Nach 92 Tagen: Klimaaktivist beendet Hungerstreik

Der Aktivist hatte ein klimapolitisches Umdenken gefordert. Nun wisse er, dass Kanzler Scholz ihn und die anderen Streikenden eher verhungern ließe.

Portraitbild Wolfgang Metzeler Kick

Der Hungerstreikende Wolfgang Metzeler-Kick am 29.05.2024 im Protestcamp der Klimaktivisten im Invalidenpark Foto: Dirk Sattler/imago

BERLIN taz | „Penner“, „Idioten“, „fickt euch alle“: Kein Schimpfwort ist den Autofahrenden verletzend genug, um es einer Handvoll Menschen, die sich am Donnerstagmittag auf die Invalidenstraße in Berlin gesetzt haben und eine Spur blockieren, entgegenzuschleudern. Unter diesen ist auch Wolfgang Metzeler-Kick.

Die Straßenblockade ist der abrupte Abschluss des Hungerstreiks, der im März unter dem Motto „Hungern bis ihr ehrlich seid“ begann. Mit ihm sollte ein radikales Umdenken in der Klimapolitik eingefordert werden. Vor allem vom Bundeskanzler.

Der 49-jährige Metzeler-Kick hat 92 Tage nichts gegessen. Damit hungerte der Umweltingenieur länger als alle anderen sieben Ak­ti­vis­t*innen. Er war bereit, noch weiterzugehen. Selbst nach einem Kreislaufkollaps.

Erreichen wollten die Ak­ti­vis­t*in­nen mit dem Hungerstreik, dass der Bundeskanzler der Bevölkerung sagt, was Sache ist. Dass die Klimakatastrophe eine extreme Gefahr für die menschliche Zivilisation ist. Dass es kein CO2-Restbudget gibt. Dass radikales Umsteuern notwendig ist. Die Forderungen seien wissenschaftlich abgesichert. Im Grunde wollten die Hungerstreikenden, dass der Bundeskanzler die Wahrheit über den Klimawandel ausspricht. Scholz aber schweigt größtenteils. Spricht er doch, verweist er auf die Ingenieure, die es richten werden. Auch das Wort „erpressen“ fällt.

Die eigenen Kinder ließen sie umdenken

Der charismatische Metzeler-Kick ist keiner, der schnell einknickt. Anfang vergangener Woche, so der Plan, wollten er und Adrian Lack, ein weiterer Hungerstreikender, auch auf die Aufnahme von Flüssigkeit verzichten, was ihren Tod innerhalb kürzester Zeit zur Folge gehabt hätte. Dann jedoch setzten sie den Hungerstreik vergangenen Donnerstag für eine Woche aus. Ihr Tod dürfe nicht nur als Folge einer Erpressung verstanden werden. Sie wollten dem Bundeskanzler Zeit geben, um mit ihnen zu reden. Der aber rührte sich nicht.

Nach Ablauf der Woche nun verkündeten sie, dass sie den Hungerstreik, dem sich vor drei Tagen noch Soña, eine 46-jährige Geologin, angeschlossen hatte, beenden werden. Soña sagte, sie tue es aus „Herzensintelligenz“, aus Verantwortung ihren Kindern gegenüber. Ähnlich hatte zuvor auch Metzeler-Kick argumentiert, wenn er auf seinen Sohn angesprochen wurde.

Die Ak­ti­vis­t*in­nen erklärten auf der Pressekonferenz, sie hätten verstanden, dass selbst ein Hungerstreik nicht zu einem Umdenken führe. Sie wissen nun, sagt Metzeler-Kick, dass der Bundeskanzler sie eher verhungern ließe, als die Wahrheit zu sagen.

Titus Feldmann, Ingenieur und Naturwissenschaftler wie alle Hungerstreikenden, meint, dass es kein Problem wäre, wenn er sich irrte. Dann habe er halt ein Jahr für die Kampagne verschenkt, man könne über ihn lachen. Was jedoch, wenn der Kanzler sich irrt?

Metzeler-Kick hält der Kampagne immerhin zugute, dass sie eine breitere Wahrnehmung dafür erreicht habe, dass die Zeit beim Klimawandel drängt. Er fordert alle auf, sich zu ermächtigen und aktiv zu werden, auch radikal aktiv. „Wenn es euch Spaß macht, Pipelines in die Luft zu sprengen, lasst euch nicht erwischen. Ich stelle mich euch nicht in den Weg.“

Dann stehen er und die anderen Hungerstreikenden auf, gehen zur Invalidenstraße, setzen sich auf eine Straßenspur. Es dauert nicht lange, bis die Autos umgeleitet sind. Metzeler-Kick aber klebt sich am Asphalt fest, wie er es schon früher getan hat.

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