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: Der Bischof marschiert mit Rechten

Rudolf Voderholzer, der erzkonservative Bischof von Regensburg, wird beim „Marsch für das Leben“ neben einem Rechten fotografiert. Anstatt sich zu distanzieren, setzt sein Bistum lieber eine Journalistin unter Druck

„White Power“-Geste neben Rudolf Voderholzer (mit Hut) Foto: Kirsten Achtelik

Von Stefan Hunglinger

Achtung, Achtung! Wer ein politisches Anliegen öffentlich auf die Straße trägt, wird vermutlich gesehen – und unter Umständen sogar fotografiert. Dem Bischof von Regensburg, Rudolf Voderholzer, scheint das völlig neu zu sein. Auf ein Pressefoto, das den erzkonservativen Oberhirten neben Rechtsradikalen marschierend zeigt, reagiert sein Bistum mit Drohungen gegen die Fotografin – und mit blamablem Quatsch.

Am Samstag lief Voderholzer – schwarzer Anzug, weißer Panamahut – mit 3.000 anderen Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen beim „Marsch für das Leben“ in Berlin mit. Zum 19. Mal fand diese Hauptstadtveranstaltung des sogenannten Bundesverbands Lebensrecht (BvL) statt, dieses Jahr auch erstmals gleichzeitig in Köln. In beiden Städten gab es lautstarken Gegenprotest. Für die Zeitung ND.Die Woche beobachtete die Redakteurin Kirsten Achtelik die Demonstration und twitterte live, was zu sehen war: Unter anderem ein Mann in feinem Zwirn, der mit der linken Hand seine Verlobte festhielt, mit der Rechten aber den Gruß der rassistischen Bewegung für „Weiße Vorherrschaft“ in die Kamera zeigte. Etwa seit 2017 verwenden Rechtsextreme das Handzeichen für „okay, bei dem Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis geformt und die restlichen Finger gespreizt werden, als Erkennungszeichen. Mit etwas Fantasie lassen sich in der Geste die Buchstaben W und P erkennen, kurz für „White Power“.

Neben dem jungen Rechten lief Voderholzer, keineswegs als einziger Kirchenvertreter, über die Berliner Straßen. Ein Skandal für viele, die das Bild auf X, dem früheren Twitter, sahen und kommentierten.

„Das Bistum Regensburg und Bischof Rudolf distanzieren sich ausdrücklich von diesem Foto!“, schrieb das Bistum in der Folge auf X, und weiter: „Unser Bischof Dr. Voderholzer würde niemals an der Seite von Rechtsradikalen laufen.“ Dass er genau das tat, beweist jedoch Achteliks Foto. Der Journalistin drohte das Bistum schließlich mit rechtlichen Schritten: „Wir werden gegen dieses Foto auch vorgehen. Es entstand ohne unser Wissen.“

Presserechtlich ist das Foto völlig in Ordnung, weil Voderholzer als Bischof eine „Person der Zeitgeschichte“ ist. Wer ein herausragendes Amt bekleidet, muss also mit Fotos ohne seine Einwilligung leben. Darauf wies auch ein Journalistenkollege Achteliks hin. Das Bistum antwortete: „Waren Sie schon einmal auf einer Demonstration? Kannten Sie ausnahmslos jeden, der da mitgelaufen ist? Hätten Sie für jeden Teilnehmenden die Hand ins Feuer legen können, dass er eine gute Gesinnung hat?“

Tausende Ab­trei­bungs­geg­ne­r*in­nen trafen sich vergangen Samstag beim „Marsch für das Leben“ in Kön und Berlin Foto: Florian Boillot

Abgesehen davon, ob das eine angemessene Ansprache ist, offenbart diese blamable Replik das eigentliche Problem: Voderholzer und die anderen teilnehmenden Kir­chen­ver­tre­te­r:in­nen müssen nicht „ausnahmslos jeden“ kennen, der mitläuft. Doch nachdem seit Jahren bekannt ist, dass Rechtsextreme bei dem „Marsch für das Leben“ präsent sind, darf es ihn eigentlich nicht überraschen, dass er tatsächlich mit ihnen gesehen wird.

Es sei „nicht hinnehmbar, dass Chris­t*in­nen Seite an Seite mit Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen auf die Straße gehen oder gar zusammenarbeiten“, hatte der Bund der Deutschen Katholischen Jugend vor der Demo am Samstag gesagt und im selben Zuge zu einem Boykott aufgerufen. Wer es trotzdem tut, sollte sich über die kritische Öffentlichkeit dann auch nicht beschweren.