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Zukunft der LinksparteiEs geht ums Überleben

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Wenn es die Linkspartei nicht schafft, einen Ausweg aus ihren multiplen Krisen zu finden, ist sie endgültig Geschichte. Und das wäre ein Verlust.

Grund verschnupft zu sein: die Linke Foto: Karina Hessland/imago

W ird das noch etwas mit der Linkspartei? Ihr die Totenglocken zu läuten scheint mittlerweile geradezu zum guten Ton zu gehören. Und das ist ja auch nachvollziehbar. Ihre Krise ist weit existenzbedrohender als jene der PDS, nachdem sie 2002 aus dem Bundestag flog. Denn die PDS war damals immerhin noch im Osten eine Volkspartei. Das ist die Linkspartei – mit Ausnahme Thüringens – heute nicht mehr.

Es sind zu viele Krisen, mit denen die Linkspartei zu kämpfen hat. Der Streit um Flucht und Migration, um das Klima, über Corona, über den Ukraine-Krieg – in allen zentralen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der jüngsten Zeit ist es der Linkspartei nicht mehr gelungen, zu vermitteln, wofür sie eigentlich steht.

Maßgeblich verantwortlich dafür ist der bis heute ungelöste Konflikt um die frühere Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und ihren Anhang, die die eigene Partei öffentlichkeitswirksam wie fälschlich als Ansammlung von „Lifestyle-Linken“ diffamieren, die sich nicht mehr für die „einfachen Leute“, für Ar­bei­te­r:in­nen und Rentner:innen, interessiere. Dass sich die Bundestagsfraktion mit Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali an der Spitze in einem desolaten Zustand befindet, ist dabei auch nicht gerade hilfreich. Und jetzt kommt auch noch #MeToo hinzu.

Wenn es die Linkspartei nicht schnell schafft, einen Ausweg aus ihren diversen Krisen zu finden, ist sie endgültig verloren. Nein, dieser Niedergang ist kein Grund zur Freude. Es braucht eine starke linke Opposition gerade jetzt, eine „moderne sozialistische Gerechtigkeitspartei“, wie es der Thüringer Linken-Vordenker Benjamin Hoff formuliert hat. Das ist die Linkspartei derzeit nicht. Doch die Hoffnung, aus ihren Ruinen werde schon etwas Neues entstehen, ist ein Trugschluss. Gibt es diese Linkspartei nicht mehr, wird es auf absehbare Zeit nichts mehr links von SPD und Grünen im Bundestag geben.

Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein, hat einmal der Literaturwissenschaftler Walter Jens formuliert. In diesem Sinne ist der Rücktritt der unglücklichen Susanne Hennig-Wellsow nicht nur die nächste Hiobsbotschaft für die Linkspartei, sondern vielleicht eine Chance. Denn er ist ein Weckruf, endlich mit der überfälligen Erneuerung zu beginnen. Jetzt müsste er nur noch gehört werden. Auf den verschiedenen Flügeln gibt es immer noch etliche kluge und fähige Köpfe, ob unter den ostdeutschen Re­for­me­r:in­nen oder den westdeutschen Bewegungslinken. Sie müssen begreifen, dass es nun darauf ankommt, gemeinsam ums Überleben zu kämpfen.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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38 Kommentare

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  • „Maßgeblich verantwortlich dafür ist der bis heute ungelöste Konflikt um die frühere Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und ihren Anhang, die die eigene Partei öffentlichkeitswirksam wie fälschlich als Ansammlung von „Lifestyle-Linken“ diffamieren, die sich nicht mehr für die „einfachen Leute“, für Ar­bei­te­r:in­nen und Rentner:innen, interessiere.“

    Ja. Hauptsächlich verantwortlich für den Untergang der Linken ist Wagenknechts Buch und Ihre Tweets, ja, bis heute ungelöst, ja…

    Dass dieLinke einfach unattraktiv geworden ist und- trotz Inflation 7,2% (Tendenz steigend), sozialen Spaltungen, Verarmung von weiten Teilen von Bevölkerungsschichten-ihre Themen in der Bevölkerung, die sie eigentlich ansprechen sollte, nicht plazieren kann, fällt dem lieben Herrn Beucker gar nicht so auf.

    Und auch nicht, dass es Wagenknecht ist, die ständig die soziale Frage anspricht.

    Und trotz #linkemetoo behauptet man eine fortschrittliche, feministische Partei zu sein?

    Da ist die CDU mit dem Merz, der gerade wie ein Linker spricht und argumentiert, doch etwas fortschrittlicher, die zumindest würden bei Missbrauchsvorfällen nicht erstmal Gremien, Ausschüsse, und seitenlange feministische Thesenpapiere drucken, sondern unisono Missbrauch verurteilen und entsprechende Leute entfernen.

    Aber je nun all das ist nicht so wichtig, es ist ja Wagenknecht, die Schuld hat, mit ihren lifestyle Linken, ihrem BUUUUUCH, und ihren TWEETS.

  • vielleicht liegt es auch daran, dass die Linke in Berlin immer nur Lösungen wie Mietendeckel oder A100-Verhindern präsentiert. Was hat der einfache Arbeiter davon?

    Nichts. Der fährt nämlich gerne mit dem Auto und versteht, dass Wohnungen gebaut werden müssen und das Vermieten nicht quasi-verboten werden sollte.

  • Ein Kommentar, in dem die Missbrauchsfälle schon gar nicht mehr erwähnt werden. Es geht also wieder aufwärts für die Linkspartei. 🤫

  • "Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein ..."

    Missbrauchsvorwürfe waren in DE bisher noch nicht lebensrettend.

    Lebensrettend wird nur das völlige Ignorieren der Missbrauchsfälle in der Partei sein. Das ja nicht mehr zu Tage kommt!. Das das nicht in den Medien für länger hoch kocht.

    Und genau darauf wird es hinauslaufen, selbst letztlich in der betroffenen Jugendorganisation "solid".

  • Eine Binse, für manche neu, daher eine Lehre, der letzten Wahlen mit herausragender Bedeutung in Deutschland: ZERSTRITTENE PARTEIEN WERDEN NICHT GEWÄHLT.



    //



    taz.de/Gysi-attack...echt--Co/!5838062/



    //



    taz.de/MeToo-Affae...kspartei/!5846226/



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    Die andere Lehre, auch eigentlich Binse: Mensch kann nur reichlich ERNTEN, WAS mensch rechtzeitig GESÄT hat.



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    www.n-tv.de/der_ta...cle22776804.html//



    //



    www.bz-berlin.de/b...ht-mehr-im-griff//



    //



    Und dann ist da noch der Boden von allem, die Basis, der Acker oder die Spielwiese:/



    //



    archiv2017.die-lin...hwuchsfoerderung//



    //



    m.tagesspiegel.de/...eder/5864836.html/



    //



    Ein Abstieg aus der Ersten Liga war früher bisweilen der Beginn zum Durchmarsch nach unten, weil die "Sponsoren" kein Vertrauen hatten. In NRW steht die Linke am Scheideweg.



    //



    www.die-goetter.de...es-am-scheideweg//



    (Tugend oder Lust, das war in Hessen wohl auch eine entscheidende Wahl mit Spätfolgen)



    BAUERNREGEL 21.- 24. APRIL: "GEWITTER VORM GEORGIUS-TAG FOLGT BESTIMMT NOCH KÄLTE NACH"

  • Wir schauen fast ausschließlich auf die internen Querelen und Fehler der Linkspartei … die sind tatsächlich gravierend, aber quantitativ - von Inhalten spreche ich nicht - auch nicht gravierender als die anderer Parteien. Ich denke da beispielsweise an die Korruptionsskandale, die vor noch nicht langer Zeit die Unionsparteien geschüttelt haben („Maskengate“, Aserbaidschan-Connections), ohne sie allerdings existenziell zu bedrohen.



    Insofern glaube ich nicht an die Theorie, dass es die Linken aufgrund ihrer internen Konflikte zerreißt … diese sollten ja eigentlich das Salz in der Suppe linker Volksparteien (die die Linken nun allerdings nicht mehr sind) sein, Wagenknecht hin oder her. Hier stimmt natürlich was mit der Streitkultur nicht, das ist offensichtlich geworden … aber das (alleine) kann nicht den Niedergang dieser Partei erklären.



    Und ich denke, dass das Angebot der Linkspartei - selbst auch mit seinen kritischen Elementen wie die Positionierung gegenüber Putin-Russland und dem Krieg in der Ukraine - auch nicht die Wählerabwanderung erklären kann. Dir Wähler wenden sich ja nicht mit Grausen WEGEN dieser Positionen von den Linken ab … sondern sie (die Wähler) wenden sich MIT diesen Positionen der AfD zu.



    So sehe ich in der politischen Verzwergung der Linken eher das Ergebnis eines politischen Rechtsrucks - oder Neoliberalismus-Rucks, das müsste man diskutieren (siehe den Aufstieg des Macronismus in Frankreich) - in der deutschen Gesellschaft … da SPD und Grüne auf dieser Welle mit schwimmen bzw. ihre Programmatik entsprechend anpassen, kommen sie noch glimpflich davon. Etwas “Linkeres” als diese Parteien wird es am Ende dann nicht mehr geben …. vielleicht schaffen es die Neoliberalen auch noch, eine allzu sozialstaatlich orientierte SPP zu “versenken”.



    Und es wird wie in Frankreich laufen: RN und AfD - also Faschisten - als eigentliche “Sozialstaatsparteien”. Kruder Ausfluss des Neoliberalismus.

    • @Abdurchdiemitte:

      Die Probleme der Linken gehen tiefer als die anderer Parteien. Die Union z. B. mag durch einen Korruptionsskandal geschüttelt werden, aber wenn die Täter weg sind, macht sie weiter, weil es - auch wenn einige Gegner sicher gerne anderes suggerieren mögen - dort KEINEN Flügel gibt, der Korruption offen als legitime Richtschnur für gute Politik etablieren möchte. Daher geht auch der größte Skandal dort weniger an die Substanz, als wenn z. B. ein Teil einer vermeintlich pazifistischen Partei ganz offensichtlich nur zu Lippenbekenntnissen gegen ein Angriffskrieg zu bewegen ist, weil der nicht vom Lieblingsfeind sondern von dessen historischem "Gegenspieler" geführt wird. Da rappelt's dann so gewaltig, dass ein Missbrauchskandal nur der Windhauch ist, der den maroden Turm umzustürzen droht.

      Zweites Problem: Linker Unfehlbarkeitshabitus. Linkssein ist Gutsein - und wird von vielen seiner Vertreter in Ermangelung eines kapitalistischen Leistungsethos zum Objekt ihres Wettbewerbsinstinkts erhoben - ein ähnliches Phänomen wie in Religionsgemeinschaften, die sich einen egalitären Anstrich geben und wirtschaftlichen Wettbewerb für gottlos erklären: Das "Holier than thou" wird zum neuen "Bigger than yours". Das Resultat ist neben dem moralischen Podest, das Linke (wie Grüne) gerne im Handgepäck haben, die Gefahr, umso tiefer zu fallen, wenn man das Gutsein dann öffentlich abgesprochen bekommt.

      Letzter Punkt: Schwindende populistische Anziehungskraft. Die Wähler, die zur AfD wandern, wollen nicht dogmatische Stringenz sondern schlagkräftige Interessenvertretung. Denen geht es nicht darum, dass Alle gleichviel haben sollen, sondern dass SIE mehr bekommen und mehr zu sagen haben. Also können sie mit einem zerstrittenen Haufen wenig anfangen und gehen lieber in d die ideologische Schmuddelecke. Der Hoffnungsschimmer ist, dass auch die AfD diese Wähler durch ihre Flügelstreitigkeiten wieder vergraulen wird.

      • @Normalo:

        Na gut, Korruption, Seilschaften und Hinterzimmer-Politik gibt‘s in allen Parteien, obwohl alle auch vorgeben, dieses entschieden zu bekämpfen … da unterscheiden sich die Linken doch in nix von den anderen. Und richtig gefährlich wird‘s doch erst, wenn Parteien über Jahrzehnte die politische Kultur in diesem Land maßgeblich prägen und schon im Parteinamen der Anspruch erhoben wird, supermoralisch zu sein und sie vorgeben, die Demokratie-Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben bzw. in ihrer Hybris wie Staatsparteien agieren … nein, ich rede nicht von der Linkspartei, sondern von CDU/CSU.



        Zum anderen: ich kenne derzeit keine andere Partei die wie die Grünen das „Gutsein“ sprich die moralische Überheblichkeit gegenüber den politischen Mitbewerbern und gegenüber von ihnen nicht geteilten Lebensstilen gepachtet haben …. nun gut, bei Wahlen fallen deren hohe Zustimmungswerte dann ja auch regelmäßig wieder steil ab. Und das ist auch gut so.



        Aber einem Teil des Publikums geht das immerhin dermaßen auf den Keks, dass er AfD wählt, leider … schon deshalb halte ich die Existenz der Linkspartei als Alternative dazu für notwendig.

        • @Abdurchdiemitte:

          Was wollen Sie sagen? Das EIGENTLICH die anderen Parteien jetzt am Boden liegen sollten?

          Newsflash: Die CDU tut das auch - für ihre Verhältnisse. Aber nicht, weil sie über irgendeinen christlichen Vollkommenheitsanspruch gestolpert ist. Den gibt es nämlich nicht. Im Gegenteil redet doch gerade das Christentum seinen Anhängern ständig ein, dass sie alle Sünder sind, denen Gott erstmal gnädig vergeben muss (das aber auch recht verlässlich tut), bevor sie sich posthum in seiner Herrlichkeit sonnen dürfen. Es sind dagegen die weltliche zentrierten Moralapostel, die kein externes mentales Polster für ihre Fehlbarkeit haben und deshalb eher ins Schlingern geraten, wenn ihnen mal die eigene ethische Anspruchshaltung mit dem A... ins Gesicht springt.

          Und dass die Grünen die ethische Selbstüberhöhung noch weiter treiben als die Linken, macht diese nicht unempfindlich dagegen.

          • @Normalo:

            Sie meinen also, wenn den Leuten nicht irgendwann selbst ein Licht im Oberstübchen angeht und sie ihr Vertrauen ausschliesslich auf politische "Vorturner", sprich Parteien setzen, wird das auch nicht so richtig was mit der Demokratie ... da habe ich Ihr Statement jetzt mal etwas frei interpretiert. Aber wenn Sie das so meinen wie ich glaube, dass Sie es meinen, stimme ich absolut zu.



            Plädoyer für Anarcho-Syndikalismus?

            • @Abdurchdiemitte:

              Ich bin nicht gegen die repräsentative Demokratie, nur dagegen, Alles durch die ideologische Brille zu sehen, was sie fabriziert. Wenn ein nicht unwesentlicher Teil der Wählerschaft nicht nach irgendwelchen hochtrabenden, mit größter Stringenz durchzuziehenden Prinzipien wählt, ist es auch nicht verwunderlich, wenn diese weniger Auswirkung auf die Wahlergebnisse haben als andere Faktoren. Für manche mag das nüchterne Utilitaritätspolitik a la Merkel sein, für andere markige Interessenvertretung für die jeweilige Klientel wie bei Wagenknecht, der FDP oder eben auch der AfD und für Dritte wieder der abgeleitete Heiligenschein einer immer Alles am besten wissenden selbsterklärten Moralelite wie den Grünen oder auch den "Lifestyle-Linken.

              Das ist keine Kritik an der Demokratie sondern eine Beschreibung ihrer Arbeitsbedingungen - wohlgemerkt aus Sicht eines Liberalen, der wenig Sinn in Ambitionen zum "Volkserziehertum" sieht. Aus meiner Sicht wäre ein Anarcho-Syndikalismus, sollte er jemals installiert werden, nur eine Episode, die genau so lange hält, bis sich wieder Gruppen hinter Fürsprechern geeint und effektiv Parteien gebildet haben.

              • @Normalo:

                Hm, was heute als "ideologische Brille" denunziert wird, galt früher als "gesellschaftspolitische Vision" ... bis Helmut Schmidt kam ("wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen" oder so ähnlich).



                Aber politische Visionen hatten ja auch mal die Liberalen (siehe Freiburger Thesen 1971) ... mir geht es eigentlich nur darum, eine Vorstellung davon zu haben (oder zu entwickeln), wie das menschliche Zusammenleben in Zukunft "auskömmlich" gestaltet werden kann.



                Bescheidener geht's nun wirklich nicht ... was Sie möglicherweise Ideologie nennen - und vor allem der politische Liberalismus ist Ideologie pur - ist aus meiner Sicht reiner Pragmatismus, wenn's am Ende um das Überleben der Menschheit geht.

                • @Abdurchdiemitte:

                  Visionen sind völlig ok, und wer welche hat, soll sie gerne in seine Entscheidungen an der Urne und in der eigenen politischen Aktivität einfließen lassen. Er verkennt nur die Lage, wenn er die Entscheidungen ANDERER pauschal als ebenfalls von irgendwelchen Visionen getrieben (und entsprechend ideologisch konsequent durchdacht) betrachtet. Das führt zwangsläufig zu Fehlschlüssen und war das, was ich als "ideologische Brille" bezeichnete, durch die man die Ergebnisse von Wahlen etc. betrachten kann. Die führt meines Erachtens zu einer Überinterpretation von Wahlergebnissen - oder eben Fehlschlüssen, warum bestimmte Parteien für ähnliche Verfehlungen unterschiedlich Prügel beziehen.

                  • @Normalo:

                    Ideologisch motiviertes Handeln muss ja nicht zwangsläufig konsequent durchdacht sein ... es kann auch spontan, impulsgesteuert sein. Auch Entscheidungen direkt in der Wahlkabine können auf die eine oder die andere Weise erfolgen ... mir persönlich ist das Spontane bei meinen Wahlentscheidungen eher fremd, da gehen schon längerfristige Überlegungen voraus. Ideologie ist jedoch - bei beiden Vorgehensweisen - immer mit im Spiel, würde ich mal frech behaupten.

                    • @Abdurchdiemitte:

                      Genau diese Behauptung kann ich nicht teilen, zumindest sofern Sie mit "immer" auch "bei Allen" meinen und puren Egoismus nicht für eine Ideologie halten. Ein erheblicher Teil der Menschen sucht wirklich nur den effektiven Vertreter ihrer persönlichen Interessen und hat keinerlei oder kaum Interesse daran, WARUM der es für richtig hält, ihre Interessen zu vertreten.

                      Das gilt für Heldenverehrer wie z. B. viele Merkel-Wähler oder einen Gutteil der Wagenknecht-Anhänger, aber auch für vermeintliche politische Chameleons wie insbesondere die Linke-AfD-Wechsler. Letztere schlagen doch nicht etwa vom einen Tag auf den anderen von sozial auf nationalchauvinistisch um, sondern ihre Agenda heißt im Zweifel von vornherein einfach nur "Ich". Und wessen Aussagen und Auftreten dieser Agenda den größten Gewinn an Geld und/oder Macht versprechen, der ist dann der politische Held - bis er versagt und/oder ein Anderer mehr verspricht. So funktioniert Populismus. Aber auch der ist eben keine Ideologie, sondern nur eine Technik des Menschenfangs.

          • @Normalo:

            Ja gut akzeptiert ... ich sehe jedoch keinen Unterschied, auf welcher weltanschaulichen Grundlage der ethische Anspruch begründet wird. Wird er verfehlt, ist das bei Christen oder Andersgläubigen genau so übel wie bei Atheisten.



