Protest am Jahrestag des 7. Oktober 2023: Greta Thunberg auf Hetz-Demo

Demonstrierende, darunter Greta Thunberg, glorifizieren den Terror des Hamas-Massakers zu Widerstand. Anderswo wird der Opfer gedacht.

Eine Menschenmenge und Polizisten in schwerer Montur bei einer Demo in Berlin

Tumult beim Anti-Israel-Protest: Auch Klimaaktivistin Greta Thunberg war in Berlin vor Ort Foto: Jean-Philipp Baeck/taz

Berlin taz | Die Demo endet wie befürchtet: Rangeleien mit der Polizei, Festnahmen, Flaschenwürfe und Verletzte. Rund 400 Menschen haben sich am Montagabend am Südstern in Berlin versammelt, um offiziell in „Solidarität mit Palästina“ zu demonstrieren. Beworben wurde die Demo, die am ersten Jahrestag der Hamas-Massaker in Israel stattfand, unter dem Motto: „Glory to the resistance“, zu Deutsch: „Ruhm dem Widerstand“.

Prominenteste Teilnehmende war die Ikone der Klima-Bewegung Greta Thunberg. Mit Pali-Tuch, schwarzer Jacke und Corona-Gesichtsmaske war sie von den anderen Demonstrierenden kaum zu unterscheiden. Einzelne baten sie um Selfies. Eine Rede hielt sie nicht.

Über den Charakter der Demonstration ließen die Teilnehmenden gleich zu Beginn keine Zweifel. Auf Schildern war davon die Rede, dass die „German guilt“ den Nahen Osten zerstöre, andere erklärten Zionismus zum Traum der Nazis. Mit „Intifada“-Sprechchören wurde zur Gewalt aufgerufen, für ein Palästina, das arabisch sei. Mehrfach hallte auch gleich zu Beginn der Spruch „From the river to the sea, palestine will be free“ über den Platz. Unter anderem die Hamas benutzt diesen Spruch in ihrem Grundsatzpapier von 2017, in Berlin ist er verboten. Auch nach mehrfachen Durchsagen der Polizei, dies zu unterlassen, wiederholten die Teilnehmenden den Spruch.

Um 17.50 Uhr, knapp eine Stunde nach Beginn, marschierte dann ein behelmter Trupp Polizisten in die Kundgebung und zerrte Menschen heraus. Laut Polizeisprecher kam es zu vorübergehenden Festnahmen zur Identitätsfestellung. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Stimmung aggressiver. Die Polizei sperrte den Platz ab, mehrfach kam es zu Würfen von Glasflaschen in Richtung der BeamtInnen. Später leuchteten ein paar Bengalische Fackeln. Die Polizei ging robust in die Menge. Mehrere Menschen wurden verletzt.

Angriff auf JournalistInnen

PressevertreterInnen wurden von Protestierenden teils massiv an der Arbeit gehindert. Mehrere Kamerateams konnten nur unter dem Schutz von Security-Leuten berichtet. Die Reporterin Nadja Pia Wagner von Stern TV berichtete, dass sie und ihr Kamerateam angegriffen worden seien. „Wir wurden mit Wasser übergossen, beschimpft und getreten“, sagte sie der taz.

Der Ort der Demonstration war erst am Montag vom Hermannplatz in Neukölln zum Südstern verlegt worden, auf Geheiß der Versammlungsbehörde. Laut einem Polizeisprecher sei dies eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr gewesen, am Hermannplatz sei es in der Vergangenheit immer wieder zu Straftaten gekommen.

Zur Demonstration aufgerufen hatten unter anderem die trotzkistische Gruppe „Arbeiterinnenmacht“ sowie die „Kommunistische Organisation“, „Alliance of Internationlist Feminists“, „Palästina Spricht“ und die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“.

Ein Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme wollte sich zu der Frage nicht äußern, ob man mit dem Motto „Glory to the resistance“ am Jahrestag des Hamas-Massaker nicht den Terror verherrliche. Die Anmelderin der Demonstration wollte mit der taz ebenfalls nicht sprechen. „Lassen Sie unsere Leute in Ruhe“, sagte eine Begleiterin.

Gedenken in Kreuzberg

Thomas Wieskirchen von der Grünen Jugend Neukölln hingegen gab der taz Auskunft. Mit knapp einem Dutzend anderen stand er an einer gegenüberliegenden Straßenecke auf einer Gegenkundgebung, die die Grüne Jugend, die Jusos und die Falken gemeinsam organisiert hatten. „Wir finden, dass der 7. Oktober ein Tag des Gedenkens an die Opfer der Hamas sein sollte und kein Tag, um diese Gewalt zu glorifizieren“, sagte Wieskirchen der taz. „Es ist ein jahrzehntelanger Konflikt mit Leid auf beiden Seiten, aber es wird keinen Frieden geben, wenn man terroristische Gewalt nicht als diese benennt.“

Dem Hass auf Israel stellten sich auch anderswo in Berlin zahlreiche Menschen entgegen, so etwa auf einer Kundgebung in Kreuzberg. Über den Mariannenplatz hallten zum Auftakt atmosphärische Klänge, die eine Ambient-Band in Gedenken an die israelischen Geiseln in Gaza komponiert hatte. Die Versammlung wurde von „Feminism Unlimited“ organisiert und verstand sich als feministische und antifaschistische Kundgebung gegen den islamistischen Terror vom 7. Oktober 2023. „Für das Leben, gegen den Tod“ – so lautete das Motto, in Anspielung auf den Schlachtruf der Hamas, sie liebe den Tod so wie ihre Feinde das Leben.

Zuvor war auf den Treppen vor dem Bethanien der Slogan „Free Palestine“ mit roten Dreiecken gesprüht worden – ein Symbol der Hamas. Als die Kundgebung begann, war der Schriftzug aber schon längst mit „from Hamas“ ergänzt worden, die Dreiecke waren übermalt. Die Stimmung war trauervoll und bedrückt. Zum Höhepunkt waren schätzungsweise knapp 2.000 Menschen anwesend. Auf einem Schild stand zu lesen „Homos gegen Hamas“, auf einem anderen: „Rape is not resistance“. Ein paar Teil­neh­me­r*in­nen brachten Antifa-Flaggen mit, auch die Falken und die VVN sind vor Ort.

Rosa Jellinek von der queer-jüdischen Organisation Keshet sagte auf der Bühne: „Ich bin zutiefst schockiert und enttäuscht, wie schnell sich angeblich feministische Gruppen mit den Opfern sexualisierter Gewalt entsolidarisieren, wenn sie jüdisch sind.“

Von der jesidisch-deutschen Schriftstellerin Ronya Othmann hieß es: „Wer die sexuelle Gewalt der Hamas am 7.10. gegen israelische Frauen leugnet, lässt sie nicht nur im Stich, sondern wirft sie vor den Bus und sagt, sie wären gestolpert und der Bus sei ein Fahrrad.“ Auch die Autorin Leah Czollek und Kelly Laubinger von der Sinti Union in Schleswig-Holstein hielten Reden. Moderiert wurden die Beiträge von der Publizistin Veronika Kracher. Zum Schluss spielte die Ambient-Band wieder, wie ein Requiem für die Ermordeten vom 7. Oktober.

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