Nach Absage für Albanese: Die Falsche im Visier
Die UN-Sonderberichterstatterin wird von der Polizei drangasliert, während in Dresden Neonazis marschieren. Das ist kein Kampf gegen Antisemitismus.
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H ätten deutsche Polizisten eine UN-Sonderberichterstatterin verhaftet? Diese Frage stellte sich, als Francesca Albanese am Dienstag in Berlin auf einer Veranstaltung sprach, die kurzfristig in andere Räume verlegt werden musste. Es war keine hypothetische Frage: Einen umstrittenen „Palästina-Kongress“ hatte die Berliner Polizei vor einem Jahr mit fragwürdigen Begründungen abrupt beendet.
Auch diesmal postierten sich Polizisten im Raum, um mögliche strafbare Aussagen Albaneses zu unterbinden. Zum Glück sagte sie nichts Strafbares. Bilder von deutschen Beamten, die einer UN-Sonderberichterstatterin das Mikrofon abdrehen, blieben der Welt damit erspart. Die Bilder der Polizeiwagen, die den Veranstaltungsort umzingelten, waren peinlich genug. Deutschland macht viel, um sich weltweit zu blamieren.
Der Staatsschutz ermittelt gegen den chinesischen Regisseur Jun Li, weil der bei der Berlinale die Parole „From the River to the Sea“ äußerte, die hierzulande verboten ist. Die Berliner Polizei löste jüngst eine Kundgebung auf, weil dort Hebräisch gesprochen wurde. Bilder brachialer Polizeigewalt gegen propalästinensische Proteste in Deutschland schaffen es inzwischen sogar in die Musikvideos von US-Rappern. Die Kritik von Linkspartei und BSW am Umgang mit Albanese ist völlig richtig.
Es ist der traurige Höhepunkt der Versuche, Kritik an Israel und der deutschen „Staatsräson“ zu kriminalisieren. Und es ist Ausdruck einer Tendenz zum Autoritarismus. Mit dem notwendigen Kampf gegen Antisemitismus hat das wenig zu tun. In Dresden marschieren Rechtsradikale unbehelligt mit Transparenten durch die Straßen, auf denen sie die Bombardierung ihrer Stadt durch alliierte Truppen im Zweiten Weltkrieg als „Bomben-Holocaust“ bezeichnen.
Und im Bundestag sitzt eine Partei, deren Ehrenvorsitzender die Nazi-Zeit als „Vogelschiss“ bezeichnete. Aber wenn er im Bundestag spricht, steht neben ihm kein Polizist. Gegenüber der UN ist dieses Verhalten deshalb ein Affront.
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