Deal mit der US-Justiz: Julian Assange kommt frei
Überraschender Wendepunkt: Der Wikileaks-Gründer hat London verlassen. Er will sich schuldig bekennen und in seine Heimat Australien zurückkehren.
Wikileaks bestätigte Assanges Freilassung aus einem britischen Gefängnis. In einem Post auf X war zu sehen, wie Assange am Londoner Flughafen Stansted ein Flugzeug besteigt, um England zu verlassen. Laut Wikileaks wurde Assange am Montag aus einem Hochsicherheitsgefängnis in London entlassen, in dem er in den vergangenen fünf Jahren einsaß. Es wird erwartet, dass er vor einem US-Bundesgericht auf den Nördlichen Marianen – einem US-Außengebiet im Westpazifik – erscheint.
Empfohlener externer Inhalt
Assange soll sich laut den Berichten in einem Anklagepunkt der unerlaubten Beschaffung und Veröffentlichung von geheimen US-Militärinformationen schuldig bekennen. Für dieses Vergehen soll er eine Gefängnisstrafe von 62 Monaten bekommen, also genau der Zeit, die er bereits in einem Gefängnis in Großbritannien abgesessen hat. Es wird erwartet, dass es noch in dieser Woche zu einem Gerichtsverfahren kommt. Danach könnte der gebürtige Australier als freier Mann in seine Heimat zurückkehren.
Erst im vergangenen Monat hatte ein Gericht in London entschieden, dass Assange seine Auslieferung in die USA weiter rechtlich anfechten kann. Es war das vorerst letzte Kapital in einem Verfahren, das mit der Veröffentlichung von geheimen US-Militärinformationen und einem Video, welches einen US-Luftangriff im Irak zeigte, vor 14 Jahren begann.
Im Jahr 2019 entzog die ecuadorianische Regierung Assange den Flüchtlingsstatus, nachdem er mehr als sieben Jahre in der Botschaft des südamerikanischen Landes in London Unterschlupf gefunden hatte. Kurz darauf wurde er von den britischen Behörden verhaftet. Die US-Regierung unter Ex-Präsident Donald Trump erhob im Mai 2019 dann Anklage gegen Assange. Das US-Justizministerium warf ihm vor, maßgeblich an „einem der größten Missbrauchsfälle von Geheiminformationen in der Geschichte der Vereinigten Staaten“ beteiligt gewesen zu sein.
Journalistenverbände befürchteten Präzedenzfall
Assange und Wikileaks sollen sich laut der amerikanischen Anklageschrift ab 2009 aktiv auf die Suche nach geheimen Informationen der US-Regierung gemacht haben. Die ehemalige US-Militärgeheimdienst-Analystin Chelsea Manning habe daraufhin tausende ihr zur Verfügung stehende Geheiminformationen an Wikileaks weitergeleitet. Manning wurde 2010 verhaftet und zu 35 Jahren Haft verurteilt. Ex-US-Präsident Barack Obama setzte die Strafe nach sieben Jahren Haft aus.
Die US-Regierung hatte Assange vorgeworfen, die erhaltenen Informationen nicht sorgfältig vor der Veröffentlichung überprüft zu haben und dadurch Menschen in Gefahr gebracht zu haben. „Kein verantwortungsbewusster Akteur, sei es ein Journalist oder sonst jemand, würde absichtlich die Namen von Personen veröffentlichen, von denen er weiß, dass es sich um vertrauliche menschliche Quellen in einem Kriegsgebiet handelt, und sie damit der größten Gefahr aussetzen“, sagte der ehemalige stellvertretende Generalstaatsanwalt John Demers zum Zeitpunkt der Anklageerhebung.
Die australische Regierung fordert seit Jahren von US-Präsident Joe Biden und dessen Regierung, den Strafprozess gegen Assange fallen zu lassen. Biden selbst bestätigte im April, dass seine Regierung dies durchaus in Erwägung ziehe.
Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände beäugen den Fall ebenfalls seit Jahren kritischen. Vor allem Journalistenverbände haben immer wieder Bedenken geäußert, denn wenn Assange für seinen Verstoß gegen das amerikanische Spionagegesetz verurteilt werden würde, hätte dies möglicherweise dramatische Konsequenzen für die Arbeit von Journalisten. Die US-Regierung könnte den Fall Assange als Präzedenzfall ansehen, um auch andere Journalisten für ihre Recherchen und die Verwendung von geheimen Unterlagen zur Rechenschaft zu ziehen.
Post zeigt Assange am Flughafen
Das Abkommen zwischen der US-Justizbehörde und Assange bedeutet nun auch, dass eine für Juli angesetzte Anhörung im seit Jahre andauernden Auslieferungsverfahren nicht mehr benötigt wird.
„Wikileaks veröffentlichte bahnbrechende Geschichten über Korruption in der Regierung und Menschenrechtsverletzungen und zog die Mächtigen für ihre Taten zur Rechenschaft. Als Chefredakteur musste Julian einen hohen Preis für diese Prinzipien zahlen – und für das Recht der Menschen, darüber informiert zu werden“, hieß es in einem Post von Wikileaks auf X.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben