Russlands ganz eigener Friedensplan: Nicht mitmachen und dann stören

Die Friedenskonferenz in der Schweiz machte Russland bewusst lächerlich. Eine eigene Erklärung meinte Wladimir Putin aber doch abgeben zu müssen.

Wladimir Putin sitzt in einem Sessel mit Mikrofon in der Hand

Hat seinen ganz eigenen Friedensplan: Wladimir Putin Foto: Alexander Kazakov /Reuters

BERLIN taz | Sinnlos, realitätsfern und eine Pleite mit Ansage: Schon zwei Wochen vor dem Beginn der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz ließ der Kreml keine Gelegenheit aus, um den von Kyjiw initiierten Gipfel lächerlich zu machen. Doch offensichtlich war die Veranstaltung dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wichtig genug, um am vergangenen Freitag eine Erklärung abzugeben. Darin legte er seine Bedingungen für ein Ende der Kriegsführung in der Ukraine dar. Man sei bereit, den Befehl zur Beendigung des Krieges noch in derselben Minute zu geben, wenn die ukrainischen Truppen sich aus den vier Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson vollständig zurückziehen. Diese hatte Moskau im Herbst 2022 offiziell als Teil der Russischen Föderation anerkannt.

Aus ukrainischer Sicht bietet Putin der Ukraine faktisch die Kapitulation an

Die zweite Bedingung lautet, dass die Ukraine offiziell auf die Absicht verzichtet, der Nato beizutreten, einen „neutralen, atomwaffenfreien Status einnimmt, sich einer Entnazifizierung und Entmilitarisierung unterzieht“ und die „neuen territorialen Realitäten“ in internationalen Verträgen festschreibt. „Die Existenz der Ukraine hängt vom Dialog mit Russland ab“, sagte Putin.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Vorschläge als „Ultimatum“ und „russischen Nazismus“. „Heute spricht er von vier Regionen, früher waren es nur die Krim und der Donbass. Das ist ein neuer Nazismus mit Putin’schem Antlitz“, sagte Selenskyj.

Aus ukrainischer Sicht bietet Putin der Ukraine faktisch die Kapitulation an. Wie unannehmbar diese Forderungen sind, zeigt der Umstand, dass Kyjiw ukrainisches Territorium mit einer Größe von rund 26.000 Quadratkilometern und mit zwei bis drei Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen aufgeben soll – darunter die Stadt Saporischschja, die nie unter russischer Besatzung stand, sowie die im Herbst 2022 von der Ukraine zurückeroberte Stadt Cherson. „Russland kann morgen mit uns Verhandlungen beginnen, ohne auf etwas zu warten, wenn es sich von unseren rechtmäßigen Territorien zurückzieht“, sagte Selenskyj nach Abschluss der Friedenskonferenz.

Ukraine wertet Friedensgipfel als Erfolg

Ukrainische Ex­per­t*i­nnen wiesen darauf hin, dass Putin lediglich wiederholt habe, was er bereits kurz vor dem Einmarsch in die Ukraine gesagt hatte. Seine Aussagen am Vorabend des Gipfels hätten darauf abgezielt, die internationale Öffentlichkeit erneut zu täuschen sowie die Teilnahme einiger wichtiger Länder an dem Treffen in der Schweiz zu verhindern.

Zu diesem Zweck hatte der Kreml seine Partner im Osten und Globalen Süden bereits massiv bearbeitet. Das Ergebnis: China, Pakistan und einige andere Länder schlugen die Einladung aus oder lehnten im letzten Moment mit dem Hinweis auf die Abwesenheit Russlands ab. Gleichzeitig gelang es der Ukraine, Vertreter Indiens, Südafrikas, Saudi-Arabiens und Brasiliens als Beobachter zur Teilnahme zu bewegen.

Obwohl auf dem Gipfel keine konkreten Beschlüsse zur Beendigung des Kriegs gefasst wurden, wird in der Ukraine bereits die Tatsache, dass er mit so vielen Ländern und Organisationen stattfand, insbesondere mit solchen, die „gute“ Beziehungen zu Russland haben, als Erfolg gewertet. „Das wichtigste Ergebnis des Gipfels ist, dass die ukrainische Friedensformel von der Mehrheit der Länder als Grundlage angenommen worden ist“, sagte Jehor Chernijew, Vizevorsitzender des Verteidigungsausschusses der Werchowna Rada, des ukrainischen Parlaments. 80 der 93 Teilnehmerstaaten hatten sich unter anderem für die territoriale Integrität des Landes ausgesprochen. Der nächste Gipfel sollte für Chernijew unter Beteiligung Russlands stattfinden, wo diesem die vereinbarte Position der internationalen Gemeinschaft präsentiert wird. „Und es für den Kreml viel schwieriger werden wird, sich zu distanzieren oder der Welt ein Ultimatum zu stellen.“

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