Folter Terrorverdächtiger in Russland: Moskaus fatale Hetze
Mit der unverhüllten Folter erteilte Russland einen Freifahrtschein zur Gewalt. Nun richtet sich der Zorn gegen Tadschik*innen und Kirgis*innen.
V ier mutmaßliche Attentäter in Glaskäfigen, die offensichtlich massiv gefoltert wurden: Viele sind geschockt von diesen Bildern aus einem Moskauer Gericht. Warum eigentlich? Folter, Vergewaltigungen und schwere Misshandlungen waren und sind in Russland gängige Methode, um aus Beschuldigten Geständnisse herauszuprügeln, so absurd diese mitunter auch sein mögen. Manchmal quälen Sicherheitskräfte auch diskreter, damit die Betroffenen noch halbwegs vorzeigbar sind.
Doch damit scheint es, zumindest in diesem Fall, vorbei zu sein. Die Botschaft lautet im Gegenteil: Seht her, wir greifen durch und machen unseren Job, was man im Hinblick auf Sicherheitsvorkehrungen für die Konzerthalle Crocus City Hall in der Region Moskau am vergangenen Freitag nicht gerade behaupten kann. Auf diese Weise ein Exempel zu statuieren, fällt in einer zunehmend verrohten und xenophob grundierten Gesellschaft auf fruchtbaren Boden.
Die Menschen aus den Staaten Zentralasiens und des Kaukasus gelten seit jeher als Hassobjekt und „Abschaum“ – eine Erzählung, die von führenden Politiker*innen, aber auch dem Moskauer Patriarchen Kirill massiv befeuert wird. Seit Jahren sind sie bevorzugtes Ziel von willkürlichen Festnahmen, Razzien und Schikanen aller Art. Gleichzeitig sind die Männer jedoch gut genug, um sich – geködert mit der Aussicht auf einen russischen Pass – an der Front in der Ukraine verheizen und töten zu lassen.
Daher kann es kaum überraschen, dass sich jetzt, nach dem barbarischen Attentat mit knapp 140 Toten, der Volkszorn Bahn bricht und eine weitere Runde der Hetzjagd eröffnet ist. Warum das Recht nicht in die eigene Hand und gleich alle Tadschik*innen oder Kirgis*innen in Kollektivhaft nehmen? Der Staat zeigt schließlich, wie das geht.
Diese Selbstjustiz könnte fatale Folgen haben: Die Gewalt in Russland dürfte zunehmen und Tendenzen der Destabilisierung in der Gesellschaft könnten sich weiter verstärken. Fraglich, ob das wirklich im Sinne des Kreml ist.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen