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DemonstrationenDeutschland, deine Protestkultur

Konfrontieren Bür­ge­r*in­nen ihre Ver­tre­te­r*in­nen, gilt das schon als „Verrohung“. Dabei ist Abschottung der politischen Klasse undemokratisch.

Mehrere tausend Landwirte demonstrieren mit ihren Traktoren vor dem Brandenburger Tor am 18. Dezember Foto: Olaf Schuelke/imago

Einmal tief Luft holen. Was ist in der Nacht vom 4. Januar in Schlüttsiel passiert? Ein Pulk von rund 300 Menschen ist zu einer Fähre gegangen und hat Lärm gemacht. Laut Angaben der Polizei wollten etwa 25 Personen auf die Fähre gelangen, auf der sich Wirtschaftsminister Robert Habeck befand. So weit die Fakten.

Ob es zu Gewalt gekommen wäre, wenn die Demonstrierenden auf das Schiff gekommen wären, ist reine Vermutung, ja Unterstellung. Dass die Fähre vorsichtshalber wieder abgelegt hat – verständlich. Dass die deutsche Öffentlichkeit über diesen Fast-Vorfall in Schnappatmung gerät – bedenklich.

Die Aufregung über die „Gewalt“, die gar nicht passiert ist und nur vermutlich passiert wäre, sagt viel über Deutschlands erbärmliche Protestkultur und ein defizitäres Verständnis von Demokratie aus. In anderen Ländern gehört es zum Standardrepertoire, Po­li­ti­ke­r*in­nen aufzusuchen, zu stören und gegebenenfalls deren Fortbewegung zu blockieren. Warum auch nicht?

Die meisten deutschen Re­gie­rungs­po­li­ti­ke­r*in­nen lassen sich diskret von ihren Chauf­feu­r*in­nen in die Tiefgaragen des Bundestags bringen und fahren von da mit dem Fahrstuhl in den Plenarsaal. Will man im Regierungsviertel von einem Gebäude ins andere, gibt es praktischerweise unterirdische Gänge. Bloß kein Kontakt nach draußen! Ein feudaler König hätte es sich nicht besser erträumen können.

Abgeordnete und Mi­nis­te­r*in­nen bekommen normale Menschen quasi nie zu Gesicht. Sie müssen sich buchstäblich nie mit der Lebensrealität der Bevölkerung konfrontieren. Das ist nicht nur symbolisch ein Problem: Leider zeugt ihre Politik oftmals von eben dieser Entfremdung. Natürlich sucht man da als Bür­ge­r*in die Konfrontation. Wer das allein schon als „Verrohung“ oder „antidemokratisch“ bezeichnet, sollte sich mal mit der Französischen Revolution beschäftigen, der Wiege der europäischen Demokratie. Der deutsche Hang zu Anstand und Gehorsam steht diesen Werten allzu oft entgegen.

Auf einem anderen Blatt steht, dass die Bauernproteste von Rechtsextremen unterwandert werden und dass eine sehr kritische, inhaltliche Auseinandersetzung damit geboten ist. Es gibt unter den De­mons­tran­t*in­nen rechtsextreme Chatgruppen, die den Sturz der Regierung fordern.

Fairerweise muss man dazu sagen, dass die politische Zugehörigkeit der 25 Fähren-Blockierer*innen noch nicht sicher festgestellt wurde. Wenn sie sich als rechtsextrem erweisen, dann ist es aber egal, ob sie eine Fähre blockieren oder nur danebenstehen: Dann ist ihre Ideologie das zu bekämpfende Problem.

Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder sagte über die jüngsten Vorfälle, er habe Verständnis für die Anliegen der Bauern, weise aber deren radikale Protestform zurück. Im Gegenteil, Herr Söder! Die Form als solche ist – bisher zumindest – völlig harmlos und Teil eines Standardrepertoires von zivilen Protesten. Die inhaltliche Ausrichtung hingegen sollte man streng unter die Lupe nehmen.

Aber auch im Herausstellen der rechtsextremen Strömungen der „Bauernproteste“ wären zwei Dinge angebracht: Erstens, die verschiedenen Ak­teu­r*in­nen der Landwirtschaft auseinanderzuhalten und zwischen den unterschiedlichen Forderungen zu differenzieren. Nicht alle Land­wir­t*in­nen sind Teil der subventionierten Großindustrie, die eine mächtige Lobby auf Bundes- und EU-Ebene hat. Nicht alle protestierenden Land­wir­t*in­nen sind rechts und antiökologisch.

Zweitens reicht es nicht, sich über die rechte Vereinnahmung zu empören, sondern es muss auch gegengesteuert werden. Dazu gehört in erster Linie, die realen Probleme der Bäue­r*in­nen ernst zu nehmen. Und da geht es nicht nur um die Kfz-Steuer. Viele Land­wir­t*in­nen leiden unter massivem Höfesterben und Landgrabbing. In Frankreich und in der Schweiz gehört die Landwirtschaft zu einer Berufssparte mit besonders hoher Suizidrate – in Deutschland werden diese Zahlen zwar nicht erfasst, doch ist die Problemlage sehr ähnlich. Auch über diese Form der Gewalt muss gesprochen werden.

Die frühere Aktivistin und Linkenpolitikerin Carola Rackete macht es deshalb richtig: In einem Video benennt sie die Probleme von Bäuer*innen, nimmt sie ernst, kritisiert die tatsächlichen Fehler der Bundesregierung, ohne zu pauschalisieren – und ruft gleichzeitig zu einer klaren Distanzierung von den rechten und rechtsextremen Kräften innerhalb der Proteste auf. So viel Komplexität muss sein.

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43 Kommentare

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  • Wer meint, Demokratie beinhalte ein Recht darauf, den Abgeordneten in Person überraschend aufzulauern, sollte noch einmal nachdenken.

    Wie viele Bürger wären denn selbst bereit, jeden Knallkopf der gerade mit einer Entscheidung der Regierung unzufrieden ist, ganz nah an sich heranzulassen? Eben!

    Es geht nicht um Abschottung, sondern um die Sicherheit für Leib und Leben der Abgeordneten!

    Unzufrieden ist immer jemand; der eine, weil er Coronamassnahmen doof findet, der nächste, weil er liebgewordene Subventionen ala Agrardiesel behalten will und der übernächste, weil ihm die Regierung nicht national genug ist. Ich würde diese Menschen auch nicht unangekündigt in meinem Büro haben wollen!

  • Frau Fauth ist darin zuzustimmen, dass sie die Kirche im Dorf lassen will. Es gab in Schlüttsiel auch nach den Berichten, die mit den Demonstranten nicht sympathisieren, weder Körperverletzungen, noch wurden Eier oder mit Urin gefüllte Beutel, geschweige denn Flaschen, Steine, oder Molotowcocktails geworfen, und es wurde auch nichts angezündet. Nicht einmal von einer Sachbeschädigung wird berichtet. Wenn man das mit den Aktionen gegen den G20 in Hamburg, im Hambacher Wald oder gegen die Räumung der Liebig34 vergleicht, war eigentlich herzlich wenig los. Dass Habeck bzw. die für seinen Schutz Verantwortlichen sich aus Sicherheitsgründen vorsichtshalber für eine Rückkehr zur Hallig entschieden, ist nachvollziehbar, aber die Annahme, es hätte Gewalt gegen Personen oder Sachen gegeben, wenn man die Demonstranten auf die Fähre gelassen hätte, ist eben nur eine Annahme, die auch falsch sein kann. Man sollte die Ereignisse nach dem beurteilen, was tatsächlich passiert ist, und nicht danach, was möglicherweise hätte passieren können.

    • @Budzylein:

      "Man sollte die Ereignisse nach dem beurteilen, was tatsächlich passiert ist, und nicht danach, was möglicherweise hätte passieren können."



      Das gilt natürlich auch umgekehrt. Eine Aussage, es wäre ja gar nichts passiert, ist damit ebenso nicht zulässig...

      • @Encantado:

        Ja. Deshalb habe ich die Sicherheitsvorkehrungen ja auch als nachvollziehbar bezeichnet. Die Aussage, dass nichts passiert wäre, wenn die Demonstranten auf die Fähre gelangt wären, wäre ebenfalls eine bloße Vermutung. Das ändert aber nichts daran, dass man niemandem ohne konkrete Anhaltspunkte Gewaltbereitschaft unterstellen sollte. Gewaltlosigkeit von Demonstranten ist rechtlich und auch tatsächlich die Regel, Gewalttätigkeit die Ausnahme. Wer dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt sieht, müsste konsequenterweise fordern, jegliches Demonstrieren zu verbieten. Mit der Verfassung wäre dies nicht vereinbar.

        • @Budzylein:

          Stimmt.



          Das Ganze ist nicht immer einfach.



          Deshalb sollte man immer etwas sensibel auf das reagieren, was so in den Medien erzählt wird.

  • Woher kommen wir- wohin gehen wir-



    Geschichtliche Exkurse zu den Bauernkriegen 1525-1526 sind gute Lektüre dazu-unsere Gegenwart zu verstehen: EU - Sanktionspolitiken, Transatlantische Bündnisknechtschaft, NATO-Osterweiterung und nicht enden wollende Wirtschaftskriege- sind unser bitteres Brot der Gegenwart!- Auch Amerikaner, Chinesen, Russen und so viele andere Bürgerinnen der prosperierenden Großmächte dieser Welt kauen darauf herum-während ihre Gläubiger nichts mehr zu kauen haben.!- Sehr gute Erinnerung worum es eigentlich geht- Danke für diese Artikel!

  • Seit Merkel gilt: Das Volk stört beim Regieren!

    • @Ömeg:

      Als ob ihre Vorgänger das groß anders gesehen hätten.

  • Wenn Frau Rackete sich, jetzt plötzlich ( EU Wahlkampf ), zur Fürsprecherin der Landwirte macht, ist das dann eine Unterwanderung, Übernahme der Proteste durch Links ??

    • @Günter Witte:

      Natürlich. :-)

  • eben kam mir ein einzelner Traktor entgegen mit dem grossen Schild

    SCHLUSS MIT DEM GEJAMMER

  • Ich spreche der Autorin nicht ab, einen linken Standpunkt einzunehmen.



    Aber einen Großteil der geäußerten Sätze von Politikern, die die "Lebensrealität der Bevölkerung" nicht kennen, lese ich tagtäglich in Posts irgendwelcher rechten Trolle. Genau wie dort stimmt auch hier schon mal nicht, dass es eine einheitliche "Lebensrealität der Bevölkerung" natürlich nicht gibt - und die Interessen irgendwelcher Wut-Bauern den Bedürfnissen anderer Bevölkerungsteile gegenüberstehen dürften.



    Leider, Frau Fauth, ist das schon eine arg populistische Argumentation...

  • „ Po­li­ti­ke­r*in­nen aufzusuchen, zu stören und gegebenenfalls deren Fortbewegung zu blockieren. Warum auch nicht?…“

    Was? Fackelzüge zu Politikern wären normal? Blockieren, also Nötigung, ebenfalls?

    Und das soll Demokratie sein?

    Das die Bundesregierung entrückt sei, das stimmt wohl. Man denke nu an die wassergrabenpläne um den Bundestag.

    Aber so pauschal darf man das nicht stehen lassen, bzw. Schreiben. Die Bürgermeister werden sich bedanken. Auch ist die Privatsphäre zu beachten. Sonst gibt es noch mehr Abschottung und es entsteht eine eigene Kaste.

  • Was hier ,,Protestkultur" genannt wird, ist nichts anderes als der Versuch, gewählte Politiker durch Androhung von Gewalt gegen sie und ihre Familien einzuschüchtern. Wie viele Bürgermeister haben schon hingeschmissen, weil sie die Drohungen nicht mehr ertragen konnten, vom ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke garnicht zu reden? Wenn wir dem Mob diese Freiheit geben, dürfen wir uns auch über Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter nicht mehr echauffieren.

    • @Raimund Poppinga:

      Richtig. Der Staat, der ja gegen links radikal geantwortet hat, hat nun gegen rechts das Wort. Polizei muss man natürlich auch erst mal nach rechten Gruppen durchleuchten. Jetzt ist aber der Moment um aktiv zu werden. In paar Jahren ist es vielleicht schon zu spät

    • @Raimund Poppinga:

      Da schließe ich mich voll und ganz an. Den Vorfall demokratisch schönreden zu wollen, findet meine Unterstützung nicht. Offenbar gab es Sicherheistbedenken. Und sobald das der Fall ist, ist eine Grenze überschritten. Der Text ist für mich naive Schönfärberei. Zu Erwähnen wäre auch noch der global zunehmende Hang, irgendwas "stürmen" zu wollen, egal ob Reichstag, Capitol oder eine Fähre. Das als Protestkultur verkaufen zu wollen ist ein Bärendienst an der Protestkultur und spielt den wirklich völlig falschen Leuten in die Hände.

  • Und überträgt man diese recht scharfen Thesen auf die Demos der LG, gilt das dann auch noch, liebe Lea Fauth? Oder ist es nicht doch eher eine sehr komplexe von - nun ja, sagen wir mal- rechten Strömungen, die die Ampel kippen wollen? Eine Demonstration mit Monstertraktoren gegenüber Turnschuhen der LG? Der Stärkere gewinnt? Robert Habeck und auch Cem Özdemir haben Gesprächsangebote gemacht, sich gestellt und - wurden niedergeschrien - wie sämtliche grüne Wahlkämpfer*innen in Bayern auch.

  • Danke, dass der Artikel Mal ausspricht, was ich denke. So bekommt auch diese Position öffentlich ein Gesicht . Ist der erste Artikel, den ich kenne, der derart Stellung bezieht. Auch das sagt etwas über die deutsche Öffentlichkeit

  • Ich hätte einen Vorschlag: ALDI & Co [1] enteignen!

    [1] taz.de/Landgrabbin...tschland/!5621001/

  • "Abgeordnete und Mi­nis­te­r*in­nen bekommen normale Menschen quasi nie zu Gesicht. Sie müssen sich buchstäblich nie mit der Lebensrealität der Bevölkerung konfrontieren."

    Unfassbar, dass die Taz hier solchen populistischen Schwachsinn verbreitet. Als ob Abgeordnete alle keine Familien, Freunde und Bekannte hätten.

  • Diese Typen verhalten sich in diesem Fall nicht einen Deut besser, als die Nazis, die Fackelzüge zu den Häusern von Politikern organisieren. Diese Einschüchterungen haben rein garnichts mit demokratischen Protesten zu tun.



    So was ist einfach nicht hinnehmbar.



    Da ist die Antidemokratie Unterstellung vollkommen daneben.



    Übrigens, anständige Protestierende gehen zu Fuss durch die Innenstadt und legen nicht ganze Städte mit ihren Treckern lahm, die nebenbei gesagt mit ihrem noch subventionierten Diesel die Luft verpesten

    • @ Christoph:

      Der Diesel ist nicht subventioniert. Es wird lediglich der Teil der Steuer, der für den Straßenbau gedacht war, nicht erhoben, weil Agrardiesel normalerweise nicht auf Straßen verbraucht wird.

    • @ Christoph:

      Die verpesten mit ihrem Diesel nicht die Luft, sondern sorgen dafür, dass auch Leute wie Sie Nahrung auf den Tisch bekommen und so lange dafür keine großen, elektrisch betriebenen Landmaschinen zur Verfügung stehen, wird auch weiterhin Diesel notwendig sein. Man kann die Arbeit natürlich auch mit Ochs und Esel bewältigen, aber dann kommt 99% der Nahrung aus dem Ausland, wo auch mit Diesel gearbeitet wird und zusätzlich noch der Transport anfällt.

      Das Protest sich ausschließlich auf den Protest zu Fuß in Innenstädten beschränkt, ist übrigens grober Unsinn, denn blockiert wurde immer schon, sei es bei Atomtransporten, Braunkohleabbau oder bei Demos der letzten Generation

      • @Christian29:

        "Die verpesten mit ihrem Diesel nicht die Luft, sondern sorgen dafür, dass auch Leute wie Sie Nahrung auf den Tisch bekommen"

        Kann nicht beides gleichzeitig wahr sein?

        Für die Nahrungsherstellung werden sie bereits bezahlt. Andere Branchen brauchen für ihre Arbeit auch Diesel oder müssen Kfz-Steuer zahlen. Warum müssen gerade die Bauern bevorzugt werden?

        • @thorstenv:

          "Warum müssen gerade die Bauern bevorzugt werden?"

          Weil die den Diesel auf Privatgelände verbrauchen.

  • "Ein Pulk von rund 300 Menschen ist zu einer Fähre gegangen und hat Lärm gemacht. Laut Angaben der Polizei wollten etwa 25 Personen auf die Fähre gelangen, auf der sich Wirtschaftsminister Robert Habeck befand."



    Ich würde eher von einem Mob sprechen, der nicht zum Gespräch bereit war. Sah eher nach geplanter Lynchjustiz aus.



    Sicher ist das Problem der Bauern vielschichtig aber die Proteste sind auch scheinheilig nach einem Jahr mit Rekordgewinnen. Die Bauernorganisationen scheinen von grossen Agrarunternehmern dominiert die eher das Problem als die Lösung sind. Landgrabbing ist eher ein neoliberales Problem sollte somit der Union und der FDP zugeschrieben werden. Sie Nichtbesteuerung von Agrardiesel halte ich für nicht gut.



    Ich persönlich kenne nur wohlgestellte Bauern die teilweise als Nebenerwerbslandwirte mit ordentlichen Subventionseinnahmen über die Gehälter der Stadtbevölkerung nur müde lächeln.



    Zudem zahlt keiner Miete und ein Teil der Lebensmittel geht auch umsonst her.

  • Bei den Landwirt:innen gilt das gleiche wie bei den Klimakleber:innen: Die Exekutive hat den Rechtsstaat durchzusetzen und mit den gebotenen Mitteln zu reagieren. Wer Mitbürger:innen bedroht statt anmeldefähig gegen Politiker:innen und deren Handeln zu demonstrieren, muss die Konsequenzen tragen. Anzeigen wegen Landfriedensbruchs erscheinen schon angemessen.



    Im Übrigen erwarte ich auch bei den Traktor-Korsos Platzverweise, erkennungsdienstliche Behandlung und ggf. reichlich Prozesse wegen Nötigung. Vermutlich wird aber wieder mit zweierlei Maß gemessen. Und es ist ja nicht so, dass für uns „Sesselpupser“ das Leben nicht teurer und schwerer geworden wäre.

    • @Zangler:

      Wenn man seine Demos anmeldet, der Polizei dadurch die Möglichkeit gibt, entsprechende Straßenblockaden selbst - aber dann eben auch möglichst wenig verkehrsbehindernd - zu platzieren, dann gibt es auch keinen Ärger. Es wird ruhig besprochen, welche Verkehrsflächen man benötigt, welche vielleicht sicherheitshalber auch noch freigehalten werden sollten, und dann SIND die auch frei, ohne dass sich jemand draufkleben muss. Der Verkehr wird dynamisch mit Motorrädern drumherum dirigiert, und wenn man durch ist, läuft er wieder. Noch ein Mützchen vom Veranstalter als Souvenir, und man kann gern jederzeit wiederkommen.

      Wer dagegen genau das nicht will sondern nur irgendwo auftaucht und absichtlich Chaos stiftet, nur von "Bullen" redet, aggressiv semilegal auftritt oder sonstwie auf Bambule macht, der steht eben auf der anderen Seite. Wie man in den Wald ruft...

    • @Zangler:

      Nein, das erwarte ich nicht.

      Grund: Die Polizei ist in Ba-Wü schön mit den Konvois mitgefahren. Nur kleine Belehrungen, bitte den Winterdienst durchzulassen. Nach ein paar Stunden sind die Blaulichter auch schon wieder weg.

      Von Platzverweisen oder Rechtsstaat also keine Spur. Ich habe es mit eigenen Augen miterlebt.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Na ja, der Konvoi wird angemeldet gewesen sein.

        In Berlin veranstalten die Gewerkschaften seit Jahren zum 1. Mai einen Konvoi.

        Am vergangenen Wochenende gab es in Berlin einen Autokonvoi als Pro-Palästinenser-Demo.

        Wir hatten 2022 in Berlin Pro-Putin-Demos als Autokonvoi.

        Weshalb die Bauern nun schlechter gestellt werden sollten, erschließt sich mir nicht.

  • "Nicht alle protestierenden Land­wir­t*in­nen sind rechts und antiökologisch."

    --> Insgesamt ein guter Kommentar, nur an dieser Stelle scheint Frau Fauth nicht auf der Höhe aktueller Informationen zu sein.

    "rechts und antiökologisch" sind keine Worte, die zusammenpassen bzw. wer ökologisch ist und arbeitet, ist nicht automatisch antifaschistisch. Es gibt mittlerweile eine große und vor allem besorgniserregend schnell wachsende Zahl rechtsextremer ökologischer Landwirte.

    "Dass Natur- und Umweltschützer politisch den Grünen und den Linken nahe stehen, ist eine verbreitete Annahme – die allerdings nicht stimmt. Naturschutz, Bio-Landbau, Erhalt alter Arten sind Themen, die sich auch Rechtspopulisten und Rechtsextreme gezielt zunutze machen." (www.deutschlandfun...st-links-100.html).

    Das läuft bei den Rechtsextremen unter dem Motto: "„Naturschutz ist Heimatschutz“ (www.naturfreunde.d...chung1-2018_0.pdf).

    Im Kern hätte auch eine hausinterne Recherche diese Unschärfe aufdecken können, da auch Herr Litschko schon über das Problem schrieb. (taz.de/Naturschutz...-rechts/!5538811/).

    • @Kriebs:

      Genau wie es rechtsextreme ökologische Landwirte gibt, gibt es antisemitische Klimaschützer. Es ist halt alles nicht so einfach in gut/böse einzuteilen.

  • Auf www.volksverpetzer.de sind Auszüge von dieInsider über Kommentare auf AfD-Seiten enthalten. In diesen Kommentaren wird bedauert, dass Habeck "überlebt hat". Mehrfach ist von Über-Bord-werfen die Rede. Sollten die Blockierer in Schüttsiel in der Tat, wie "Gnutellabrot Merz" schreibt, anderes im Sinn gehabt haben als den Hinweis auf die prekäre Lage vieler Höfe, dann empfinde ich den Kommentar von Lea Fauth ehrlich gesagt als etwas naiv bzw. sogar ziemlich fahrlässig.

    Davon unabhängig muss die Landwirtschaft natürlich in andere Bahnen gelenkt werden - weg von der Agrarindustrie. Das drückt sich jedoch in den plakativ vorgetragenen Forderungen der Bäuerinnen und Bauern nicht richtig aus. Man wehrt sich nur gegen die Streichung der Dieselsubvention.

  • Das Angebot zum Gespräch, dass von Habeck kam, wurde von den Blockierern abgelehnt. Dieses Verhalten zeigt, dass es nur um Einschüchterung ging, Einschüchterung eines zu dieser Zeit privat reisenden Politikers

    Warum hat niemand mit ihm sprechen wollen? Anscheinend gab es keine Themen zu besprechen. Wenn es keinen Gesprächsbedarf gibt, warum dann die Aktion?

    Ich möchte nicht in diese Situation kommen, denn jemand, der nicht reden will, aber trotzdem blockiert, der hat anderes im Sinn als friedliche Auseinandersetzung.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Wozu blockiert die letzte Generation denn Straßen? Dabei geht es auch nicht darum, ins Gespräch mit den Autofahrern zu kommen, sonder einzig und allein darum, den Verkehr zu behindern und die Verkehersteilnehmer daran zu hinder, voranzukommen. Autofahrer zu nötigen ist also das vorrangige Ziel. Das niemand mit ihm sprechen wollte, ist übrigens gelogen, da Habeck Bauern auf die Fähre lassen wollte, diese das aber abgelehnt haben, da nicht alle die Möglichkeit dazu bekommen hätten. Die Fähre verlassen, um mit den Bauern in Kontakt zu treten, durfte Habeck nicht, da die Polizei und seine Personenschützer das nicht wollten.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Bin ganz Deiner Meinung. Irgendwie mußte ich bei der Meldung an "Frankenstein" denken, als die aufgebrachte Bevölkerung mit landwirtschaftlichen Geräten Jagd auf das Monster macht.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Diese Gespräche mit Ministern sind doch wie schon bei der LG und ihrem Termin reine PR-Events für den betreffenden Politiker. Praktische Ergebnisse gibt das keine. ich würde so ein Gesprächsangebot auch ablehnen. Dieses rein performative Politikverständnis nervt inzwischen und wird von den Politikern natürlich gnadenlos ausgenutzt.

      • @Šarru-kīnu:

        "Ich würde so ein Gesprächsangebot auch ablehnen."



        Gespräche bringen also nichts, und sind deshalb abzulehnen.



        Kommen wir doch zurück zur Frage, was die da wollten, wenn keine Gespräche.



        Oder ein wenig deutlicher: was hätten die eigentlich mit Habeck gemacht, hätten sie ihn in die Finger gekriegt?

        • @Encantado:

          Die Forderungen der Demonstrierenden wurden ja klar definiert. Die werden von Herrn Habeck und den Grünen ja aber sowieso nicht umgesetzt werden. Warum also einem PR Termin zustimmen der maximal der anderen Seite dienlich sein kann? Was hat den Hungerstreikenden Aktivisti denn das Gespräch gebracht damals? Ich finde es legitim Taten zu fordern statt sich mit einer Simulation von Bürgerbeteiligung abspeisen zu lassen.

          • @Šarru-kīnu:

            "Warum also einem PR Termin zustimmen der maximal der anderen Seite dienlich sein kann?"



            Warum dann also diese Versammlung an der Anlegestelle?



            Es ging ja offensichtlich nicht um Dialog.



            Es ging auch nicht darum die Position darzulegen (was ohne Gespräch auch nicht einfach ist).



            Also ging's dann wohl doch um was anderes.

  • Danke für diesen Kommentar! - genau so geht Demokratie -nicht nur die Ampel muss hier dringend nachschulen.

    • @paul meder:

      Demokratie heißt also, einen Minister (inkl. Familie) sowie weitere Menschen, die zufälig dieselbe Fähre nutzen, in Bedrängnis zu bringen und vollzuschreien - ja, warum nicht demnächst im Rewe den Weg des Bürgermeisters versperren und ihn anbrüllen, oder die Vorsitzende einer Landtagsfraktion beim Sonntagsausflug abfangen und gemeinschaftlich mit den Kumpanen und Freundinnen vollseiern und ihr auf die Pelle rücken?

      Nein, so geht Demokratie nicht.



      Sich beteiligen, sich äußern, lautstark demonstrieren, Briefe schreiben, kommentieren, Petitionen einreichen, sich verbünden und Lobbyarbeit machen, klassisch die Sprechstunden der Abgeordneten im Wahlkreis nutzen und die direkten Kontakte zu Stadt- oder Gemeinderat usw.

      Aber rumpöbeln (der Plebs verzeihe die Wortwahl) und mehr gar nicht wollen? Puh, bisschen doof.

      Wo sind denn eigentlich die klassischen Vollbauern aus den Gebieten mit geringen Bodenpunkten, die dem Bauernverband Paroli bieten, der doch nur Lobbyismus für Agrarindustrie und Großhöfe macht, dass alles unter 500ha und 200 Milchkühen hintenüberfällt?

      Wer wird denn tatsächlich für was subventioniert? Und wieso gibt es da nicht täglich Brüllerei? Bei den Preisdrückern in der Lebensmittelbranche?



      Usw. usf.

      • @hierbamala:

        Unser aller Helmut Kohl (rip) wurde sogar mit Eiern beworfen. Soweit ich mich erinnere, hat es da nicht so einen Aufriss gegeben. Ok das war nicht nett, aber auch kein Lynchmob. - Einfach mal auf dem Teppich bleiben.