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Wirkt wie falsch gelandet: die Tesla Gigafactory in Grünheide bei Berlin Foto: Michael Sohn/ap

Tesla Gigafactory bei BerlinUfo im märkischen Sand

Bald könnten in der Tesla Gigafactory in Grünheide die ersten Autos vom Band rollen. Wie gefällt das den Leuten vor Ort? Ein Besuch.

Von Susanne Messmer aus Grünheide

D iesmal setzt sich Arne Christiani sogar auf einen Stuhl für das Gespräch mit der Presse. Der Bürgermeister der verschlafenen Gemeinde Grünheide südöstliche von Berlin wirkt ruhig, geordnet, konzentriert. Er springt nicht mehr bei jeder Gelegenheit ans Telefon, rennt beim Sprechen nicht mehr auf und ab. Die Tage, in denen Grünheide in Aufruhr war, in denen die Bür­ge­r*in­nen für oder gegen die Ansiedlung des amerikanischen Elektroautoherstellers Tesla auf die Straße gingen, sie scheinen endgültig vorbei.

Es ist ein grauer Tag Ende November, auch tagsüber muss man Licht anschalten im Rathaus. Die Erörterung von ungefähr 800 Einwendungen aus drei Beteiligungsverfahren ist gerade zu Ende gegangen – und Arne Christiani ist sichtbaƒr gelöst. „Die Genehmigung wird kommen“, glaubt er und grinst. „Noch im Dezember werden bei Tesla die ersten Autos vom Band rollen.“

Tatsächlich hat das Unternehmen begonnen, eine Belegschaft aufzubauen und laut Medienberichten erste Testkarossen zu produzieren. Tesla rechnet damit, so ein Pressesprecher gegenüber der taz, dass im Laufe des Jahres 2022 bis zu 12.000 Mit­ar­bei­te­r*in­nen in Grünheide angestellt sein werden. 500.000 Elektroautos für den europäischen Markt sollen dann jährlich hier produziert werden. Das heißt: Wenn die Fabrik in den nächsten Jahren weiter ausgebaut würde, könnten es sogar noch mehr werden.

Alle Sorgen sind null und nichtig

Das klingt viel, aber nicht zu viel in den Ohren von Arne Christiani. Für ihn sind die Kühe gut versorgt, die sich in den ersten Monaten nach der Entscheidung von Tesla für seine Gemeinde noch eher auf dem Eis befanden. Tesla kann kommen, alle Sorgen sind null und nichtig.

Jede Menge Autos und Lieferverkehr, die sich zu jedem Schichtwechsel durch die Straßen der verschlafenen Gemeinde quälen werden? Christiani sagt: Vor einer Woche hat Tesla eine eigene provisorische Autobahnabfahrt eröffnet. Am Bahnhof Fangschleuse, zwei Kilometer südlich vom Ortskern, fährt der Regionalexpress seit einem Jahr im Halbstundentakt. „Wir werden hier gar nicht viel von Tesla merken.“

Tesla baut auf Basis von inzwischen 19 Einzelgenehmigungen, also ohne endgültiges Go und auf eigenes Risiko in einem Wasserschutzgebiet, das hat viele Naturschützer auf den Plan gerufen. Herr Christiani ist zufrieden, denn Tesla hat den Wasserverbrauch um mehr als 30 Prozent gesenkt.

Und was ist mit dem Neubau, der Grünheide völlig umkrempeln könnte, den Wohnungen, Kitas und Schulen, den Firmen, die sich dank Tesla ansiedeln werden? Grünheide ist umgeben von Seen und Wäldern, viel davon steht unter Naturschutz. Im Moment hat die Gemeinde 9.000 Einwohner, mehr als 13.000 können es nicht werden, sagt Christiani. „Grünheide wird kein zweites Wolfsburg“, freut er sich ziemlich genau zwei Jahre nach der Nachricht, dass Tesla nach Grünheide kommt und ein halbes Jahr, nachdem die Tesla-Fabrik eigentlich schon hätte in Betrieb gehen sollen.

Der Grünheider Bürgermeister Arne Christiani in seinem Büro Foto: Patrick Pleul/dpa

Arne Christiani hat oft gehört, er habe Tesla den roten Teppich ausgerollt. In einer Talkshow hat er vor wenigen Wochen gesagt, er sei „nicht der größte Verfechter der Demokratie“, um sich gleich darauf dafür zu entschuldigen. Trotzdem ist das, was sich dieser Bürgermeister für Grünheide erhofft, echt. Für ihn wird Tesla möglich machen, dass junge Leute auch in der Region arbeiten können.

Aber gilt das tatsächlich für alle Menschen in Grünheide?

Drei Kilometer Luftlinie vom Rathaus in Grünheide entfernt steht Steffen Schorcht vor dem werdenden Werk von Tesla und holt sein Fernglas aus der Manteltasche.

Personenverkehr auf Luftkissen

Man sieht dieser gerade wohl berühmtesten Baustelle des Landes an, dass sie von einem Mann dirigiert wird, der es eilig hat. Elon Musk, das einprägsame Gesicht von Tesla, will die Welt vom Verbrennungsmotor befreien, Menschen auf dem Mars ansiedeln und den Personenverkehr auf Luftkissen verlegen, die in Röhren über 1.200 Kilometer pro Stunde schaffen. Im Februar 2020 rodete sein Unternehmen in Grünheide, wo heute riesige Hallen stehen, 92 Hektar Kiefernwald. Im Juni 2020 erfolgten die ersten Gründungs- und Fundamentarbeiten, fünf Monate später die Rodung von weiteren knapp 83 Hektar Wald, trotz Protesten.



Die Baustelle, vor der Schorcht nun steht und auf der angeblich rund um die Uhr bis zu 3.500 Menschen arbeiten, ist gewaltig. Schorcht betont, dass sie noch immer nicht genehmigt ist – und doch stehen da auf mehr als 420 Fußballfeldern große Hallen, der Rohbau eines Batteriewerkes, das 2022 in Betrieb gehen soll, Tanker, Laster, Krane. Ein Ufo im märkischen Sand, und das eine halbe Stunde entfernt vom Berliner Flughafen BER, der Jahrzehnte geplant und 14 Jahre lang gebaut wurde.



Wie in der Wüste von Australien

Von Anfang an kämpfte Schorcht, der einen Kilometer von der Baustelle entfernt wohnt, gegen ein solches Werk mitten im Wasserschutzgebiet. Noch immer fordert er mit der Bürgerinitiative Grünheide den Baustopp. Auch, als Tesla versprach, weniger Wasser zu verbrauchen, knickte er nicht ein. Brandenburg ist eine der trockensten Regionen Deutschlands, es gibt Prognosen, nach denen es hier 2050 aussehen wird wie in der Wüste von Australien. Selbst heute, wo nach knapp zwei Jahren Kampf für Wald, Artenschutz, Wasser und Luft viele Naturschützer müde geworden sind, wo sich kaum mehr einer auf Presseanfragen zurückmeldet: Schorcht ist da, wenn man Fragen hat.

Und er hat zahlreiche Antworten. Schorcht, ein freundlicher, aber bestimmter Mann mit leichtem Thüringer Akzent, berichtet, dass es Anfang November Starkregen gegeben hat. Die Feuerwehr und das THW mussten kommen, um Wasser abzupumpen. Nun weiß keiner ganz genau, was da im Grundwasser ankommen ist und weiter Richtung Brunnenanlage fließt.

Dann steigt Schorcht in sein Auto, er will noch etwas weiter südlich, zu einer Reihe zu diesen Brunnen, die 70.000 Menschen in der Region mit Wasser versorgen. Da kann er gut erklären, dass Grundwasserspiegel sinken, wo gebaut wird – und dass der Trichter zum Brunnen immer größer wird, wenn das der Fall ist. „Der Trinkwasserbedarf ist nicht gesichert, wenn das Werk noch größer wird und Ansiedlungen mit weiterem Wasserbedarf folgen“, sagt er.

Ein Idyll: der kleine Fluss Löcknitz Foto: Patrick Pleul/dpa

Es geht weiter zu einem Ortsteil, wo einige Leute im Sommer kein Wasser mehr in ihren Hausbrunnen hatten. Vorbei an einem Wald, wo jetzt ein Teil der Eidechsen, Nattern und Ameisen vom Tesla-Gelände wohnen. Und dann steigt Schorcht an der Löcknitz aus, stapft entschlossen durch den Matsch, zeigt auf das klare Wasser des gewundenen Flusses.

Das Naturschutzgebiet Löcknitztal beginnt östlich von Grünheide. Hier brüten sogar seltene Fischadler. Die Löcknitz fließt in die Spree und die Spree fließt in Berlins größten See, den Müggelsee, weiß Schorcht. Und der ist als Reinwasserspeicher unentbehrlich für die Wasserversorgung der Hauptstadt. Unter anderem deshalb gibt es gerade viel Stunk um den Standort eines neuen Klärwerks für Tesla, denn auch in gereinigtem Wasser bleiben Spuren der Abwässer, besonders von nicht abbaubaren organischen Substanzen.

Zweifel hegen, Fragen stellen

Schorcht hört nicht auf zu erklären, er fährt immer weiter. Doch eigentlich ist es gar nicht nur die Frage nach dem Wasser, die ihn so aufregt. Wie kann es sein, meint er, dass Land und Gemeinde hinter geschlossenen Türen mit Tesla verhandelt – und dass Viele in der Region die Neuigkeit aus der Zeitung erfahren haben? Tesla, weiß er, hat hier in Brandenburg die verlässlichen Mühlen der deutschen Bürokratie einfach übersprungen. Die Firma konnte sofort loslegen, von Null auf Hundert. Und trotzdem haben viele Menschen in Schorchts Umfeld nicht getan, was man in der Demokratie in solchen Fällen tun kann: Zweifel hegen, Fragen stellen, den Leuten auf die Finger sehen.

Dass da einfach so ein Elon Musk in den Medien laut lacht, wenn er nach dem Wasser gefragt wird, das ist Schorch unbegreiflich. Und noch unbegreiflicher ist es ihm, dass er trotzdem noch wie ein Popstar gefeiert wird. Schorcht war mal für die SPD, mal für die Linken in der Stadtverordnetenversammlung. Als sich am Anfang der Proteste auch Leute um die AfD herum zu den Demos kamen, hat er sich wie auch die BI Grünheide schnell distanziert.

Steffen Schorcht weiß genau, wie schlecht die Fabriken von Tesla in den USA oft bei Nachhaltigkeitsberichten abgeschnitten haben. „Das E-Auto ist nicht der Heilsbringer für die grüne Zukunft“, weiß er. Tatsächlich wird bei seiner Produktion nicht weniger C02 produziert. Und: „Da werden knallhart reine Kapitalinteressen durchgesetzt“.

Steffen Schorcht ist weiter davon entfernt denn je, die Politik und die Wirtschaft einfach machen zu lassen.

Tesla bei Berlin

Der Donnerschlag Im November 2019 verkündet Elon Musk, dass die erste europäische Tesla-Gigafactory bei Grünheide im Südosten Berlins entstehen soll.

Der Anfang Tesla beginnt im Februar 2020 mit den Bauarbeiten auf Basis einer vorzeitigen Genehmigung. Inzwischen baut das Unternehmen auf Basis der 19. vorzeitigen Genehmigung. Dies erfolgt auf eigenes Risiko, bei Nichtgenehmigung muss alles wieder abgerissen werden.

Proteste Klagen von Umweltorganisationen stoppen im Februar und im Dezember 2020 kurzzeitig Rodungsarbeiten.

Wasser Im Oktober 2020 einigen sich der Wasserverband und Tesla auf die Lieferung von 1,45 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Es ist weiterhin ungewiss, woher das Wasser kommen soll, wenn das Werk größer wird. Am 2. Dezember gibt der Wasserverband bekannt, dass er das Wasser für seine Kun­d*in­nen wird rationieren müssen.

Die Batteriefabrik Im November 2020 verkündet Musk, dass in Grünheide auch die „weltgrößte“ Fabrik für Batteriezellen gebaut werden soll.

Die Produktion Die endgültige Genehmigung soll noch im Dezember erfolgen. Dann sollen auch sofort die ersten Autos vom Band rollen. Testkarosserien wurden bereits produziert

Aber sieht das die Mehrheit der Menschen in Grünheide ebenso? Hat sie dasselbe Standvermögen?

Arne Christiani meint, mindestens 80 Prozent seiner Gemeindemitglieder begrüßen die Ansiedlung von Tesla.

Ist das wirklich so?

Man muss zurück zum zugigen Marktplatz von Grünheide, um Näheres zu erfahren. Viele, die man dort auf dem rosa Betonpflaster oder unter den Arkaden, im Asia Bistro oder beim Feierabendeinkauf trifft, sagen: Tesla ist ein tolles Unternehmen.

Endlich ein Job nach der Ausbildung

„Vielleicht findet mein Sohn jetzt nach der Ausbildung einen Job in Grünheide“, sagt eine große, schlanke Frau um die Vierzig, die gerade in den Blumenladen will.

„Ich finde es toll, dass hier frischer Wind rein kommt“, sagt ein Teenager im schwarzen Dufflecoat, der mit ein paar Büchsen Cola aus dem Edeka schlurft, auch wenn es ihm damals leid getan habe um den Kiefernwald.

Ob es hier immer so schön verschlafen bleibt? Der Marktplatz in Grünheide bei Berlin Foto: dpa

Er kennt sogar einen, der am 9. Oktober auf der County Fair war, sagt er, beim Volksfest auf dem Werksgelände. „Da waren tausende Gäste und sogar Elon Musk persönlich!“ Es gibt sie also wirklich, die jungen Fans, die jeden Tweet von Elon Musk verfolgen und manchmal sogar Drohnen über der Baustelle fliegen lassen.

Für sie ist Tesla eine Chance, eine echte Perspektive, denn während laut Verband der Automobilindustrie in Deutschland rund 800.000 Menschen für Autohersteller arbeiten, waren es in Brandenburg bislang nur 7.000. Auch wenn die Herstellung eines Elektroautos die Umwelt nicht weniger belastet als die eines Verbrenners: Im Juni überstieg in Deutschland die Zahl der Neuanmeldungen von Elektroautos erstmals die von Verbrennern. Bis vor Kurzem schaffte es Brandenburg vor allem in die Presse, wenn es dort düster aussah: Im Spreewald die Pleite von Cargolifter, in Frankfurt (Oder) das Scheitern der Chip-Herstellung und die Schließung von First Solar – und in der Lausitz der Kohleausstieg.

In letzter Zeit aber überwiegen die Medienberichte, die von Brandenburg als neuem Forschungsstandort berichten. Ein großes Thema ist beispielsweise die Wasserstoffindustrie – auch, wenn noch nicht ganz klar ist, ob diese Technologie das Klima wird retten können oder ob es sich eher um eine Mogelpackung handelt.

Aufbruchstimmung in Brandenburg

So oder so: Seit der Ansiedlung von Tesla herrscht bei großen Teilen in der Bevölkerung Aufbruchstimmung in Brandenburg. Vor allem die jungen Brandenburger freut es irgendwie, dass die Automobilindustrie in Deutschland durch Tesla einen Tritt in den schlaffen Hintern bekommt. Sie finden es einfach cool, wenn Musk in Grünheide auftaucht.

„Ich finde es gut, dass Musk so kreativ ist“, sagt auch Christine de Bailly, die nur wenige Meter neben dem Eingang vom Edeka in ihrem Büro sitzt, gleich neben ihrem Netz-Werk-Laden auch, den sie 2017 mit ihrem Mann vor allem für geflüchtete junge Leute gegründet hat. Der Netz-Werk-Laden erfüllt bis heute die Funktion eines Dorfgemeinschaftshauses: Man trifft sich, diskutiert, lebt Gemeinschaft, bastelt, singt zusammen, es gibt ausgewählte Filme und Vorträge. Seit 2020 nutzt Tesla den Raum für zwei Stunden in der Woche, um Bür­ge­r*in­nen zu beraten.

Wie beim ersten Besuch der taz Anfang 2020 ist de Bailly ganz die sympathische, weltoffene Frau, die ihrem Gegenüber beim Gespräch gern in die Augen sieht. Betriebswirtschaft und Sozialenwissenschaften hat sie studiert, als Journalistin gearbeitet. Hier im Büro ist sie Coach im Bereich Personalentwicklung und für Privatpersonen, sie hat sogar ein Diplom als Beraterin in Sachen Liebeskummer. Sie sucht, sagt sie, eher nach dem, was Menschen verbindet als nach dem, was sie trennt.

De Bailly weiß ziemlich genau, wie es den Menschen in Grünheide geht, und im Moment, findet sie, „ist die Stimmung gut.“ Einer der drei jungen Leute aus Syrien und Afghanistan, denen sie seit 2015 hilft, hat sich bei Tesla beworben, berichtet sie. Sie kennt auch sonst einige im Ort, die gerne ein Stück abhätten vom Glanz, der auf die Gemeinde fällt, von Menschen, die sich bewerben, von Firmen, die ihre Ideen vortragen wollen, von Vereinen, die nach Unterstützung suchen.

„Elon Musk ist einer, der vorneweg läuft“, sagt sie, und berichtet von ihrem neuen Elektroauto, das sie neuerdings statt des alten, geliebten Diesels fährt – und vom neu gegründeten Verein Grünheide Netzwerk e.V., mit dem sie Carsharing in der Gemeinde einführen wollen.

80 Prozent aus Deutschland

Beim letzten Besuch der taz war bei den Menschen in Grünheide mehr Misstrauen zu spüren. Die Angst vor einer Marsstation aus einem Land, wo weder Umweltschutz noch gute Arbeit viel gelten, war groß. Aber seitdem sind viele Nachrichten durchgesickert.

Nachrichten wie diese: 80 Prozent der bereits angestellten Mit­ar­bei­te­r*in­nen kommen aus Deutschland, sagt Tesla gegenüber der taz. Es gibt Spekulationen, dass die meisten von ihnen aus Berlin kommen. Das Arbeitsamt des Landkreises in Frankfurt (Oder) hat bislang etwa 1.000 Be­wer­be­r*in­nen mit Tesla in Kontakt gebracht. Es ist bekannt, dass Tesla schon jetzt Lehrstellen geschaffen hat.

Arbeitsplätze, auch für junge Brandenburger*innen: ein Tesla Modell Y Foto: Patrick Pleul/dpa

Michael Völker von der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg lobt gegenüber der taz, dass das Unternehmen sogar die duale Berufsausbildung in Betrieb und Berufsschule fördern will – eine Idee, die deutsche Firmen nach Amerika brachten und die sich dort erst in den letzten Jahren etabliert hat. Am 26. November teilte Tesla mit, dass es auf die mögliche Förderung fürs Batteriewerk verzichten wird: Bis zu 1,14 Milliarden Euro Steuergelder. Am 29. November wurde bei Tesla ein Betriebsrat gegründet, so dass sich selbst die strenge IG Metall positiv äußerte.

Es wird dunkel in Grünheide

Grünheide ist ein Idyll, das sich beschaulich zwischen den Werlsee und den Peetzsee schmiegt. Unweit vom Marktplatz gibt es einen Blumenhändler und einen Fußpflege, eine Bücherbox und ein Heimatmuseum. Am schwarzen Brett kann man nachsehen, wann das Weihnachtskonzert ist und wo man sein Handy zum Recycling bringen kann. Die Gemeinde im Speckgürtel Berlins ist reich, Immobilien waren schon lang vor Tesla so rar wie unerschwinglich.

Im Moment sieht es nicht so aus, als könnte eine Autofabrik das ändern, als könnte Grünheide so werden wie Wolfsburg – oder gar wie Reno in Nevada, das sich seit Ansiedlung des Unternehmens 2016 von der Casinostadt zur Tech-Oase entwickelt hat und wo sich nun kaum mehr jemand die Mieten leisten kann. Vielleicht ist hier wirklich die Ruhe nach dem Sturm eingekehrt.

Es wird dunkel im kleinen Ort mit dem rosa Marktplatz, inzwischen ist nur noch alle zehn Minuten jemand unterwegs. Plötzlich steigen zwei junge Männer Ende Zwanzig aus einem Auto. Sie wirken beschwingt, gestikulieren wie wild und lachen viel. Schwarze Overalls und Schirmmützen tragen sie, mit Tesla-Aufdruck.

Das Asia Bistro verwandelt sich binnen Sekunden zum Hotspot. Dort bestellen sie nämlich irgendwas zum Mitnehmen. Wie alle, die bei Tesla arbeiten, haben auch sie unterschrieben, dass sie der Presse nichts über ihren neuen Arbeitgeber sagen dürfen.

Nur so viel vielleicht: Überarbetet wirken die nicht. Sie sagen: „Es macht echt Spaß da.“

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46 Kommentare

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  • Na da geht doch bei dem einen oder anderen das alte protektionistische Grummeln durch. VW, BMW und Co. bauen in ihren Fabriken in China und USA und verar*en die Welt abgastechnisch. Aber man regt sich auf, das in Deutschland mal zackig Elektroautos gebaut werden. Ja, der Gewinn geht auch nach USA. Aber ist Gewinn nur „gut“, wenn Deutschland ins Ausland exportiert???? Es wäre schön, wenn die deutschen Autobauer mal richtig coole Elektroautos (und nicht nur refurbished Dieselkarren) bauen würden. Die hinken den Amerikanern, Südkoreanern und Japanern hinterher.

    • @Ward Ed:

      Der Hype um das Elektroauto ist mit fremd. Daher kann ich auch Tesla nichts abgewinnen. Ich empfinde es nur als grotesk, das ein Milliardenkonzern Fördermittel aus Deutschland bekommt, um dann den heimischen Unternehmen Konkurrenz zu machen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Alle Sorgen sind null und nichtig.“ Das ist sehr wichtig. 🅿🚓🚀🚗



    Werden die Marsraketen von Eon Musk eigentlich auch elektrisch angetrieben?

  • Es braucht halt auch Industriearbeitsplätze und nicht bloß Akademiker und Dienstleistungen die diese bedienen…..

  • 2G
    26152 (Profil gelöscht)

    "Wie alle, die bei Tesla arbeiten, haben auch sie unterschrieben, dass sie der Presse nichts über ihren neuen Arbeitgeber sagen dürfen."

    Jaja, über die Gründe dafür bleibt von daher sehr viel Raum zum Spekulieren, denn wie gesagt:"Gott weiss alles, die Nachbarn wissen mehr..!

  • Musk ist für die deutsche Wirtschaft wie Trump seinerzeit für die Politik. Er macht einiges anders und ist dadurch „besser“, weil schneller. Allerdings ist die Autoindustrie sehr vom Absatz abhängig. Ob Tesla wirklich so ein Verkaufsschlager wird, ist nicht ausgemacht. Da werden die „alten weißen Männer der Autoindustrie“ nicht abgeschrieben werden. Teslaaktien sollte Mann besser bald verkaufen.

  • Kann mensch Batteriesäure (sinngemäß für das Wortbild) eigentlich trinken und Autoreifen essen?

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      Kommt auf Zubereitung und Beilangen an. Guten Appetit: www.youtube.com/watch?v=Z6Gwacwdb2U

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Lustig und traurig zugleich! Das von Chaplin kannte ich, glaube ich, noch nicht, danke!

    • @Uranus:

      Wo ist eigentlich der Protest gegen das Fällen von Tannen und anderen Bäumen für die Weihnachtszeit?

      • @Cass:

        Whataboutism?! Gegen Rodung von Wald bspw. für den Bau von Straßen wurde jedenfalls demonstriert und besetzt.

    • @Uranus:

      Dumme Frage. Natürlich schmecken Autoreifen. Sollen wohl so ähnlich schmecken wie Fahrradreifen. Und die sind vorzüglich!

    • @Uranus:

      Bei eindimensional Betrachtung Kiefern und Sandboden halt auch nicht.

      • @Tom Farmer:

        Was ja nicht so hätte bleiben müssen. Mensch hätte renaturieren können. Und sonst, auf sandigem Boden in Brandenburg lassen sich sehr wohl Pflanzen/Nahrungsmittel anbauen.



        Aber gut, so langsam ist die Pointe durchgekaut ... Ich hoffe, es ist ersichtlich, dass es höchstproblematisch ist, eine bereits gigantische Industriekapazität samt deren Wasserverbrauch und -verschmutzung zu erhöhen und zwar für eine Sache, von der es bereits zu viel gibt - allein in Deutschland 50 Mio. Autos - und das alles soll noch in einem Wasserschutzgebiet stattfinden, in Zeiten, in denen das Klima immer trockener wird und es bereits vermehrt Dürren gegeben hat. Wahnsinniger "grüner" Kapitalismus.

    • 2G
      26152 (Profil gelöscht)
      @Uranus:

      Wenn der Hunger und er Durst es reintreiben, wird sich zeigen, ob es sich gesundheitlich bemerkbar macht.



      Die Superreichen haben ja erstmal ihr Papiergeld, dass sich lecker anrichten lässt, z.B. mit French-Dressing oderso!

  • Woher kommt in der TAZ diese blinde Bewunderung für TESLA ? Man ist gegen Kapitalismus, freut sich aber wenn der reichste Mensch auf diesem Planeten nochmals eine Geldquelle finanziert bekommt. Wo ist der Aufschrei wenn das Bundesland Brandenburg TESLA einen Bahnhof für 50 Millionen sponsert ? www.focus.de/finan...f_id_20920050.html



    Hoffentlich macht die TAZ in 4-5 Jahren nochmals ein Interview mit dem Bürgermeister von Grünheide was von dem ersehnten Geldregen angekommen ist, wenn Herr Musk sein Geld durch Steueroasen und Beteiligungen auf der ganzen Welt geschleust hat.

    • @Günter Witte:

      Der Mann hat sein Geld unzweifelhaft selbst verdient. Abgesehen davon ist Geld für ihn nur Mittel zum Zweck. Was er wirklich will, ist zum Mars. Vielleicht schafft er es ja. Wir sollten ihm die Daumen drücken, statt neidvoll rumzuheulen.

      • @Nachtsonne:

        Es geht nicht um neidvoll rumheulen, es geht darum das Herr Musk sich Sachen erlauben darf die anderen nicht zugestanden werden. Bauen in Naturschutzgebiet ohne genehmigten Plan, Verlegung des Bahnhofes auf Kosten der Steuerzahler, Milliarden Subventionen für Batteriewerk, usw.



