Nach Rücktritt von Landrat in Sachsen: Kretschmer fordert Anstand

Tage nach dem Rücktritt von Dirk Neubauer spricht sich Sachsens Ministerpräsident für Zusammenhalt aus. Doch die Linke kritisiert: Es fehlt ein Plan.

Michael Kretschmer spricht in ein Mikrofon

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer: „Es gibt in der Tat Brandstifter, die das Klima vergiften.“ Foto: Karina Hessland/reuters

LEIPZIG taz | Michael Kretschmer ruft dazu auf, dem bedrohlichen politischen Klima in Sachsen entgegenzutreten. Damit reagierte Sachsens Ministerpräsident am Freitag auf die Rücktrittsankündigung des mittelsächsischen Landrats Dirk Neubauer vom Dienstag. Grüne und Linke hatten zuvor kritisiert, dass der CDU-Landesvorsitzende tagelang keine Stellung zu dem Vorfall bezogen hatte.

Der parteilose Neubauer hatte in einem zwanzigminütigen Video erklärt: „Ich gebe auf, weil da draußen zu viele den Mund halten.“ Zwei Jahre war er als Landrat in Mittelsachsen im Amt und hätte es noch bis 2029 bleiben können. Aber weil in seiner Region der Gestaltungswille fehle und er seit Monaten von Rechten bedroht werde, wolle er seinen Posten so schnell wie möglich räumen. Die extrem rechten „Freien Sachsen“ organisierten mehrfach Autokorsos vor Neubauers Wohnsitz.

Neubauer ist nicht der Einzige, der in den vergangenen Tagen seinen Rückzug verkündet hat. Die Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) aus dem Vogtland erklärte bereits vergangene Woche, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Ihre Begründung klang ähnlich: „Ich habe viel an Beleidigungen, Bedrohungen, aber leider auch viel Gleichgültigkeit erlebt. Das raubt Kraft.“ Anfang des Monats gab auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby aus Sachsen-Anhalt bekannt, nicht mehr anzutreten.

Kretschmer antwortete nun auf eine Anfrage der taz: „Es gibt in der Tat Brandstifter, die das Klima vergiften. Wir sehen: Aus Gedanken werden Worte und aus Worten werden Taten. Auf eine bittere Art und Weise. Dem müssen wir mit aller Kraft entgegentreten. Nur wenn wir anständig miteinander umgehen, wird dieses Land eine gute Zukunft haben. Es ist nicht anders als in der Familie, im Freundeskreis oder auf der Arbeit. Wir alle haben es in der Hand. Und wir treten für das Vernünftige, für das Positive, für das anständige Sachsen ein.“

Vizeministerpräsident Wolfram Günther (Grüne) begrüßt, dass sich Kretschmer „endlich“ äußert. In seiner Rolle als Ministerpräsident habe der „eine besondere Verantwortung für Demokratie und gesellschaftliches Klima“. Es mangle an vielen Orten am parteiübergreifenden Zusammenhalt bei Angriffen auf gewählte Amtsinhaber:innen. „Das müssen wir herumreißen: Politiker*innen, indem sie sich klar gegen Angriffe stellen, und die Gesellschaft im täglichen Leben, im Verein, in der Familie, auf der Straße“, so Günther.

Laut dem sächsischen Linken-Vorsitzenden Stefan Hartmann sei es zwar gut, dass Kretschmer Position beziehe. Aber Hartmann kritisiert: „Seine Äußerungen zeigen einmal mehr, dass er nicht verstanden hat, dass auch seine Rhetorik, seine Politik und die Politik seiner CDU-Vorgänger uns in diese Situation geführt haben.“ Statt einen Plan zu entwickeln, wie die Regierung sächsische Gesellschaft eint, wälze Kretschmer die Verantwortung auf die Einzelnen ab.

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