+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Mützenich soll auf Terrorliste stehen
Der SPD-Fraktionschef zeigt sich irritiert über die Regierung in Kiew. Im Süden und Osten der Ukraine finden derweil massive Artilleriegefechte statt.
Schwerster Beschuss seit Tagen in der Region Cherson
Bei neuen Kämpfen im Osten und Süden der Ukraine haben die Truppen Moskaus und Kiews sich am Samstag mit schwerer Artillerie beschossen. Das geht aus den Militärangaben der ukrainischen und russischen Seite hervor. Die ukrainischen Kämpfer hätten in den Gebieten Luhansk und Donezk russische Stellungen vernichtet, hieß es in Kiew.
In Moskau teilte das russische Verteidigungsministerium mit, dass „ukrainische Angriffe“ in den Gebieten Donezk, Luhansk und Cherson zurückgeschlagen worden seien. Die Ukraine hatte immer wieder angekündigt, sich die von russischen Truppen besetzten Gebiete zurückzuholen.
Die Rede war einmal mehr auch von Hunderten Toten je Seite in den nicht unabhängig überprüfbaren Militärberichten. Im Gebiet Cherson meldeten die Behörden den schwersten Artilleriebeschuss seit Tagen. Die ukrainische Führung will die Region im Süden des Landes nach ersten Erfolgen noch komplett befreien.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag gesagt, dass die Region wegen der schweren Kampfhandlungen evakuiert werden müsse. Zehntausende Menschen waren nach Angaben der Besatzungsbehörden bereits auf von Russland kontrolliertes Gebiet geflohen. Die Ukraine spricht von einer Verschleppung ihrer Bürger.
In den umkämpften Teilen der Region Cherson sollen weiter rund 170.000 Menschen ausharren, die bisher nicht fliehen wollten oder konnten. Nach nicht überprüfbaren Angaben des russischen Verteidigungsministeriums werden weiter rund 5000 Menschen täglich über den Fluss Dnipro mit Booten und über eine Pontonbrücke Sicherheit gebracht.
Cherson ist die bislang einzige Gebietshauptstadt, über die Kiew nach dem russischen Einmarsch schon Ende März die Kontrolle verloren hatte. Im September wurde das Gebiet nach einem Scheinreferendum von Russland annektiert, kein Land erkennt diesen Völkerrechtsbruch an. Die ukrainische Armee führt dort seit Wochen eine Offensive zur Befreiung der Region. (dpa)
London: Russisches Militär mit Ausbildung überfordert
Das russische Militär ist nach Ansicht britischer Experten durch den Angriffskrieg in der Ukraine mit der Ausbildung neuer Rekruten überfordert. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Samstag hervor. Demnach hatte Moskau bereits Schwierigkeiten, Training für die etwa 300.000 bei der Teilmobilisierung eingezogenen Reservisten zu organisieren. Das Problem dürfte sich den Briten zufolge für die regelmäßig im Herbst eingezogenen etwa 120.000 Wehrpflichtigen noch verschärfen.
„Neu verpflichtete Rekruten erhalten wahrscheinlich eine minimale Ausbildung oder überhaupt keine Ausbildung“, so die Einschätzung der britischen Experten. Erfahrene Offiziere und Ausbilder seien in den Kriegseinsatz in die Ukraine geschickt und wahrscheinlich zum Teil getötet worden. Der Einsatz unausgebildeter Kräfte trage jedoch kaum oder überhaupt nicht zur Kampfkraft bei.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die Regierung der russischen Darstellung entgegentreten und Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor. (dpa)
ISW: Putin will Mobilmachung verdeckt fortsetzen
Unabhängige Experten halten eine verdeckte Fortführung der Mobilmachung für Russlands Krieg in der Ukraine für wahrscheinlich. Jüngst von Präsident Wladimir Putin unterzeichnete Dekrete deuteten darauf hin, dass die Teilmobilmachung entgegen russischer Behauptungen keine ausreichende Truppenstärke erzielt habe, hieß es in einem Bericht der Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) mit Sitz in Washington am Freitag. Dafür spreche auch, dass Putin bislang kein Dekret unterzeichnet hat, das die Ende September ausgerufene Mobilmachung offiziell beendet.
Der Kreml hatte am Dienstag erklärt, dass die Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten für den Kriegsdienst in der Ukraine abgeschlossen sei. Putin zufolge sind sogar 318 000 Männer mobilisiert worden. Damit sei eine Beendigung der Mobilmachung per Erlass unnötig, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Nach ISW-Angaben sind die russischen Angaben nicht stimmig mit Putins Erlass von diesem Freitag, das russischen Behörden auch den Einzug von Zivilisten erlaubt, bei denen eine Verurteilung für schwere Verbrechen aussteht. Weiterhin soll Putin Dekrete unterschrieben haben, die den Kreis der Wehrdienstleistenden auf Männer ausweiten, die in Freiwilligenformationen dienten, sowie Ausnahmen festlegen für den Einzug von Wehr-Ersatzdienstleistenden.
Gerade die Möglichkeit, Häftlinge einzuziehen, deuteten die ISW-Experten als Versuch, um weiteren sozialen Spannungen zuvorzukommen. Der Widerstand gegen den Einzug von Zivilisten in der russischen Bevölkerung ist groß. Geschätzt 400.000 Männer haben das riesige Land mittlerweile verlassen, um nicht eingezogen zu werden.
Trotz der Kreml-Behauptungen, dass die Kreiswehrersatzämter nun keine Reservisten mehr einziehen dürften, berichteten russische Oppositionelle und Online-Medien laut ISW, dass sich Behörden auf eine zweite Mobilmachungswelle vorbereiteten, indem etwa die Rekrutierungszentren modernisiert und Listen möglicher Rekruten erstellt würden. Auch hätten laut dem Bericht einzelne Männer Einberufungsbescheide für das kommende Jahr erhalten. (dpa)
Iran gibt Lieferung von Drohnen an Russland zu
Der Iran hat erstmals zugegeben, Drohnen an Russland geliefert zu haben. „Wir haben Russland mit einer begrenzten Zahl an Drohnen beliefert“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Irna am Samstag Außenminister Hossein Amir-Abdollahian. Die Drohnen seien „Monate vor dem Krieg in der Ukraine“ geliefert worden, hieß es. Berichte, wonach Teheran Moskau auch mit Raketen versorgt hätte, nannte Abdollahian hingegen „völlig falsch“.
Die Ukraine und ihre Verbündeten werfen Russland vor, in den vergangenen Wochen Angriffe auf ukrainische Städte mit iranischen Drohnen geflogen zu haben. Teheran hat mehrmals abgestritten, Russland Waffen für den Krieg in der Ukraine geliefert zu haben.
Laut Irna machte Abdollahian bei einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba vergangene aus, dass die Ukraine Beweise für die russische Nutzung iranischer Drohnen bereitstellen werde, sollte es solche geben. „Falls die ukrainische Seite ihr Versprechen hält, können wir das Thema in den kommenden Tagen diskutieren“, sagte Teherans Chefdiplomat demnach.
Nach Angaben Kiews wurden bereits etwa 400 iranische Drohnen gegen Zivilisten in der Ukraine eingesetzt. Russland soll demnach etwa 2000 Drohnen in Teheran bestellt haben.
Als Reaktion haben die Europäische Union und Großbritannien drei iranische Generäle und eine Rüstungsfirma für die Lieferung von Drohnen nach Russland mit Sanktionen belegt. (afp)
Versorger kündigt Stromausfälle in der Ukraine an
Die Menschen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew und sieben weiteren Regionen müssen sich auf regelmäßige Stromausfälle einstellen. Der staatliche Versorger Ukrenergo, der die ukrainischen Hochspannungsleitungen betreibt, teilte am Samstag mit, betroffen seien der Großraum Kiew sowie die Regionen Tschernihiw, Tscherkassy, Schytomyr, Sumy, Poltawa und Charkiw.
Zunächst hieß es, die Abschaltungen erfolgten täglich nach einem festgelegten Zeitplan und sollten etwa sechs Stunden dauern. Einige Stunden später teilte Ukrenergo mit, geplante Abschaltungen reichten nicht aus. Stattdessen werde es Unterbrechungen der Versorgung geben, die auf unbestimmte Zeit andauern könnten.
