Krieg in Nahost: Ausweitung der Kampfzone
Nach der Tötung eines Hisbollah-Kommandeurs schießt die libanesische Miliz Raketenhagel auf Nordisrael. Die Gaza-Verhandlungen stecken vorerst fest.
Mindestens 170 Raketen und einige Anti-Panzer-Geschosse flogen am Mittwoch auf Nordisrael, nachdem in der Nacht zuvor ein Luftschlag des israelischen Militärs im Südlibanon einen wichtigen Hisbollah-Kommandeur, Taleb Sami Abdallah, getötet hatte. Al-Mayadeen, ein libanesischer TV-Sender, der als Iran- und Hisbollah-nah gilt, bezeichnete Abdallah als „bekannten Anführer im islamischen Widerstand“ und gab an, er sei „auf dem Weg von al-Quds“ – der arabische Name für Jerusalem – gestorben. Mit ihm wurden drei weitere Hisbollah-Kämpfer getötet.
Abdallah galt als einer der erfahrensten Kommandeure der Miliz. Nach Angaben des israelischen Militärs ist er der wichtigste Kommandeur, den die Armee bisher getötet habe. Abdallah führte eine der drei regionalen Einheiten der Hisbollah im Südlibanon an und war damit wohl für Dutzende Angriffe auf Nordisrael in den vergangenen Monaten verantwortlich – wie auch bereits im Krieg zwischen der Hisbollah und Israel im Jahr 2006.
Dementsprechend fiel auch die Reaktion der Miliz aus: Man werde die „Intensität, Stärke, Quantität und Qualität“ der Attacken erhöhen, erklärte ein Hisbollah-Mitglied auf der Beerdigung Abdallahs. Das israelische Militär gab an, von weiteren Attacken auszugehen. Bereits zu Beginn der Woche, und auch am Mittwoch, zielte das israelische Militär erneut auf Raketenwerfer der Hisbollah.
Immer mehr Israelis fordern Krieg gegen Hisbollah
Immer mehr Stimmen werden nun in Israel laut, dass es an der Zeit sei, in einen Krieg gegen die Miliz im nördlichen Nachbarland einzusteigen. Nach Angaben der Zeitung Times of Israel griff außerdem die Huthi-Miliz im Jemen erneut ein Frachtschiff an. Die Angriffe machen wieder einmal den Multi-Fronten-Konflikt deutlich, in dem sich Israel derzeit befindet: mit der Hamas im Gazastreifen, der Hisbollah und verwandten Milizen im Südlibanon und der Huthi-Miliz im Jemen.
Vor einiger Zeit schien es so, als könnte zumindest der Krieg im Gazastreifen bald enden und damit die immer noch dort festgehaltenen mehr als 100 Geiseln befreit und das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung gelindert werden. US-Präsident Joe Biden hatte in einer Rede am 31. Mai einen dreiphasigen Vorschlag für einen Waffenstillstand seitens Israels vorgestellt.
Teil dessen waren unter anderem die Freilassung der Geiseln sowie palästinensischer Gefangener in Israel und der Wiederaufbau Gazas. Doch in einem zentralen Punkt können Hamas und Israel Medienberichten zufolge weiter zu keiner Einigung finden: Während die Hamas einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand fordert, will Israel weiter gegen die Miliz vorgehen.
Am Dienstag antwortete die Hamas auf den Biden-Vorschlag mit „Änderungen“ dessen. Nach Angaben Israels kommen diese einer Zurückweisung des Deals gleich. Laut Times of Israel hat sich bereits in der vergangenen Woche gezeigt, dass die Hamas aus taktischen Gründen den Deal nicht per se ablehnen würde – auch wegen des internationalen Drucks, ihn anzunehmen. Stattdessen würde die Miliz weitreichende Änderungen vorschlagen. Nach israelischen Angaben habe die Hamas „alle hauptsächlichen und die bedeutendsten Parameter verändert“.
Blinken kritisiert Hamas
Bei einer Pressekonferenz in Katar, wo sich US-Außenminister Antony Blinken derzeit aufhält, kritisierte auch er das Verhalten der Hamas: Einige der Änderungen seien „machbar“, andere nicht. Und: Der Deal, der derzeit auf dem Tisch liegt, sei praktisch identisch mit einem Vorschlag, den die Hamas selbst am 6. Mai unterbreitet habe.
Katar hatte israelischen Medienberichten zufolge im April die Führung der Hamas bereits einmal des Landes verwiesen, die daraufhin temporär in die Türkei verzog – im Versuch, den Druck auf die Gruppe erhöhen, einen Deal anzunehmen. Eine solche Drohung halten sie Berichten zufolge weiter aufrecht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!