            Ich hätte von Ihnen allerdings gerne auch noch etwas zur AfD gelesen ... die hält sich ja demoskopisch recht gut (zu meinem Bedauern), trotz VS-Debatte, eigener Korruptions- und Finanzierungsskandale, heftiger interner Streitigkeiten, Putin-Bruderschaft etc.pp. ... ich denke, da kommt noch weitaus mehr zusammen als bei den Linken. In Sachsen liegen sie (die AfD) aktuell mit 27% vorne, die Linken unter 8%..



            Das finde ich - mit Blick auf den Zustand der Linkspartei - dann doch wieder ein bischen ungerecht.

            • @Abdurchdiemitte:

              Wie schon gesagt ist es eben NICHT für alle Parteien gleich schlimm, wie weit sie ihren ethischen Anspruch verfehlen - bzw. ist dieser Anspruch unterschiedlich streng ausgeprägt. Die AfD hat z. B. nur einen eher rudimentären Moralkompass - so ein nationaldeutsches "Mir san mir.", das Anhängerschaft und Parteihierarchie mehr an die eigene Identität bindet als an irgendwelche Regeln. Die Union hat das beschrieben katholische Verhältnis zur Moral - es gibt sie, aber Fehltritte sind systemimmanent. Grüne und Linke sind da gnadenloser. Entsprechend weniger Gnade wird ihnen zuteil.

              • @Normalo:

                Das mit dem "rudimentären Moralkompass" bei der AfD haben Sie treffend formuliert ... wohl ein Grund dafür, weshalb die AfD in der politischen Landschaft relativ stabil dasteht und auch die größten



                Schweinereien ihre Wähler nicht anfechten.

      • @Normalo:

        "Schwindende populistische Anziehungskraft."



        Grundsätzlich wäre das doch eigentlich positiv zu werten. Linke Politik muss (mE) immer auch emanzipatorisch sein und das verträgt sich eben so gar nicht mit populistischen Ansätzen bei denen Viele hinter wenigen Politiker*innen herlaufen und deren Positionen nachbeten. Und eben deshalb sind 'Lichtgestalten' wie Wagenknecht nicht nur inhaltlich sondern auch schon in der Struktur ihres politischen Stils so hochgradig fragwürdig.

        • @Ingo Bernable:

          Sie haben ja so recht, und jetzt überlegen wir mal, warum der Hang zum Personenkult so universal ist:

          Könnte es sein, dass quer durchs politische Spektrum letztlich nur ein unwesentlicher Teil der Bevölkerung je wirklich nach Überzeugung wählt? Der Rest sucht im Zweifel ganz pragmatisch Vorangeher, die ihre höchstpersönlichen Probleme für sie lösen, ihr Mütchen kühlen, ihnen sagen, dass sie Recht haben, etc..

          • @Normalo:

            Mein letzter Post von gestern, 23:24, bezieht sich auf diesen Kommentar, nicht auf Ihren vorhergehenden ... sorry.

  • Tote leben länger, oder so schnell stirbt es sich nicht, ich bin mir nicht sicher, ob es das Ende ist.

    Auffällig für mich, dass die Linkspartei sehr wenig professionell ist. Das geht dort schnell mit Stunk, Konflikt und Streit los, die Partei ist gegen das Establishment und hat selbst eine Elite, eine Gruppe von Menschen, die von Politik leben können, aber dafür nicht professioneller oder besser sind.

    Die nicht mal die besten Mitarbeiter haben oder aussuchen. Am Ende kommt ein immer noch bestehendes Gefälle zwischen Ost und West hinzu.

    Im Westen gibt es viele Menschen, die ihre politische Sozialisation in linksradikalen Kleingruppen durchlaufen haben, Menschen mit einer SDAJ und DKP-Biographie sind da schon echt abgehärtet und rational. Diese Menschen schaffen mit anderen Menschen was Neues, aber viele kommen aus ihrem Kleinstgruppendenken nicht raus.

    Ich fürchte es wird ein längerer Todeskampf, der vielleicht ohne Erneuerung einem siechenden Ende entgegen geht.

    Ich kennen keinen Menschen, dem ich dringend raten würde, werde doch Mitglied dort, engagiere dich da mal. Das ist ziemlich bitter, wenn man bzw. ich das so schreiben kann.

    Dabei gebe ich dem Kommentator absolut recht. Es ist dringend notwendig eine engagierte linke Partei zu haben. Wenn 1,5 Mio. Kinder und Jugendliche im brüchigen Hartz-IV-System groß werden, es mehr als 3 Mio. Arbeitslose gibt, eine Verarmungswelle von RentnerInnen einsetzt, Arbeitsverhältnisse ohne Gewerkschaft die Regel sind, wenn Frauen in vielen Branchen systematisch schlechter bezahlt werden als Männer, wenn eine Bundesregierung spontan für €100 Mrd. aufrüstet, wenn Grüne immer kriegerischer werden, dann benötigen wir eine starke, integre und funktionierende linke Partei.

    Aber eine Funktionszuschreibung ist noch lange kein Rezept oder eine Wahrheit. Nur deswegen wird es auch nichts werden.

  • "Es braucht eine starke linke Opposition gerade jetzt, eine „moderne sozialistische Gerechtigkeitspartei“, wie es der Thüringer Linken-Vordenker Benjamin Hoff formuliert hat."



    genau!



