Anarchistische Brandleger: Die Vulkan-Phantome
Seit 13 Jahren verübt eine „Vulkangruppe“ linksmilitante Brandanschläge, nun gegen Tesla. Wer dahintersteckt, wissen die Behörden nicht.
Die Frage aber, die offen blieb: Gehörte das Duo auch zu der Gruppe, die seit 2011 in Berlin Brandanschläge auf Bahnanlagen und Stromleitungen verübte – und in Bekennerschreiben vorzugsweise Namen von Vulkanen wählte? Die Frage ist bis heute ungeklärt: Denn die beiden Berliner, wohnhaft in der Rigaer und Liebigstraße, schweigen. Und den Ermittlern und Sicherheitsbehörden fehlen dazu Beweise. Ab Ende Mai wird den beiden nun in Berlin der Prozess gemacht.
Mit dem Brandanschlag auf einen Strommast in der Nacht zu Dienstag nahe der Tesla-Autofabrik in Grünheide (Brandenburg) gerät die „Vulkangruppe“ nun wieder in den Fokus. Denn in einem Schreiben bekannte sich diese zu der Tat, diesmal als „Vulkangruppe Tesla abschalten“. Tesla stehe für einen „totalitären technologischen Angriff auf die Gesellschaft“ und „extreme Ausbeutungsbedingungen“, heißt es im Bekennerschreiben. Man habe den „größtmöglichen Blackout der Gigafactory“ angestrebt. Auch Details der Tatausführung werden benannt. Eine Sprecherin der Brandenburger Polizei sagte der taz, man betrachte das Schreiben als authentisch.
Tatsächlich steht das Tesla-Werk in Grünheide seitdem still. Der Schaden beträgt laut Unternehmen hunderte Millionen Euro. Sollte sich das bestätigen, wäre es einer oder der teuerste linksmilitante Anschlag in Deutschland überhaupt. Die Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder übernommen – aber auch das BKA ist involviert.
Gemeinsamkeiten der Anschläge
Und auch für die „Vulkangruppen“ wäre es der bisher folgenreichste Anschlag. Schon 2011 nutzte eine Gruppe den Namen eines isländischen Vulkans, um sich in Berlin zu einem Brandanschlag zu bekennen, damals auf einen Kabelschacht am Bahnhof Ostkreuz. Damals war es der Eyjafjallajökull, später folgten Grimsvötn oder Hekla. Mal hielten Transporte von Atommüll zur Begründung her, mal Waffenexporte, mal der Krieg in Afghanistan. Ziel war es stets, den „kapitalistischen Alltag“ zu durchbrechen.
Was die Anschläge einte: Sie waren stets professionell vorbereitet, trafen neuralgische Punkte, führten zu stundenlangen Bahn- oder Stromausfällen – und die Täter*innen entkamen jedes Mal.
Später variierten die Gruppennamen. Zu einem Anschlag auf Stromkabel in Berlin-Charlottenburg 2020 bekannte sich eine „Vulkangruppe Shut down the power“. Hier war das Ziel das Heinrich-Hertz-Institut und Protest gegen die Corona-App. Ein Jahr später traf es dann das erste Mal das Tesla-Werk, unter der Selbstbezichtigung „Vulkangruppe: Gegen den Fortschritt der Zerstörung“ wurden sechs Hochspannungskabel angezündet. Der Schaden war überschaubar, die Kabel blieben funktionstüchtig.
Für die Sicherheitsbehörden ist bis heute unklar, wer hinter der Vulkan-Gruppe steckt – und ob es überhaupt immer dieselben Personen sind. Der Berliner Verfassungsschutz geht von einem zumindest „(teil-)identischen Autorenkreis“ der Bekennerschreiben aus, da diese sich in mindestens acht Fällen in Aufbau, Stil und Inhalt ähnelten. Auch ein Strategiepapier von 2015 deute auf eine feste Struktur. Die Gruppe sei im anarchistischen Spektrum zu verorten. Und der Dienst warnte schon 2021, dass die Brandanschläge eine „sinkende Hemmschwelle“ in der linksextremen Szene aufzeigten.
Fehlender öffentlicher Zuspruch
Den Brandanschlag, der nun die Tesla-Fabrik lahmlegte, verurteilte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch als „Verbrechen“, das „in jeder Hinsicht falsch und in keinster Hinsicht zu akzeptieren“ sei. Zuvor hatte bereits Innenministerin Nancy Faeser (SPD) den Anschlag als Tat mit „enormer krimineller Energie“ bezeichnet, die „durch nichts zu rechtfertigen“ sei.
Unions-Innenexperte Thorsten Frei forderte, Faeser müsse einen „Aktionsplan gegen Linksextremismus“ auf den Weg bringen. SPD und Grüne hätten hier „viel zu lange weggeschaut“. Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann sagte, die Bundesanwaltschaft müsse die Ermittlungen übernehmen, da diese auch für Terrorismusbekämpfung zuständig sei.
Dass die Brandanschläge öffentlich nicht auf Zuspruch stoßen, scheint auch zumindest Teilen der „Vulkangruppe“ klar. Drei Monate nach dem ersten Brandanschlag 2011 schrieb die Gruppe in einem „Nachtrag“ auf dem linken Onlineportal Indymedia, bei der Vermittlung der Aktion habe man „tatsächlich ein echtes Problem“. Man könne ja die Menschen nicht direkt ansprechen, um ihnen zu vermitteln, „warum wir ‚ihnen das jetzt antun‘“. Wenn Menschen das Vorgehen aber „nicht verstehen oder uns ablehnen, ist das nicht angenehm – aber wir werden eine Aktion nicht nach solcher Befindlichkeit ausrichten“, führen die Autor*innen weiter aus. Dafür seien die gesellschaftlichen Verhältnisse zu „ernst“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste