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Israelischer Bruch der WaffenruheIm Gazastreifen öffnen sich die Tore zur Hölle

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Der Traum ist aus: Die Waffenruhe trat nur in Kraft, weil Trump ein paar schöne Bilder brauchte. Europa kann nicht einfach so weitermachen.

Von der israelischen Armee getötete Menschen in Beit Lahia im nördlichen Gazastreifen am 20. März Foto: Jehad Alshrafi/ap/dpa

D ie Kriegsrhetorik lässt schaudern. Vor zwei Wochen drohte US-Präsident Donald Trump den Menschen in Gaza: Kommen die Geiseln nicht ohne Bedingungen frei, dann „seid ihr tot“. Zuvor sagte Israels Verteidigungsminister Israel Katz, wenn die Hamas nicht kapituliere, dann würden „die Tore Gazas geschlossen und die Tore zur Hölle geöffnet“.

Am Dienstag ließ Israels Premier Benjamin Netanjahu nach zwei Monaten Waffenruhe wieder Bomben über dem Gazastreifen regnen. Nachdem dort in einer Nacht über 400 Menschen starben, sagte er, das sei „erst der Anfang“.

Die Menschen im Gazastreifen pauschal für die Taten der Hamas zu bestrafen, ist ein Kriegsverbrechen. Doch Israels Regierung nimmt keine Rücksicht. Seit Anfang März blockiert sie wieder Hilfslieferungen und hat die Stromversorgung des Gazastreifens eingestellt. Jetzt ruft sie die Bevölkerung erneut dazu auf, aus den Kampfgebieten zu fliehen. Schutz gibt es für die völlig erschöpften Menschen dort nicht.

Man muss Trump und Netanjahu beim Wort nehmen. Sie meinen, was sie sagen

Die Wahnidee, die Menschen in Gaza könnten unter militärischem Druck gegen die Hamas aufbegehren und helfen, die Geiseln mit Gewalt zu befreien, wird so nicht funktionieren. Man fragt sich, wie es dort noch schlimmer kommen kann. Doch man muss Trump und Netanjahu beim Wort nehmen. Sie meinen, was sie sagen.

Netanjahu hat deutlich gemacht, dass er den Krieg so lange fortführen will, bis die Hamas zerschlagen ist. Er war nie ernsthaft an einem Geisel­deal interessiert und hat alle Initiativen der USA unter Joe Biden stets sabotiert.

Frieden oder Fotos?

Die seit über einem Jahr verhandelte Waffenruhe trat nur in Kraft, weil sich Trump zu seinem Amtsantritt mit ein paar schönen Bildern von befreiten Geiseln schmücken wollte und deshalb Netanjahu nötigte, einzulenken. Dessen rechtsextreme Koalitionspartner haben die Waffenruhe nur zähneknirschend akzeptiert. Nun können sie den Krieg wieder aufnehmen und ausweiten. Trump hat ihnen einen Freibrief erteilt, und in der Bevölkerung haben sie Rückhalt.

Gäbe es im Gazastreifen keine israelischen Geiseln mehr, würden die Proteste gegen den Krieg vermutlich noch kleiner ausfallen. Laut Umfragen unterstützt dort eine satte Mehrheit von 80 Prozent Trumps irre „Riviera“-Idee, den Gazastreifen ethnisch zu säubern. Viele Israelis sind überzeugt, dass es im Gazastreifen gar „keine unschuldigen Zivilisten“ gebe. Man sollte sich also keine Illusionen machen.

Deutschland und Europa können nicht einfach so weitermachen wie zuvor. Wie mit Blick auf die Ukraine müssen sie auch mit Blick auf Israel aus dem Fahrwasser der USA treten und eine eigenständige Position entwickeln: eine, die die Menschenrechte und das Völkerrecht respektiert.

Denn davon hat sich diese israelische Regierung so weit entfernt wie noch keine vor ihr. Wo bleibt die Friedensinitiative? Nach der Völkermordkonvention sind alle Staaten der Welt verpflichtet, einen Genozid zu verhindern. Doch sie schauen tatenlos zu oder liefern, wie Deutschland, weiterhin Waffen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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