    Ich denke, dass die Peinlichkeiten aktueller Vorkommnisse (Verhalten zu Ukraine, sexuelle Belästigung) nur mediale Aufhänger und Anlässe sind für das Wegdrängen der Linkspartei, die es immerhin ca. 30 Jahre geschafft hat ihre Flügel beieinander zu halten.



    Crowding out / Weggedrängt werden findet statt durch grundlegendere Probleme: ein Zuwachs an Anliegen tritt ins Politische, der eigentlich Unsinn, Off-Topic, unpolitisch ist (Partei "Basis", die 9-13% Sonstige), in den USA "the anti-politics machine" genannt.



    Dabei sind die Vertreter der anderen Parteien, die dem Verschwinden der Linkspartei das Wort reden, selbst nur wie Unternehmer, der über die Pleite seines Konkurrenten grinst.

  • Die hören nicht zu und schauen nicht hin.

    Es gibt ein weites Spektrum der technisch industriellen Revolution in der politischen Landschaft, das es eigentlich zu bedienen gilt. Die Linke ist leider einer der Parteien, die sich entweder da nicht rein finden wollen oder es nicht annehmen können.



    Die Welt stellt sich neu auf, so die Republik im EU Konsens. Wie sich das gestalten soll und muss, das ist ein weites politisches Feld an das sich niemand so richtig ran traut. Und jetzt, in der Krise, erst recht niemand. Da wird alles nach hinten verschoben.



    Was der Partei scheinbar fehlt, das ist die gesellschaftspolitische Vision einer Wirtschaft und Gesellschaft, die allen gerecht wird weil sie es muss. Sowas hört man dann vielleicht mal bei Lanz und Precht in einer Talkshow, von der Partei "Die Linke" , hört und sieht man nichts.

    Soziale Gerechtigkeit war gestern. Heute ist sie eine Notwendigkeit um die Probleme der Zukunft zu lösen, weil Bildung, Training und Förderung den Einzelnen betreffen von dem eigentlich alles in der Zukunft abhängt in einer entsprechend durch ihn sich formenden Gesellschaft. Wie der Depp aussieht, sieht man im Kreml.

    Die Gesellschaft benötigt eine politische Partei die das versteht und verinnerlicht, die den Fortschritt antreibt und nicht behindert. Nur durch den Fortschritt, Innovationen in allen Bereichen, können die anstehenden Probleme der Welt gelöst werden. Dazu gehört auch das lebenslange Lernen aber vor allem ein Fundament eines Einkommen, ohne das eine erfolgreiche Integration und Leistung respektive Teilhabe gar nicht mehr möglich ist. Das dafür Renten und Treuepflicht und Fürsorgepflicht und Arbeitgeber und Nehmer alte Zöpfe einer vergangenen Zeit darstellen, ist eigentlich in sich logisch.



    Aber das wäre für ein in der Vergangenheit gefangenes Denken wohl doch ein Quantensprung und wohl zuviel verlangt?



    Also besser abwickeln?

  • In der Tat die Themen für eine Linke Partei liegen geradezu in Hülle und Fülle auf der Strasse:



    - die Bizarre und immer weiter wachsende Ungleichverteilung von Vermögen.



    - ein Wohnungsmarkt der für Geringverdiener zum Spießrutenlaufen wird.



    - eine Verkehrspolitik, deren Freiheitsgrad von der größe des Geldbeutels abhängt.



    - man könnte sogar von einer neuen Finanzaristokratie sprechen.



    - und und und...

    ...kurzum: es geht in vielen Bereich um Fragen der Gerechtigkeit. Und das wäre doch ein gefundenes Fressen für eine Linke Partei.



    Aber stattdessen reibt man sich lieber gegenseitig auf, denkt in überkommenen Ideologischen Schablonen und bleibt im Modus der Weltfremdheit..

    Mein Tipp an die Linke: raus mit allen hochgestelzten Denkkategorien. Macht euch locker und fragt euch wie Gerecht es in dieser Gesellschaft zugeht (oder auch nicht) und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Und seht zu daß Ihr euch aus Putins Schatten löst, denn bei Allem steckt wohl noch immer noch zuviel SED in Euch..

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Wunderwelt:

      Die von Ihnen genannten Themen werden auch jetzt schon bearbeitet. Nur ist nicht klar, wie eine demokratisch-sozialistische Gerechtigkeit jenseits des sozialdemokratischen Horizonts konkret aussehen soll. Die Wagenknecht-Fraktion will das auch gar nicht.



