Ampel einigt sich auf Haushalt: Haushalt steht, Schuldenbremse auch
Bis in den Morgen wurde verhandelt. Nun steht eine Einigung beim Haushalt. In einem wichtigen Punkt konnte sich die FDP durchsetzen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Linder (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten sich Donnerstag dreimal getroffen und dann die Nacht durch bis 5 Uhr morgens durchgemacht. Zu 7 Uhr hatten sowohl die SPD-Fraktion als auch die Grünen zu Sondersitzungen eingeladen. Als die SPD-Abgeordneten rund eineinhalb Stunden später den Sitzungssaal verließen, waren die Augen müde, die Stimmung aber den Umständen entsprechend gut.
Ein Papier mit Details hatten sie zwar noch nicht vorliegen. Was Bundeskanzler Scholz ihnen erläutert hatte, schien ihnen jedoch gefallen zu haben: Der Klima- und Transformationsfonds ist gesichert, ebenso das Wohngeld und auch das Rentenpaket, Kindergeld und Kinderzuschlag sollen weiter erhöht werden. „Andere waren der Meinung, dass nur der Kinderfreibetrag erhöht werden solle, da haben sich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten durchgesetzt“, so Fraktionschef Rolf Mützenich nach der Sitzung.
Auch Fraktionsvize Sönke Rix war froh gestimmt. „Für uns war wichtig, dass es keine Leistungskürzungen für Menschen geben wird, sagte er der taz. „Man kann also nicht sagen, dass sich die FDP durchgesetzt hat, im Gegenteil.“
Pistorius wollte mehr
Doch für eine Gruppe wird es wohl ungemütlicher: die Bezieher:innen von Bürgergeld. Für sie, so heißt es, sollen Sanktionen verschärft und das Schonvermögen verringert werden.
Auch der Zuschlag für den Etat von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) fällt wohl geringer aus als angemeldet. Die Ampelspitzen setzen darauf, die Unterstützung der Ukraine nun auch aus eingefrorenen russischen Vermögen zu finanzieren – was den Etat des Verteidigungsministers entlasten würde.
Er sei froh, dass es vor Beginn der Sommerpause einen Haushalt gebe, sagte Mützenich. Das sieht er auch als sein Verdienst: „Nur weil die SPD-Bundestagsfraktion darauf bestanden hat, vor der Sommerpause Klarheit zu bekommen, ist es überhaupt zu dieser Sitzung gekommen“, so Mützenich – und stichelt in Richtung FDP und Finanzminister: Dass der Kanzler sich so früh in die Haushaltsberatungen habe einschalten müssen, „spricht nicht unmittelbar für denjenigen, der für den Haushaltsentwurf die Verantwortung trägt“.
Als Verlierer sieht sich die FDP beileibe nicht. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der taz: „Die Schuldenbremse wird eingehalten und es wird eine echte Wirtschaftswende geben.“ Mit der Haushaltseinigung sei die Bundesregierung auf dem Kurs einer soliden Finanzpolitik, so Dürr. „Es ist ein Markenzeichen dieser Koalition, dass wir von der Finanzpolitik der Großen Koalition abgekehrt sind und die Schuldenbremse einhalten.
FDP zufrieden, Grüne eher nicht
Es sei kein Geheimnis, dass die FDP im politischen Raum „hier und da oftmals alleine“ dastehe. Außerdem habe man eine Wirtschaftswende vereinbart, die das Wachstumspotential ganz deutlich erhöhen müsste. Es werde Arbeitsanreize geben und insbesondere bei der Einwanderung werde man sich darauf konzentrieren, „dass Einwanderung in den Arbeitsmarkt stattfindet und nicht in die sozialen Sicherungssysteme“, so Dürr.
Bei den Grünen war die Stimmung gedämpfter. Man sei froh darüber, dass es beim Klima und bei Kindern wohl nicht zu Verschlechterungen kommen werde, hieß es, sehe die geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld aber kritisch.
Auch die Grünen waren um 7 Uhr zu einer Sondersitzung der Fraktion zusammengekommen, Habeck informierte die Abgeordneten über die Ergebnisse. Vor der Tür bekundeten zahlreiche Parlamentarier:innen am Rande, wie froh sie mit Blick auf die Lage in Frankreich und den USA seien, dass man sich überhaupt auf einen Haushalt geeinigt habe.
Fraktionschefin Katharina Dröge signalisierte in einer ersten Stellungnahme im Anschluss der Sitzung, dass die Grünen das Ergebnis mittragen könnten. Kinder würden mehr unterstützt, auch die Kitafinanzierung werde auf sichere Füße gestellt. Die Wirtschaft würde durch wichtige Wachstumsimpulse unterstützt und die „Erfolgsgeschichte“ der erneuerbaren Energien werde weitergehen.
Nach dem Kabinett ist das Parlament am Zug
Unzufrieden äußerte sich Dröge mit Blick auf die Mittel für die Innere und Äußere Sicherheit und die humanitären Hilfe: „Da wird der Haushalt aus unserer Sicht der Lage nicht gerecht.“ Auch habe man sich eine Reform der Schuldenbremse sehr gewünscht. „Wir hätten uns gewünscht, dass wir auch mit der Union, mit Friedrich Merz, hätten sprechen können, gerade mit Blick auf eine Reform der Schuldenbremse, damit der Haushalt hier die Realität des Landes besser abdeckt“, sagte Dröge.
Dröges Co-Vorsitzende Britta Haßelmann betonte, nach der sitzungsfreien Zeit würden die Haushaltsberatungen des Parlaments erst beginnen. „Wir stehen vor schwierigen Haushaltsplanberatungen“, so Haßelmann. Man werde diese nutzen, um zu sehen, wie man internationale Verpflichtungen und die Verantwortung im Inneren für die Sicherheit sichern könne. Ganz zufrieden äußerte sich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der wie alle grünen Kabinettsmitglieder an der Sitzung teilnahm. Sein Etat sei „weitgehend verschont“ worden.
Parallel zum Haushalt hatten Scholz, Habeck und Lindner auch über ein sogenanntes Dynamisierungspaket für die Wirtschaft verhandelt. Es soll Wachstum ankurbeln, indem Unternehmen von Steuern und Bürokratie entlastet werden. Dem Vernehmen nach soll es auch Steuervergünstigungen für Überstunden geben, eine Forderung der FDP.
Sparen und Lücken füllen
Die drei Politiker hatten in den vergangenen Wochen immer wieder verhandelt. Sie hatten eigentlich bis zu diesem Mittwoch eine Verständigung schaffen wollen. Jetzt ist der 17. Juli für den Kabinettsbeschluss im Gespräch.
Um diesen Termin zu erreichen, war eine baldige Grundsatzeinigung nötig, weil die Ausarbeitung des Haushaltsgesetzes in der Regel noch etwa zehn Tage dauert. Ab Mitte September befasst sich der Bundestag mit dem Haushaltsentwurf, der dann im November oder Dezember beschlossen werden könnte.
Einzelne Ressorts wie das Auswärtige Amt oder das Entwicklungsministerium wollten Sparvorgaben Lindners mit Blick auf internationale Verpflichtungen zunächst nicht akzeptieren. Strittig war auch der Sozialetat. Daneben bestand immer noch eine Lücke von rund 10 Milliarden Euro, die geschlossen werden musste. Vor allem die SPD drang mit Blick auf finanzielle Belastungen durch den Ukraine-Krieg, die Schuldenbremse erneut auszusetzen, um mehr Spielraum für Investitionen zu haben. Für Lindners FDP kam das nicht infrage. Die SPD lehnte Kürzungen im Sozialetat ab.
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