        Im übrigen glaube ich das irgendwann die Meldung kommt das ihn ein Britischer Doppelnull Agent gestoppt hat bevor er die Weltherrschaft übernimmt.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Dass wir uns im Autoland Deutschland die schärfste Konkurrenz einladen und auch noch Steuergeld für diese Firma bezahlen, damit sie sich in Brandenburg ansiedelt, verstehe ich nicht!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Welche Autoproduktion in Brandenburg soll denn da in der Bredouille sein?

      Trabis gibts nicht mehr und BMW, die sich eigentlich zuvor dort ansiedeln wollten, hatte sich verkrümelt. Nur Tesla hat sich erbarmt!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Auch die deutschen Autobauer haben im Ausland Werke und machen einheimischen Herstellern Konkurrenz und bekommen dort Subventionen.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Tesla zahlt hier Steuern und schafft eine Menge Arbeitsplätze. Ein 6er im Lotto für die Region.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @Goodfella:

        Ob das ein 6er im Lotto ist, wird sich noch zeigen. Wenn bei Daimler, BMW und VW die Verkaufszahlen für E-Autos runtergehen und bei Tesla steigen.

      • @Goodfella:

        Dafür fallen in anderen Regionen Deutschlands Arbeitsplätze in der Automobilbranche weg. Der "6er im Lotto" ist also allenfalls ein Nullsummenspiel und nach Abzug aller Förderungen, die dieses Unternehmen erhält, ein Verlustgeschäft.

      • @Goodfella:

        Die Region ist ein Speckgürtel. In Sachsen oder Thüringen hätten die Leute da nochmal mehr von.



        Und die Wasserfrage wäre nicht ganz so dringend gewesen.

      • @Goodfella:

        Bei TESLA, wie bei allen anderen zählt der Hauptfirmensitz. Dort werden Gewinne, wenn er welche erreicht, versteuert. Und die Arbeitsplätze in Brandenburg fallen in Wolfsburg, Ingolstadt oder München weg, schön für diese Gegend aber für Deutschland nur zum Nachteil.

  • Endlich Klimaschutz ohne Verzicht - endlich guten Gewissens weiter mit dem SUV durch die Gegend brettern - Elon Musk machts möglich. Endlich Aufschwung und Industrialisierung im Berliner Speckgürtel ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt - dank Tesla. Einmischung der Umweltverbände und Bürgerbeteiligung effektiv ausgehebelt - dank ans Brandenburger Umweltamt. Bauen im Wasserschutzgebiet - egal, mein Trinkwasser kommt aus Frankreich.

  • Das ist schon ein Coup, direkt vor den Toren der Bundeshauptstadt einen derartigen Automobilstandort hochzuziehen. Ein Schlag ins Gesicht der altehrwürdigen deutschen Automobilindustrie.

    Die Schnelligkeit der Umsetzung lässt die deutsche Gründlichkeit alt aussehen, deren Großprojekte schon lange nur noch durch Sumpf auf sich aufmerksam machen.

    Die Wasserprobleme in Ostdeutschland sind schon länger und weitläufig vorhanden. Das wird Tesla nicht nennenswert verschlimmern. Die Dimensionen der Kohleförderung sind da weitaus großer und deren Schluchten tief und trocken. Seit dem Klimawandel laufen die Löcher nicht mal mehr mit Wasser voll. Aber da geht aus Tradition keiner dran. Stattdessen werden weitere Milliarden in die Löcher gestopft. Aber auch diese werden sie nicht füllen. Dann werden eben Elektroautos gebaut und verkauft. Die Gewinne gehen dann in die USA. Die Kursgewinne zurück in meine Tasche. Sorgen Sie für Ihre Altersversorgung. Es war nie leichter. Die Firma ist ein Gewinner.

    • @Gorch:

      Ja, so geht heutiger Zynismus. Kniefall nicht vergessen! Hier wurden bereits weiter unten Gebetsstöße gen Himmel gerichtet ...

    • @Gorch:

      Welche Wasserprobleme? Wikipedia kennt dieses Problem nicht ( de.wikipedia.org/w...Berlin-Brandenburg )

      Und kaufen Sie sich doch einen Volkswagen aus Mexiko, wenn ihnen die altehrwürdigen deutschen Automobilindustrie so wichtig ist.

      • @Rudolf Fissner:

        Na wenn wikipedia das Problem nicht kenn, wird es wohl nicht existieren :-)

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Das Trinkwasserproblem ist laut Diskussionsseite des Wikipedia-Artikels offenbar gelöst und der entsprechende Abschnitt wurde gelöscht.

          • @Rudolf Fissner:

            Tesla hat einfach erklärt, dass es auf wundersame Weise plötzlich nur noch 1/3 der ursprünglichen Menge braucht. Da darf man schon noch misstrauisch sein.

            Ist auch komisch, dass man das löscht. Ist ja Teil der Kontroverse. Auch wenn es (angeblich) gelöst ist.

  • Was fürn Ufo soll denn da auf dem ersten Bild hinter der Überschrift gelandet sein? Das Güterverteilzentrum vom EDEKA? Ne Elektroautofabrik als grösstes Gebäude von Deutschland scheints ja nicht zu sein was da von ap zugekauft wurde...

    Danke für nichts in diesen Fall an die taz und Frau Messmer.

  • Na ja, dann schauen wir mal...Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ein Neokapitalist wie Musk die Angestellten mal so lustig und locker vor sich hin arbeiten lässt. Mehr Kritikfähigkeit würde der TAZ gut anstehen. So als linke Zeitung die die Öffentlichkeit informieren und aufrütteln will. Eure Artikel sind inzwischen oft sehr neutral, um nicht zu sagen "linksliberal".

  • Das ist ja mal eine Erfolgsstory. Natürlich werden auch da wieder einige ein Haar in der Suppe finden.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Tesla ist ein Segen für die Region! Danke Elon Musk!

  • Man kann nur hoffen, dass die Fabrik ein Erfolg wird, für die Umwelt, Deutschland als Investitionsstandort und natürlich Tesla. Sicher gibt es Einzelne, die über die damit verbundenen Veränderungen nicht begeistert sind - und das ist ihr gutes Recht, auch wenn die Argumente sehr dünn waren.



    Letztendlich wird es noch viele Investitionen geben, die ähnliche Emotionen erzeugen werden… Windräder, Solaranlagen, Stromtrassen, Umbau der Chemie-Standorte, Verkehr usw….Somit kann die Fabrik auch ein positives Zeichen sein, dass doch nicht alles festgefahren ist.

    • @alterego:

      Ähm, die Argumente sind keinesfalls dünn. Es gibt aber, sage ich mal, einen kreativen Umgang mit Fakten, also wie es um die Umwelt/Rest"natur" bestellt ist und welcher Gesellschaftsentwurf hierauf aufbauen kann. Viele glauben leider irrtümlich, es reiche aus, vom Verbrenner ins E-Auto steigen, von der Kohle und Uran auf Sonne und Wind setzen, um weiter zu machen wie bisher. "Nebenher" sterben in MASSEN Tiere aus und das Klima erhitzt sich immer weiter. Manche meinen, der Ökozid ist im Gange[1]. Andere sind immer noch dabei von "Klimahysterie" zu schwafeln und meinen, es wäre "ganz normal" Fleisch zu essen, in den Urlaubsflieger, ins Auto zu steigen.



      Mensch hätte auch den Forst renaturieren können und statt auf E-Autos zu setzen, ÖPNV und Bahn ausbauen und Ticketpreise absenken bzw. Tickets ganz abschaffen können. Das wären wesentlich ökologischere Ansätze als bei 50 Millionen Autos (!) noch mehr bauen zu wollen und dies noch dazu zu einem Teil in einer extra neu gebauten Fabrik (als ob die Industriekapazität samt Raubbau an der Rest"natur" nicht bereits gigantisch genug wäre) in einem Wasserschutzgebiet. Was für ein Wahnsinn!



      [1] de.wikipedia.org/wiki/%C3%96kozid

      • @Uranus:

        Das ist alles gut und schön, aber Elon Musk und TEsla haben eines erkannt, was viele Öko-Fundis immer noch konsequent ignorieren: Klima- und Umweltschutz wird rundweg abgelehnt, wenn damit zu viel Verzicht verbunden ist. Und in einem demokratischen Land lassen sich die notwendigen Maßnahmen auch nicht einfach von oben verordnen. Das E-Auto ist sozusagen das Methadonprogramm für uns Erdöl-Junkies. Damit wird zwar der motorisierte Individualverkehr nicht abgeschafft , aber er wird umweltfreundlicher, nachhaltiger, und durch die technische Überlegenheit des E-Antriebs für die Nutzer auch noch komfortabler. Wir sollten froh sein, dass wir momentan Bereiche haben, wo die Reduktion klimaschädlicher Abgase so einfach und schnell möglich ist, anstatt immer wieder zu beklagen, dass auch das nicht die "wahre" Nachhaltigkeit ist.

        • @Mirko Klemm:

          Wo ist da Verzicht, wenn ich statt Rindersteak, was viele ja lecker finden - auch Veganer*innen - Sojasteak o.ä. esse, was ja auch Omnivor*innen - auch Flexiganer*innen genannt - lecker finden? Wo ist da Verzicht, wenn ich statt im Stau zu stehen, in die Bahn steigen und entspannt bspw. etwas lesen kann oder ich einen Großteil des Fitnessprogramms im Fitnessstudio stattdessen bereits auf dem Weg zur Arbeit auf dem Fahrrad abstrampeln kann? Hierfür müsste allerdings teils die Verkehrsführung und das ÖPNV- und Bahnangebot angepasst werden.



          Es geht dabei nicht nur um die Ego- oder nationale Perspektive sondern auch um globale Gerechtigkeit. So ein Auto wiegt im Schnitt mindestens 1,5 Tonnen und benötigt ein vielfaches an Energie und Rohstoffe für die Herstellung. Zumal sich viele Menschen, nicht einmal viele in Deutschland, sich ein E-Auto gar nicht leisten können.



          Es geht in dem Sinne um wahre Nachhaltigkeit, dass das notwendige getan werden muss, um den Ökozid bestenfalls verhindern zu können. Das sind menschliche, existenzielle Interessen, keine bloße Moral. Lebensstil, kurzer Fahrspaß von wenigen Menschen gegen die Zukunft von Kindern, Enkel*innen, Nichten usw.?

          • @Uranus:

            Da bin ich grundsätzlich der gleichen Meinung, beim Thema Ernährung sowieso. Was allerdings die Nutzung von Rad und ÖPNV anstatt des individuellen Autos angeht, sehe ich da große Unterschiede in den Bedürfnissen und Voraussetzungen. Manchem Menschen müssen Wege zurücklegen, die für das Rad zu lang sind und mit dem ÖPNV zu schlecht erschlossen - da gibt es in Europa regional sehr große Unterschiede. Diese Missstände zu beheben, dauert extrem lange. Zum Beispiel soll hier in meiner Heimat einfach nur eine kleine Bahnstrecke von 22 km elektrifiziert werden, damit die Züge elektrisch und nicht mehr mit Diesel fahren. Die alleroptimistischsten Schätzungen gehen aber von einer Realisierung des Projekts nicht vor 2035 aus. Für einen ÖPNV, der zum Individualverkehr flächendeckend konkurrenzfähig ist, müsste aber noch viel mehr getan werden, als nur eine Strecke zu elektrifizieren. So wird das nichts werden mit der Klimaneutralität.



            Wir müssen die Möglichkeiten nutzen, die wir jetzt haben, um JETZT sofort den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Die E-Mobilität ist (genau wie der Ersatz tierischer Produkte durch ähnliche auf pflanzlicher Basis) so eine Möglichkeit, daher finde ich ein Projekt wie das von Tesla in Brandenburg unterstützenswert. Natürlich sollte es dabei nicht stehen bleiben, denn es ist klar, dass der motorisierte Individualverkehr generell stark reduziert werden muss. Aber das ist eine längerfristige Aufgabe...

            • @Mirko Klemm:

              Ah, ok, Ihre Ansichten zu Ökologie, Ernährung und generell zum Individualverkehr kamen vorher nicht so bei mir rüber. Ich sehe durchaus, dass die Mobilitätsfrage auch in Deutschland komplex sein kann - durch lange Pendelwege und dass starrer & teurer Mietenmarkt sowie niedrige Einkommen Umzüge erschweren. Andererseits ist Deutschland sehr urbanisiert und hat auch im ländlichen Raum, gerade im Einzugsbereich von Städten durchaus brauchbaren ÖPNV. Ländliches Schweden oder Norwegen sieht da ganz anders aus. Mir scheint es, dass anhand Ausnahmen versucht wird, eigentliche Bequemlichkeit, Luxus und Gewohnheit bezüglich Autobesitz und -nutzung zu rechtfertigen und so getan wird, als ob mensch am äußersten Rand Europas leben würde. Zumal mensch sich auch die Produkte von Tesla anschauen sollte. Zumeist sind es PS-Protzkarren. Ökologischer wären kleine E-Autos wie Renault Twizzy, Twike o.ä.. Wenn Individualverkehrslösungen für "Abgehängte" schneller umsetzbar sind als ÖPNV, dann müsste es radikale Vorgaben für den Autobau geben - Begrenzung von Gewicht, Leistung, Geschwindigkeit.

              • @Uranus:

                Der ÖPNV ist in vielen Regionen durchaus brauchbar, aber das Problem ist immer noch, dass es Verbote oder Beschränkungen bräuchte, damit Menschen von der ja doch oft konkurrenzlosen Bequemlichkeit des eigenen PKWs abrücken. Und da fangen dann die Probleme an. Wenn man den motorisierten Individualverkehr einfach nur sehr verteuert, ohne attraktive Alternativen auszubauen, wird Mobilität zu einem Privileg von Reichen. Und: Natürlich sind kleinere Autos grundsätzlich sparsamer im Ressourcenverbrauch, aber gerade Tesla hat mit dem Model 3 ein Auto im Programm, das außerhalb des Stadtverkehrs trotz der Größe und Motorleistung deutlich weniger Energie pro 100 km verbraucht, als ein Renault ZOE und praktisch alle anderen PKW in Normalgröße. Dazu kommt noch die Problematik, dass die elektrischen Kleinwagen oft nur zum persönlichen Greenwashing angeschafft werden, also als Zweitwagen, und die meisten Kilometer immer noch mit einem größeren Verbrenner zurückgelegt werden. Autos wie das Tesla Model 3 oder Y werden dagegen hauptsächlich von Menschen gekauft, die damit einen Verbrenner komplett ersetzen - dadurch wird also tatsächlich eine deutliche CO2-Einsparung erreicht. Noch mehr "Stadtautos" brauchen wir meiner Meinung nach auch nicht, denn gerade in den Innenstädten sollten Privat-PKW als Verkehsrmittel die absolute Ausnahme darstellen, egal ob elektrisch oder nicht. Schon jetzt ersticken die Städte an den PKW-Massen. Das ist also sicher nicht der richtige Einsatzort für einen PKW.

                • @Mirko Klemm:

                  Tesla Model 3 hätte gegenüber Renault Zoe deutlich weniger Verbrauch? Laut ADAC-Test sind es nur 0,5 kwh Unterschied: 19 zu 19,5. Sieht für mich nicht nach deutlich weniger aus. Das träfe, wenn dann auf Hyundai Ioniq Elektro Style zu: 16,3. Hingegen hat der Renault Twizzy nach Automotorsport-Test einen Verbrauch von 8,4 kWh/100 km.



                  Naja, hinter E-Autos sehe ich generell Greenwashing. Die Privatisierung von Ressourcen und Energie sind das Problem, das jedes neues Auto bedeutet. Wenn mensch Auto auf dem Land haben sollte, sollte mensch es auf E-Antrieb umrüsten (können) anstatt sich ein neues zu kaufen.



                  Wie auch immer, ich sehe es wie Sie, dass Städte schnellstens autofrei werden müssen. Leider hat es hierfür nicht rechtzeitig Beschlüsse bzw. Mehrheiten gegeben bzw. sind keine in nennenswerter Zahl in Aussicht. Und so rechne ich damit, dass, Fehlentwicklungen aus anderen Bereichen hinzugezogen, sich die ökologischen Verhältnisse weiter zuspitzen werden.