nach dem es doch keine Hungersnot in Gaza gibt. Er korrigierte damit einen früheren Bericht vom 18. März 2024. Der hatte eine drohende Hungersnot in Gaza vorausgesagt und mündete weltweit in die Nachricht, dass Kinder in Gaza verhungern. Auch die UN deklarierten das. Die Nachricht drehte sich weiter: Israel nutze das „Aushungern“ als Kriegsstrategie – eine Anschuldigung, die auch die UN gegen Israel richteten.

Die Anschuldigung bezog sich vorrangig auf den IPC-Report von März, der nun korrigiert wurde. Der erste Bericht erhielt globale Aufmerksamkeit, die Korrektur aber nicht. Die UN veröffentlichten am 4. Juni einen Kurzbericht, in dem steht: „Im Gegensatz zu den Annahmen, die für den Zeitraum März bis Juli 2024 gemacht wurden, wuchs die Menge an Nahrung […] stetig, welche die nördlichen Gebiete des Gazastreifens erreichte.“

Wie glaubwürdig sind die UN-Berichte, auf die sich so viele Medien, Menschenrechtsorganisationen und Politiker stützen? Diese Frage bewegt scheinbar kaum jemanden. Die Zahlen der Toten in Gaza, die in UN-Berichten genannt werden, beinhalten auch Hamas-Kämpfer – doch selten wird das differenziert dargestellt. Bei der Nennung israelischer Opferzahlen werden tote Soldaten hingegen nicht dazugezählt. Vielerorts werden UN-Berichte als unbestreitbar zuverlässige Quelle ohne Überprüfung aufgeführt und UN-Experten bedenkenlos zitiert.

„Jüdische Lobby“ ist schuld

Eklatantes Beispiel: die UN-Sonderbeauftragte für die palästinensischen Gebiete, Francesca ­Albanese. 2014 sprach sie auf einer Veranstaltung von einer „jüdischen Lobby, welche die USA in Schach hält“. Auch das Massaker vom 7. Oktober rechtfertigte sie – wofür sie scharfe Kritik erntete.

Es handelt sich dabei keineswegs um Einzelfälle, sondern um ein besonders schwerwiegendes Beispiel dafür, dass die UN, ihre Beobachter, Mitarbeiter und Berichte eben nicht den Heiligen Gral der absoluten Unabhängigkeit repräsentieren. Und oft sind sie von den nationalen Interessen ihrer 193 Mitglieder geprägt, von denen im Jahr 2023 laut dem jährlichen Demokratieindex des Economist lediglich 24 als „vollständige Demokratien“ eingestuft wurden. Israel war 2023 übrigens auf der Liste an 30. Stelle, gleich nach den USA und vor Portugal.

Im Jahr 2023 gab es bei den UN 15 Resolutionen gegen Israel und lediglich sieben auf alle anderen Länder verteilt. Es gab keine einzige Resolution gegen China, Venezuela, Saudi-Arabien. Das ist ein Muster, das sich durch die Jahre zieht: Seit 2015 haben die UN 140 Resolutionen gegen Israel verabschiedet, im Gegensatz zu insgesamt 68 Resolutionen gegen alle anderen Länder der Welt.

Diese Zahlen spiegeln globale Machtverhältnisse wider: Neben einer Mehrheit nicht demokratischer Staaten steht auch eine Mehrheit von rund 50 muslimischen Staaten, von denen die meisten israel­feindlich sind, einem einzigen jüdischen Staat gegenüber.

Unfassbar viele Resolutionen gegen Israel

Die UN stehen oft vor einem Dilemma. Durch Rotationsprinzipien übernehmen Staaten mit schlimmer Menschenrechtsbilanz den Vorsitz entsprechender Foren und machen ihre Arbeit zu einer Farce, so zum Beispiel Iran im Jahr 2023. Autoritäre Staaten, die Menschenrechtsverbrechen aufweisen, bringen Resolutionen ein.

Die UN sind eben bei Weitem keine „universale Wertegemeinschaft“, wie im Traum des Gründervaters ­Woodrow Wilson vorgesehen. Interessanterweise werden sie aber in der globalen Wahrnehmung bezüglich Israel als ebensolche gehandelt, wenn ihre Anklagen gegen Israel ungeprüft weiterverbreitet und zitiert werden.

Tiefgreifende Probleme mit den UN gibt es auch in anderen Bereichen. Zum Beispiel haben sie kürzlich der Forderung der Taliban nachgegeben, auf einer Konferenz in Doha keine afghanischen Frauen zuzulassen und Frauenrechte von der Agenda zu streichen. Im Mai berichtete die Deutsche Welle, dass Bangladesch Soldaten einer Einheit, die gemordet und gefoltert hat, auf Blauhelmmission geschickt hat. Dem Bericht zufolge ist diese Praxis keine Ausnahme.

Recherchen, die das Palästinenserhilfswerk UNRWA – die einzige UN-Institution, die einer bestimmten Volksgruppe zugeordnet ist – unter die Lupe nehmen, findet man dagegen kaum. Was wird an UNRWA-finanzierten Schulen gelehrt? Ein Blick in die Schulbücher zeigt, dass die Ablehnung des jüdischen Staats und Antisemitismus dort weit verbreitet sind.

UNRWA-Mitarbeiter jubelten auf Telegram

Letzten Montag haben mehr als hundert israelische Opfer und Familienangehörige von Opfern des 7. Oktober eine Klage gegen das UNRWA eingereicht. Die Anschuldigung, unter anderem: Es erlaube der Hamas, seine Einrichtungen als Waffenlager zu nutzen, habe Tunnel und Kommandozentralen unter seinen Schulen bauen lassen. Erwiesen ist, dass in einer Telegram-Gruppe mit 3.000 UNRWA-Mitarbeitern der Pogrom vom 7. Oktober gefeiert wurde und dass einige UNRWA-Mitarbeiter sogar aktiv daran beteiligt waren.

Während also an anderer Stelle Kritik geübt wird, Recherchen in Auftrag gegeben werden oder Verbrechen aufgedeckt werden, bleibt es meistens, wenn es um die Beziehung der UN zu Israel geht, ziemlich still.

Und anstatt die Voreingenommenheit der UN gegen Israels zu hinterfragen, wird der Spieß umgedreht. Israel werden Voreingenommenheit und sogar Schmäh­kampagnen gegen die UN vorgeworfen. Und die fehlgeleitete Politik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu befeuert leider diesen falschen Vorwurf.

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Vereinten Nationen, ihren Unterorganisationen und ihrem Personal ist lange überfällig. Es stünde der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock, die ihren wertebasierten Politikansatz so häufig betont, gut zu Gesicht, den Anfang zu machen.

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