Die Ukraine hat mit Stromausfällen und einer Unterbrechung der Wasserversorgung zu kämpfen, seit Russland Ende Oktober mit massiven Raketen- und Drohnenangriffen auf die Energieinfrastruktur des Landes begann. Die Regierung in Moskau erklärte, sie reagiere damit auf Angriffe auf die Halbinsel Krim, die Russland 2014 völkerrechtswidrig annektierte. Die Ukraine wies die Vorwürfe zurück. (ap)
Ukraines Botschafter fordert deutschen Einreisestopp für Russen
Der neue ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksij Makejew, hat von der Bundesregierung einen Einreisestopp für Russen gefordert. „Andere Länder verwehren Russen die Einreise. Ich appelliere an die Bundesregierung, das auch so zu machen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag. Er warnte dabei auch vor Anschlägen auf Ukrainer in Deutschland: „Wir haben es mit einem ernsten Sicherheitsrisiko zu tun.“
„Die Russen, die nach Deutschland kommen, tun dies nicht aus Protest gegen den Krieg. Sie wollen nur nicht im Krieg sterben“, sagte Makejew. „Je mehr Leute nach Deutschland kommen und diesen genozidalen Krieg unterstützen, desto größer wird das Sicherheitsrisiko.“
Es habe Brandanschläge auf Unterkünfte für geflüchtete Ukrainer gegeben, erinnerte der Botschafter. „Wir warten auf die Ergebnisse der Untersuchung. Es muss schnell geklärt werden, wer dahintersteckt.“
Außerdem warnte Makejew davor, Russen in denselben Flüchtlingsheimen unterzubringen wie Ukrainer. „Die Gefahr, dass Menschen zu Schaden kommen, die gerade dem Krieg entkommen sind, wäre einfach zu groß.“
Makejew verwies auch auf Russlanddeutsche, die nach Kriegsbeginn mit Autokorsos durch deutsche Städte gefahren seien und den Überfall auf die Ukraine bejubelt hätten. „Diese Leute sind sehr stolz auf diesen Krieg, und viele von ihnen sind deutsche Staatsbürger“, sagte er. „Das ist ein Problem, mit dem sich die Bundesregierung befassen muss.“ (afp)
Mützenich: Bin irritiert
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat der ukrainischen Regierung vorgeworfen, ihn auf eine Terrorliste gesetzt zu haben. „Ich bin schon irritiert gewesen, dass ich von der ukrainischen Regierung auf eine Terrorliste gesetzt wurde mit der Begründung, ich setze mich für einen Waffenstillstand ein oder für die Möglichkeit, über lokale Waffenruhen auch in weitere diplomatische Schritte zu gehen“, sagte Mützenich am Samstag beim SPD-Debattenkonvent in Berlin. Von ukrainischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung dafür, dass der SPD-Fraktionschef auf eine Terrorliste gesetzt worden sei.
Mützenich sagte beim Debattenkonvent auch, dass er Drohungen bekommen habe. „Auf dieser Grundlage, dass man auf diese Terrorliste der ukrainischen Regierung gekommen ist, hat man ja sozusagen dann auch Sekundärdrohungen bekommen. Auch nicht gerade einfach, damit umzugehen.“
Mützenich beklagte eine „Diskriminierung“ derjenigen, die sich wie er selbst für Diplomatie einsetzen. „Gegen diesen Rigorismus wende ich mich.“ Er verteidigte seine Forderung nach diplomatischen Bemühungen, um ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. „Es bleibt dabei: (…) Die meisten Kriege sind am Ende nicht auf dem Schlachtfeld beendet worden“, sagte Mützenich. (dpa)
Linke-Chef dringt auf Friedensinitiative im Ukraine-Krieg
Angesichts des monatelangen Kriegs in der Ukraine hat Linke-Chef Martin Schirdewan von Bund und EU Initiativen zu Friedensgesprächen angemahnt. Er warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) außerdem vor, bei seiner jüngsten China-Reise die Chance auf eine gemeinsame Friedensinitiative mit China vertan zu haben. „Dieser verdammte Krieg muss endlich und so schnell wie möglich zu einem Ende kommen“, mahnte Schirdewan am Samstag bei einem Landesparteitag der sächsischen Linken in Löbau. Er betonte, Russland unter Wladimir Putin sei in diesem Krieg der Aggressor. „Unsere Solidarität gilt zuvorderst der Zivilbevölkerung in der Ukraine, die das angegriffene Land ist.“ (dpa)
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