Die Finanzminister der Eurozone: Deutscher Geiz wird sich rächen
Deutschland ist keine Insel. Uns geht es nur so gut wie unseren Nachbarn. Es ist erschreckend, dass man diese Binsenweisheiten aufschreiben muss.
Z u wenig. Diese beiden Worte fassen das deutsche Versagen zusammen, wenn es um Europa geht. Zwei Zahlen machen deutlich, wie grotesk die Bundesregierung agiert: Die Europäische Zentralbank (EZB) geht davon aus, dass Europa mindestens 1,5 Billionen Euro mobilisieren muss, damit alle Länder genug Geld haben, um die Coronaschäden zu bekämpfen. Doch Deutschland favorisiert ein Paket, das nur rund 500 Milliarden Euro umfasst.
Noch schlimmer: Die deutsche Zahl ist eine Mogelpackung. Denn 200 Milliarden sollen über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) laufen, der aber vorsieht, dass jedes Land nur Kredite in Höhe von maximal 2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung aufnehmen kann. Für Italien wären dies 39 Milliarden Euro, für Spanien 28 Milliarden. Das reicht nicht. Einfach gar nicht.
In Deutschland herrscht immer noch der Irrglaube vor, wir würden den anderen Euroländern etwas schenken, falls wir der Ausgabe von Coronabonds zustimmen. Dies ist gleich dreifach falsch. Erstens: Es wird nichts verschenkt, schon gar nicht deutsches Steuergeld. Es geht um Kredite. Neu wäre nur, dass die EU oder die Eurozone diese Anleihen ausgeben. Zweitens: Die deutsche Wirtschaft kann nur florieren, wenn Europa prosperiert. 59 Prozent unserer Exporte gehen in die EU, davon 35 Prozent in die Eurozone. Drittens: Auch die deutschen Sparer würden profitieren, die jetzt unter den Niedrigzinsen stöhnen.
Die meisten deutschen Sparer dürften noch nicht bemerkt haben, dass ihre Interessen bedroht sind. Doch das macht die Gefahr nicht weniger real. Ohne Coronabonds würde sich die Eurokrise nämlich wiederholen – nur schlimmer. Italien und Spanien würden als potenzielle Pleitekandidaten gelten, sodass die Geldvermögen von dort fliehen würden, um den „sicheren Hafen“ Deutschland anzusteuern. Die Zinsen würden auf ewig unter null dümpeln.
Es ist ganz einfach: Deutschland ist keine Insel. Uns geht es nur so gut wie unseren Nachbarn. Es ist erschreckend, dass man diese Binsenweisheiten überhaupt aufschreiben muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein