Pkw-Attacke in Mannheim: Amokfahrer war früher in rechtsextremer Szene aktiv
Nach der Pkw-Attacke in Mannheim schließen Ermittler ein politisches Motiv aus. Aber: Der Festgenommene war offenbar vor Jahren Teil der rechten Szene.
Demnach zeigen Fotos Alexander S. bei einem Aufmarsch von Rechtsextremen und Reichsbürgern im Oktober 2018 in Berlin. Rund 1.300 Teilnehmende hatten sich damals dem Aufzug des Bündnisses „Wir für Deutschland“ angeschlossen – kurz zuvor war es in Chemnitz zu rechten Unruhen gekommen.
Laut Exif soll Alexander S. zudem zumindest im Jahr 2018 Teil des „Ring Bunds“ gewesen sein, einer Gruppe aus dem Umfeld eines rechtsextremen Waffennetzwerks. In einer Personenliste eines dort Aktiven soll Alexander S. mit dem Verweis „Ring Bund“ notiert gewesen sein. Zudem soll S. im September 2018 via E-Mail instruiert worden sein, wie man Nachrichten im Entwürfe-Ordner des „Ring Bund“-Accounts austauschen könne.
Rechtsextremer „Ring Bund“ wetterte gegen „Hochfinanz“
Der „Ring Bund“ soll sich laut Exif unter anderem im Februar 2018 in einer von Rechtsextremen genutzten Immobilie im Thüringer Guthmannshausen getroffen haben. Bei Vorträgen sei es um die „Theorie der revolutionären Situation“ gegangen, über „gewaltsamen Widerstand“ oder ein System „der weltweit beherrschenden Hochfinanz“.
Das Waffennetzwerk, an das der „Ring Bund“ angebunden gewesen sei, wiederum flog im Jahr 2020 auf. Laut Ermittlungsergebnissen soll das Netzwerk von 2015 bis 2018 Schusswaffen, darunter Uzis und Pumpguns, von Kroatien nach Deutschland gebracht haben. Drei Männer wurden 2022 vom Landgericht München deshalb zu Freiheitsstrafen bis zu 4 Jahren und 3 Monaten verurteilt.
Die taz hatte damals über interne Mails der Gruppe berichtet. Demnach versuchten Mitglieder an verschiedene rechtsextreme Gruppe wie die Identitären, Pegida, die „Europäische Aktion“ oder die AfD anzudocken. Auch eine eigene Gruppe entstand: die „Patriotische Alternative“, mit der die AfD unterstützt werden sollte.
Mit den Hinweisen auf die wohl rechtsextreme Vergangenheit von Alexander S. stellt sich nun die Frage, ob die Tat von Mannheim womöglich doch politisch motiviert gewesen sein könnte – und ob es Mitwisser des Tatplans gab.
Linke fordert Aufklärung
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger kritisierte, dass ein Mann mit möglicher rechtsextremer Vergangenheit einen tödlichen Angriff begehe und „die Politik schaut weg“. Es brauche nun „Aufklärung und Antworten auf Hintergründe zum Täter“.
Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mannheim und eine Sprecherin der Landeskriminalamts Baden-Württemberg sagten der taz, die die Hinweise auf die rechtsextremen Aktivitäten von Alexander S. seien bekannt und würden im Rahmen der Ermittlungen geprüft. Zu klären sei, ob diese für die Tat relevant waren, so der Polizeisprecher. Dazu fänden momentan auch Befragungen des Umfelds des Festgenommenen und Auswertungen seiner Social Media Kommunikation statt.
Die jüngste Durchsuchung der Wohnung von Alexander S. in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) ergab laut Polizei keine Hinweise auf das Tatmotiv. Die Staatsanwaltschaft Mannheim betonte aber am Mittwochnachmittag, dass es „nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen weiterhin keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der konkreten Tat ein extremistisches oder politisches Motiv zugrunde lag“. Die Hinweise auf die Kontakte von Alexander S. ins rechtsextreme Milieu 2018 seien bekannt, hieß es auch dort. „Abfragen bei verschiedenen Nachrichtendiensten führten allerdings zu keinen extremismusrelevanten Rückmeldungen. Auch bei den bisher gesichteten Asservaten konnten bislang keinerlei Anhaltspunkte für eine extremistische Gesinnung des Tatverdächtigen gefunden werden.“ Die Auswertungen würden aber „intensiv fortgeführt“.
Die Staatsanwaltschaft erklärte weiter, dass stattdessen aufgrund umfangreicher ärztlicher Unterlagen und einer „Vielzahl sich gegenseitig bestätigender Zeugenaussagen“ davon auszugehen sei, dass bei Alexander S. „seit vielen Jahren“ eine psychische Erkrankung vorliege. Der 40-Jährige habe sich regelmäßig in psychiatrischer Behandlung befunden, im vergangenen Jahr auch stationär. Laut Bild soll sich S. damals an ein Ludwigshafener Krankenhaus gewandt haben, mit der Ansage, er habe sich mit Benzin übergießen und anzünden wollen.
Laut Staatsanwaltschaft erhöhte sich zudem die Zahl der Verletzten auf 14 Personen, darunter auch ein zweijähriges Kind. Vier Personen befänden sich noch im Krankenhaus. Alexander S. war bei der Tat von dem Taxifahrer Muhammad A. gestoppt und darauf von der Polizei festgenommen worden. Zuvor soll sich der 40-Jährige mit einer Schreckschusspistole in den Mund geschossen haben.
Social Media Fotos mit Waffe und vor Panzer
Laut seinem Facebook-Profil studierte Alexander S. Biotechnologie in Darmstadt, zuletzt soll er als Gärtner gearbeitet haben. Auf Facebook postete er nur noch sporadisch und vor allem Tiervideos. In einem Beitrag von 2020 kommentierte er eine Graffiti-Aktion, bei der ein Hakenkreuz übermalt wurde, mit „saugeil“. Ein zweites Profil beim russischen Anbieter VK zeigt dagegen laut Medienberichten nordische Götter und S. mit einem Gewehr im Schießstand sowie posierend vor einem Panzer. Zudem wurde S. 2019 wegen eines rechtsextremen Facebook-Kommentars verurteilt.
Dass die Tat in Mannheim politisch motiviert sein könnte, dafür gebe es bisher keine Hinweise, hatte indes auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) betont.
Gegen Alexander S. wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Angaben zur Tat machte er nicht. Im Tatfahrzeug wurde nur ein Zettel gefunden, auf dem kryptische Berechnungen von Geschwindigkeit standen oder Schlagworte wie „Anhalteweg“, „links“, „rechts“. Auch dies werde nun ausgewertet, erklärte die Staatsanwaltschaft. Laut Sicherheitsbehörden fiel Alexander S. in der Vergangenheit wegen einer Körperverletzung, einer Trunkenheitsfahrt und unerlaubten Führens einer Schreckschusswaffe straffällig auf.
Anm. der Redaktion: Die Reaktion der Staatsanwaltschaft kam erst im Laufe des Nachmittags. Wir haben sie nachträglich in diesen bereits am Morgen publizierten Text eingebaut.
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