Scholz und Merz im Kanzlerduell: Ein bisschen Streit
Beim Kanzlerduell geht es recht zivil zu. Scholz liebt Zahlen und lange Sätze, Merz ist zackig wie immer.
![Scholz und Merz an Pulten, voneinander abgewandt Scholz und Merz an Pulten, voneinander abgewandt](https://taz.de/picture/7519304/14/506694008-1.jpeg)
Wer war rhetorisch besser? Merz redet klar, knapp, deutlich. Macht einen tatkräftigen Eindruck. Scholz verliert sich immer mal wieder in Relativsatz- und Passivkonstruktionen. Scholz sagt: „Es muss entschieden gehandelt werden.“ Nicht: „Ich handele.“ Merz ist der effektivere Rhetoriker, Scholz ist klarer und weniger umständlich als sonst. Macht auch weniger Kunstpausen. Trotzdem: Punkt für Merz.
Wer hat seine wichtigsten Themen besser präsentiert? Merz fährt bei seinen zentralen Punkten Migration und Wirtschaftskrise scharfe Angriffe. Bei der Migration attestiert er Scholz Kontrollverlust. Bei Wirtschaft malt er die Lage schwarz – mehr Arbeitslose, Pleiten, Inflation. Das knüpft in zackigen Sätzen an dem grassierenden Krisengefühl an. Scholz wirkt bei Migration und Wirtschaft defensiv, punktet aber bei Gerechtigkeit und Mindestlohn. Ohne Zahlengewitter: „Ich bin dafür, dass Leute, die wenig Geld haben, mehr bekommen.“ Verstehen alle. Insofern: unentschieden.
Wirkte Scholz arrogant? Scholz weiß es besser und lässt das zu oft zu viele spüren. Beim Kanzlerduell verbirgt er das geschickt. Er wendet sich immer wieder direkt an Merz, signalisiert Offenheit, während Merz lange stur geradeaus schaut. Gleich zu Anfang sagt Scholz, es solle „ein bisschen locker zugehen“ Locker! Scholz! Point taken.
Wirkte Merz unbeherrscht? Nein, er hatte sich im Griff. Anscheinend ist er vorher noch einmal gut gecoacht worden. Alles andere wäre auch zu einem dicken Problem geworden. Denn Merz hat den Ruf, dass ihm immer mal wieder die Pferde durchgehen, wenn er unter Druck steht oder provoziert wird. Auch bei dem Tabubruch in der vorvergangenen Woche im Bundestag, als die Union einen Entschließungsantrag mit den Stimmen der AfD durchbrachte, entstand der Eindruck, dass Merz’ Affekte eine Rolle spielten – und er das ganze Manöver nicht bis zum Ende durchdacht hatte.
Alles nur Migration? Nicht alles, aber verdammt lang war Migration das Thema. Eine halbe Stunde lang durften sich Scholz und Merz darüber streiten, wer schneller, entschiedener, härter zurückweist und abschiebt. Ohne neue Erkenntnisse.
Bei wem zahlt Merz’ AfD-Tabubruch im Bundestag ein? Scholz war in der Offensive. Er versicherte, „ernste Sorgen“ zu haben, dass Merz’ seine Zusage, nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, wieder bricht. Wie schon mal. Merz wiederholte, dass man nach den Morden von Aschaffenburg nicht einfach so weiter machen konnte wie bisher. Und versicherte, dass es mit ihm keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde. Die Frage nach dem Austritt von Michel Friedmann aus der CDU überging er. Und behauptet, dass kaum jemand der Demonstrant*innen an die Opfer von Aschaffenburg denke. Das klang anmaßend.
Der beste Moment von Merz? Scholz erklärt in scholzischem Technokratendeutsch die Finanzierung der Krankenkassen. Merz hört zu und sagt, was viele denken: „Das habe ich nicht verstanden“. Ein lässiger Treffer.
Der beste Moment von Scholz? Als Merz ernsthaft behauptet, die Stilllegung von drei AKWs durch die Ampel sei ein Grund für die Wirtschaftskrise, sagt der Kanzler: „0,0002 Prozent“. Er mag halt Zahlen. Die versteht man.
Gab es etwas Neues? Fast. Merz rang sich auf Nachfrage halb zu einem gemurmelten Ja zur Reform der Schuldenbremse durch. Die sei denkbar, aber nicht am Anfang seiner Kanzlerschaft. Dass er Kanzler wird, hält Merz für so sicher wie den Sonnenaufgang.
And the winner is? Scholz war für seine Verhältnisse gut, aber das reicht kaum. Er hat Merz nicht aus dem Konzept gebracht oder zu krassen Fehlern verleitet. Merz reicht ja ein wackliges Unentschieden.
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