Reaktionen auf veröffentlichte E-Mails: Stark-Watzinger stark in der Kritik

Die Bildungsministerin wollte prüfen, ob kritischen Hochschullehrern Förderung entzogen werden kann. Einige sehen die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr.

Das Portrait einer Frau, die nach unten schaut

Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, am Rande des Plenarsaals des Deutschen Bundestags Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN taz | Aus E-Mails, die dem NDR vorliegen, geht hervor, dass Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) darum gebeten hat, eine Streichung der Fördermittel für kritische Hoch­schul­leh­re­r:in­nen zu prüfen. Zudem sollten straf- und dienstrechtliche Konsequenzen geprüft werden.

Anlass war ein offener Brief, den Professor:in­nen und Dozierende verschiedener Einrichtungen zur propalästinensischen Besetzung an der Freien Universität Berlin verfasst hatten. Die Un­ter­zeich­ne­r:in­nen forderten, von einem polizeilichen Einsatz und strafrechtlicher Verfolgung abzusehen.

Kurz nach der Veröffentlichung kritisierte Stark-Watzinger den Brief gegenüber der Bild-Zeitung und warf den Un­ter­zeich­ne­r:in­nen Gewaltverharmlosung vor.

Die veröffentlichten Mails zeigen jedoch, dass eine derartige Prüfung scheiterte. Es sei kein prüffähiger Sachverhalt zu erkennen, heißt es darin. „Hochschulpolitik ist Landesangelegenheit. Fast alle Unterzeichner sind, wenn sie überhaupt angestellt sind, Landesbeamte oder im öffentlichen Dienst der Länder angestellt“, erklärt der Politikwissenschaftler Ilyas Saliba.

Sorge um Zukunft der Forschung

Naika Foroutan, Professorin für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin und Mitunterzeichnerin des offenen Briefs, macht sich vor allem Sorgen darüber, was das für die Wissenschaftsförderung bedeutet: „Unsere Forschungstätigkeiten werden vor allem über Drittmittel finanziert, die oft vom BMBF kommen“, erklärt sie gegenüber der taz. „Ich frage mich jetzt, ob Projekte, die von meinem Institut oder von Kolleg:innen, die den Brief unterschrieben haben, anders bewertet oder gleich aussortiert werden.“

Verwundert sei sie zudem darüber, dass eine solch repressive Linie ausgerechnet von einer Ministerin der FDP komme, die das Wort „frei“ im Namen trägt. Etwas, das auch Saliba beschäftigt: „Zu prüfen, ob man straf-, dienst- und förderrechtlich gegen unliebsame Wissenschaftler vorgehen kann, ist eine autoritäre Praxis. Das kennen wir aus dem Nahen Osten, Nordafrika oder Ungarn, wo kritischen Wissenschaftlern eine Zukunftsperspektive der Wissenschaft verwehrt werden soll.“

Obwohl die Forderung gescheitert sei, könne sie schwerwiegende Folgen für die Wissenschaftsfreiheit haben, meint Saliba: „Ich denke, es ist an der Zeit für die Ministerin, einzugestehen, dass sie einen enormen Vertrauensverlust in der Wissenschaft zu verantworten hat.“

Kritik auch von Linke und Grüne

Nicht nur von den Un­ter­zeich­ne­r:in­nen wurde Stark-Watzinger kritisiert. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Linken, Nicole Gohlke, erklärte gegenüber der taz: „Den Vorstoß, Fördermittel als Sanktions- und Druckmittel im Kampf gegen unliebsame Meinungen einzusetzen, finde ich bodenlos.“

Auch Anja Reinalter, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, meint: „Wir müssen entschieden gegen Antisemitismus vorgehen. Allerdings irritiert mich die Idee von Bettina Stark-Watzinger, die Streichung von Fördermitteln zu prüfen. Das könnte […] ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit sein.“

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