      Für mich liegen die (innenpolitischen) Themen deswegen eher quer zu den Problemen:



      - Bedingungsloses Grundeinkommen, finanziert durch progressive Steuern (weitestgehend bedingungslose Solidarität und hürdenfreier Zugang zu Sozialleistungen, Stärkung der indivuellen Option zum Streik, Steuergerechtigkeit)



      - Strukturelle Bevorteilung von Genossenschaften (momentan sind Aktiengesellschaften bevorteilt, es können z.B. keine Genossenschaftsanteile von der Riester-Rente gekauft werden), auch und besonders bei der Neugründung (im Gegensatz zu Ich-AG und Start-Up)



      - Betriebliche Mitbestimmung für alle (Mitbestimmung ungeachtet der Betriebsgröße, Abschaffung des Rechtes der Mehrheit der "Arbeitnehmer", der Minderheit in einem Betrieb die Mitbestimmung zu verweigern - wer nicht mitbestimmen will, muss das schließlich nicht tun)



      - Legale Wege zur Vergenossenschaftlichung von Betrieben / Konzernen durch die Belegschaft, von Mietshäusern durch die Bewohner:innen



      Insofern ist es falsch, zu sagen, man reibe "sich gegenseitig auf". Ein emanzipatorisches Projekt geht nicht ohne eine Politik gegen Sexismus und Antirassismus, auch wenn mir die derzeitige Fixierung auf Identität auch nicht passt und mir ein Diskurs über die Unverfügbarkeit des eigenen Genders ,der eigenen Race vs die Verfügbarkeit über die eigene diskriminierende Sprache lieber wäre.



      Wie sollen denn basisdemokratische Betriebe und Wohngenossenschaften mit breiter gesellschaftlicher Basis funktionieren, wenn man es nicht einmal schafft, sich respektvoll zu behandeln? Genau dazu bracht eine gesellschaftliche Linke notwendig antisexistische und antirassistische Politik. Die Wagenknecht-Fraktion ist da im Unrecht bzw will sie einfach kein emanzipatorisches Projekt.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Vielleicht braucht es doch noch mehr (oder etwas anderes?) als eine antisexistische und antirassistische Politik, um innerparteilich respektvoll miteinander umgehen zu können … der reale Sozialismus der DDR hat ja auch nicht zu einer allgemeinen Gleichheit der in dieser Gesellschaft lebenden Menschen geführt, obwohl dies doch - zumindest auf dem Papier - postuliert wurde. Linke Politik preist immer noch eher selten die Schwächen und Begrenzungen der menschlichen Existenz ein … diese bleiben auch unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen immer unverändert.

  • Im Grunde braucht man zumindest auf Bundesebene keine Linkspartei, weil es keine ernsthafte Perspektive für eine Regierungsbeteiligung einer solchen Partei gibt. Eine Mehrheit für rotrotgrün gab es nur dann, wenn die SPD so weit rechts stand, dass die Gemeinsamkeiten zwischen Linkspartei, SPD und Grünen viel geringer war, als die zu Union und FDP. Trotzdem wäre ein linke Partei, die die Regierung aus linker Position vor sich hertreibt, nicht schlecht, das würde in der aktuellen Situation die Grünen und die SPD innerhalb der Koalition gegenüber der FDP stärken. Aber das macht die Linkspartei nicht.

    Den Konflikt zwischen Wagenknecht-Linken und Lifestyle-Linken verstehe ich nicht. Eigentlich müssten doch die meisten Linken irgendwo dazwischen stehen, offen für eine vielfältige, tolerante Gesellschaft, interessiert an Klimaschutz, ohne dabei jede woke Verrenkung der Identitätsideologen mitzumachen. Es ist glaube ich eher ein Zeichen eines Führungsvakuums als eines tatsächlichen Konflikts, dass die beiden extremen Pole so viel Aufmerksamkeit bekommen, statt sich auf Gemeinsamkeiten zu besinnen.

    Vielleicht muss man die letzten 30 Jahre auch als einen Nachwende-Ausnahmezustand ansehen. Es gab ja in der alten Bundesrepublik nie eine so starke linke Partei. Die Linkspartei lebte auch von DDR-Nostalgikern und -Profiteuren. Nachdem diese nach 30 Jahren so langsam verschwinden, kehrt der Normalzustand zurück, in dem linke Parteien von 5% weit entfernt sind.

  • Der Artikel ist jetzt vergleichsweise kurz gefasst. Ungeachtet dessen kann man diesem jetzt nicht entnehmen, weshalb der Untergang der Die Linke ein Verlust wäre.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Ja, ich finde den Artikel auch etwas kurz. Ein paar konstruktive Gedanken wären nicht zuviel verlangt gewesen.

    • @DiMa:

      Das wäre auch ein Thema für einen ausführlichen Essay. Unter der Woche würde sich eine tiergehende Betrachtung versenden.

      Ich bin mir sicher, dass die taz das Thema an prominenter Stelle angehen wird. Andere Zeitungen werden dies auch tun. Das Thema ist innenpolitisch ein wichtiges, da es das deutsche Parteienspektrum selbst anlangt.

      Die Linke muss sich häuten wie die Grünen derzeit. Und sie muss die innere Spaltung überwinden. Und sie muss die Frage beantworten, wie sie es mit den Herausforderungen der Wirklichkeit hält: Träumen West oder gestalten Ost?

      • @rakader:

        Hmm. Das überzeugt mich irgendwie wenig. Was macht den die Die Linke überhaupt aus um als "systemrelevant" bezeichnet zu werden? Ich wüsste jetzt nicht auf Anhieb, welche Position der Partei ich vermissen würde. Eine bestimmte regionale Ausrichtung kann für eine Partei wohl kaum genügen.

  • Ja, ein Parteienspektrum ohne Linke wäre ein Verlust. Doch man sollte sich auch als wohlmeinender Kommentator ehrlich machen – mal eben die Kritik der Wagenknechts wegzudrücken, ist oberflächlich und wenig hilfreich.

    Die Krise der Linken ist nämlich systemischer, als sie sich eingestehen mag. Was Wagenknecht mit "Lifestyle-Linken" umschreibt, ist in Wahrheit ein Kampf zwischen urbanen und ländlichen Lebensentwürfen. Gendersprech und Identitätsgeschwurbel wird in der Provinz als zutiefst verstörend wahrgenommen. Umfragen belegen, dass die Mehrheit der Deutschen die Genderidee als übergriffig ablehnt und der zugrunde liegenden Kulturkampf an ihrer Lebenswirklichkeit vorübergeht. Das gilt in stärkerem Maße für die Klientel der Linkswähler und -wählerinnen.

    Statt sich aber der Debatte um diesen Kulturkampf und den dahinter liegenden Auseinandersetzungen zu stellen, hat die Linkenspitze das Thema weggedrückt und bestenfalls wegmoderiert. Bei Kohl hätte es geheißen "ausgesessen".

    Verstörend und erschwerend kommt hinzu, dass die berechtigte Kritik Wagenknechts in der Kultur- und Identitätsdebatte bei Themen wie Corona und dem Krieg in der Ukraine Verschwörungsmythen verstärkt und mit realitätsferner Ideologie, Stichwort Antiamerikanismus, auflädt und die innere Zerrissenheit verstörend deutlich macht. In dem Maße fällt der Linken ihre fatale Haltung in der Außenpolitik bei Putins Angriffskrieg auf die Füße.

    Außenpolitik ist in Friedenszeiten für die Lebenswirklichkeit der meisten Wähler und Wählerinnen ein Luxusthema. In Kriegszeiten dämmert es aber jenen, denen außenpolitische Solidarität sonst schnuppe ist, dass eine realistische Haltung existentiell ist und ideologische Aversionen nicht hilfreich sind.

    Wenn die Linkenführung sich diesem Spannungsverhältnis nicht stellt und ideologische Altlasten über Bord wirft, wird sie aus dem Parteienspektrum verschwinden. Wenn nicht wann jetzt, könnte sie Scholz zeigen, wie man eine echte Zeitenwende angeht?

    • @rakader:

      Eine super Analyse! Danke dafür.

    • @rakader:

      Abgesehen von den innerparteilichen Problemen, die außer mit personeller Querelen mE auch viel mit der Fragwürdigkeit eines aktuellen ‚links‘-Begriffs zu tun haben (wir sehen auch bei anderen Parteien die verzweifelte Suche nach gegenwartstauglichen Leitideen) sind den Linken die Wählermilieus abhanden gekommen. Bei der BT-Wahl 2021 konnte die Linke nur bei den Altersgruppen

    • @rakader:

      "dass die Mehrheit der Deutschen die Genderidee als übergriffig ablehnt"



      Mit anderen Worten: Die Mehrheit empfindet es als übergriffig, dass eine Minderheit die Übergriffigkeiten der Mehrheit thematisiert und die selben Chancen und den selben Respekt einfordert die cis-männliche Heteros ganz selbstverständlich genießen. Linke und progressive Politik täte gut daran ihre Ziele anhand ethisch-normativer Kriterien zu definieren, anstatt nach der bestehenden Mehrheit, dann nämlich müsste man auch von Vermögenssteuer oder Vergesellschaftungsvorhaben Abstand nehmen.

    • @rakader:

      Was sie als "Kampf zwischen urbanen und ländlichen Lebensentwürfen" nennen, ist für mich der Kampf zwischen ewig gestrigen und emanzipatorischen Linken. Wagenknechts Kritik zur Kultur- und Identitätsdebatte war einfach nur dumm und herablassend. Bei ihnen genauso. Sie sprechen von "Identitätsgeschwurbel". Wagenknechts und Lafos Haltung zu Migranten sind vielen übel aufgestoßen. Wie auch z.B. ihr ihre Kritik an der Unteilbar-Demo und dem Aufruf nicht teilzunehmen. Gauland war begeistert. Oder der herrschsüchtige Querfront -Pausenclown Dieter Dehm. Was die Drei teilweise vom Stapel gelassen haben, hätte auch von der AFD kommen können.

  • DER GUTE TON DER TOTENGLOCKEN

    Da müssen leider andre weitermachen Die, die beschlossen hatten, sich mit der SED zusammenzutun, werden auch künftig keine Glaubwürdigkeit hinbekommen. Parteien, die die Reicheleute-Armeleute-Welt nich einfach normal finden, gibts in Bundesaltundneuland ansonsten aber keine. Da brauchhts was Neues. Nur: Woher kämen die neuen Leute ?